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Panorama: Genfer Autosalon 1968 - Vor 50 Jahren am Lac Leman

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Zwischen Biedermeier und Protest, zwischen Gemächlichkeit in der Freizeit und Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn: Ein Rückblick auf den Genfer Auto Salon 1968.

Ein preiswertes Volumenmodell wollten die Ingolstädter mit dem Audi 60 auf den Markt bringen Ein preiswertes Volumenmodell wollten die Ingolstädter mit dem Audi 60 auf den Markt bringen Quelle: Audi

Köln - Der Genfer Autosalon, der noch bis zum 18. März in der Stadt am Genfer See stattfindet, hat eine lange Tradition. Als "Automobile und Fahrradausstellung" im Jahr 1905 gestartet, ist er heute eine der wichtigsten internationalen Automobilausstellungen. Dabei mussten die Aussteller anfangs um Akzeptanz in der Bevölkerung ringen. 1907 musste die Messe nach Zürich verlegt werden, weil man in Genf die Gefahr für Fußgänger durch die Automobile für zu groß erachtete.

Rund ein halbes Jahrhundert später war das Interesse an der Ausstellung so groß, dass die Messepaläste den Besucheransturm zeitweise kaum noch fassen konnten. 1968 stellten mehr als 100 Marken aus vier Kontinenten aus. Unter den Exponaten waren die staatstragenden russischen Tschaika und Zil, ein chinesischer Hongqi („Rote Fahne“), vor allem aber eine große Anzahl japanischer Modelle.

Ungeachtet der Vorboten des politisch aufregenden 1968er-Frühlings standen hier Studentenautos neben schnellen Sportlern in schrillen Farben, Kunststoffflitzern für die aufkommende Freizeitgesellschaft und auch revolutionären Modellen mit Rotationskolbenmotoren. Brav war verpönt, weshalb der VW 1300 als psychedelisch lackierter „Privat-Käfer“ vorfuhr und Rolls-Royce seine 100.000-Mark-Luxusmobile erstmals durch Messehostessen „an den Mann bringen wollte“, wie es ein Nachrichtensender nannte.

Als dem Wankelmotor die Zukunft zu gehören schien

Der BMW 2002 gehörte 1968 zu den Messehighlights des Genfer Autosalons Der BMW 2002 gehörte 1968 zu den Messehighlights des Genfer Autosalons Quelle: BMW Barbusige Damen auf Motorhauben wie bei der British Motor Show waren am calvinistischen Lac Leman zwar nicht erlaubt. Dafür kreischten nun hochtourige Honda-Motoren ähnlich laut wie Formel-1-Triebwerke. Toyota-Modelle sprangen im Umfeld des Salons durch Papiermauern mit der japanischen Flagge und Farben in Pop-Art schmückten Messehighlights wie BMW 2002 oder NSU Ro 80.

Die Wankel-Limousine von NSU wurde schon auf der Frankfurter IAA vorgestellt, in der Schweiz jedoch erneut mit großem Pomp präsentiert. Daneben standen die Kreiskolbenmodelle des japanischen Herstellers Mazda. Kreiskolbenmotoren schien die Zukunft zu gehören – zumindest bis zur ersten Ölkrise. Im März 1968 war davon noch nichts zu spüren. Der spektakuläre Sportwagen Mazda Cosmo Sport 110 S trug den ersten Wankel mit Vierfachvergaser, während die Modelle Mazda R-100 und RX-87 futuristische Wankeltechnik in italienisch inspiriertes Design verpackten.

Der Lamborghini Espada galt bei seiner Enthüllung als der schnellste 12V-Viersitzer Der Lamborghini Espada galt bei seiner Enthüllung als der schnellste 12V-Viersitzer Quelle: Lamborghini Die Italiener und Franzosen hatten ebenfalls Überraschungen im Gepäck. Allen voran Bertone, dessen begnadetes Nachwuchstalent Marcello Gandini einen Gran Turismo vorstellte, der als Lamborghini Espada Geschichte schrieb. Nie zuvor hatte es einen schnelleren und schärferen V12-Viersitzer gegeben. Zeitgleich enthüllte Lamborghini den neuen Zwölfzylinder Islero aus der Carrozzeria Marazzi.

Fiat-Designer Dante Giacosa wiederum erfand die moderne Kompaktklasse: Sein bereits vier Jahre alter Autobianchi Primula zeigte sich mit Heckklappe, um so gegen junge Konkurrenten wie den Simca 1100 zu punkten. Während Giovanni Michelotti mit feinen Formen für den niederländischen Daf 55 beeindruckte, der die revolutionäre Riemenautomatik in familientaugliche Größe brachte.

Kleinster Diesel und größter Käfer

Der viersitzige Monteverdi High Speed 375 zeigte, dass exklusive Formen und Fahrzeuge ab sofort auch „Made in Switzerland“ sein konnten. Opel legte deshalb speziell für die Schweiz den Kadett als anspruchsvolleren Ascona auf und zeigte mit dem Commodore Voyage, wie ein exklusiver Lifestyle-Kombi aussehen könnte.

Italiens Altmeister Pininfarina wiederum freute sich über die jüngsten Erfolge seiner Kooperation mit dem Haus Peugeot. Sein Entwurf für die kompakte Baureihe 204 war in vollendeten Formen für den damals kleinsten Diesel der Welt aufgegangen. Dieser knausrige 1,3-Liter-Vierzylinder nahm einen Trend vorweg, der ein Jahrzehnt später vom VW Golf aufgegriffen wurde.

Mit 250 PS und 6,3-Liter-V8-Motor war der Mercedes 300 SEL Deutschlands schnellste Serienlimousine Mit 250 PS und 6,3-Liter-V8-Motor war der Mercedes 300 SEL Deutschlands schnellste Serienlimousine Quelle: Daimler Voller Spannung erwartet wurde Anfang 1968 der erste viertürige Volkswagen, mit dem Wolfsburg in die gehobene Mittelklasse vorstoßen wollte. Bis die Heckmotorlimousine unter dem Modellcode 411 als „größter Käfer aller Zeiten“ Schlagzeilen machte, wurde es jedoch Herbst. Dann traf der Fullsize-VW auf den Audi 100, den die Ingolstädter VW-Tochtermarke heimlich entgegen einer Konzernanweisung entwickelt hatte.

Zuvor jedoch debütierte in Genf der Audi 60, das preiswerte Volumenmodell im Zeichen der Ringe. Typisch für Audi, fuhr der Typ 60 mit Vorderradantrieb und leistete so nach Meinung der Medien einen wichtigen Beitrag zur aktiven Sicherheit auf den Straßen – und passte perfekt auf den Genfer „Salon der Sicherheit“. Dieser Beinahme entstand nicht aus Zufall. Sprechen wir doch von einer Zeit mit rund 20.000 Verkehrstoten pro Jahr allein in Deutschland.

Tatsächlich trafen sich fast alle Topmanager der Autoindustrie auf Schweizer Boden, um einheitliche internationale Sicherheitsvorschriften zu fordern. Noch ein weiteres globales Reglement wurde 1968 durch die Industrievertreter angeregt: die Reinigung der Autoabgase. Wenig später hatten die Hersteller ihr Postulat aber schon vergessen, wie der Widerstand gegen europäische Emissionsvorschriften bewies.

Als Geschwindigkeit zum Statussymbol wurde

Während in Berlin die Kommunarden Rainer Langhans und Fritz Teufel vor Gericht standen, zeigten sich in Genf auch Fahrzeuge für nicht angepasste Studenten. Der Citroën 2 CV beging seinen 20. Geburtstag mit der Premiere des Schwestermodells Dyane sowie dem Spaßmobil Méhari mit Plastikkarosserie. Als offener Strandwagen trat der Méhari gegen die VW Buggys an – und den von Renault eilig nachgelegten R4 Plein Air.

Deutlich braver dagegen der Escort, Ford Europas erster Kleinwagen mit Kühlergrill in Hundeknochenform. Unter der Haube loderte beim Escort aber das Feuer der Revolution, zumindest in starker Twin-Cam-Spezifikation, die sich auf Rallyepisten vorzugsweise mit Porsche 911 duellierte.

Die Karosserie des Freizeitautos Citroën Méhari bestand aus Kunststoff Die Karosserie des Freizeitautos Citroën Méhari bestand aus Kunststoff Quelle: Citroen/Georges Guyot Überhaupt war Tempo wichtig wie noch nie. „Die Welt ist voller Geschwindigkeitsbegrenzungen. Warum wird der Porsche 911 dann jetzt noch schneller?“ fragten die Zuffenhausener Werbetexter. „Der 911 S … ist schnell, wo es lebenswichtig ist: Beim Überholen“, lautete die Antwort. Tatsächlich beschäftigten Beschleunigungswerte erstmals auch Fahrer braver Limousinen. So überraschte die distinguierte Mercedes S-Klasse mit viel Kraft. Ein 250 PS starker 6,3-Liter-V8 machte aus dem 300 SEL Deutschlands schnellste Serienlimousine, die 6,5 Sekunden für den Null-auf-Hundert Sprint bedeuteten für Viertürer sogar Weltrekord.

Bei den kompakten Zweitürer stellte der BMW 2002 gewohnte Hierarchien auf den Kopf. Mit einem 2,0-Liter-Vierzylinder konnte der 940 Kilogramm leichte Münchner schnelle Sportwagen vor sich hertreiben. „Tempo und Tempus fugit“, kommentierte ein deutsches Medium diese flüchtige Zeit.

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Quelle: SP-X (Wolfram Nickel)

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