Erstmals äußert sich VW in einer großen Pressekonferenz zum Abgas-Skandal. Zu berichten gab es viel, zu verkünden wenig. Eine der News: VW will seinen Airbus verkaufen.
Wolfsburg - Neuigkeiten hatte die Doppelspitze aus Volkswagen-Vorstandschef Matthias Müller und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch in Wolfsburg nicht zu verkünden. Die erste Pressekonferenz seit Bekanntwerden des Abgas-Skandals diente primär der Zusammenfassung des Geschehenen. Auf konkrete Nachfragen gab es nur selten konkrete Antworten. "Wir müssen das Produktprogramm überprüfen"Nicht mitgebracht hatten Pötsch und Müller beispielsweise die Namen der Schuldigen. Stattdessen lautete die Antwort auf die Schuldfrage: „Eine kleine Gruppe“ in der Motorenentwicklung sei als vermutlicher Urheberkreis identifiziert, sagte Pötsch. Auch, welche Fahrzeugmodelle VW künftig streichen könnte, wurde nicht verraten. „Wir müssen das Produktprogramm überprüfen“, sagte Müller lediglich. Den neuen Bugatti Chiron will er jedenfalls nicht streichen: „Das Auto ist fertig entwickelt und in der zweiten Generation nicht defizitär“. Bei der Aufklärung der Dieselaffäre fährt VW zweigleisig. Die interne Revision untersuche Prozesse und Infrastruktur, sagt Hans-Dieter Pötsch. Ein Resultat: Ab sofort werde bei der Entwicklung von Motorsteuergeräten nach dem Vier-Augen-Prinzip gearbeitet. Das war bisher nicht der Fall. Außerdem habe VW in vielen Bereichen veraltete IT-Systeme verwendet. Quelle: dpa/Picture Alliance Parallel untersuchen externe Ermittler die Verantwortlichkeiten im Abgas-Skandal. Man habe 102 Terrabyte Daten gesichert, 1.500 elektronische Datenträger beschlagnahmt und 87 Interviews geführt. „Viele weitere werden noch folgen“, kündigte Pötsch an. Ziel sei es, bis zur Hauptversammlung am 21. April 2016 einen vollständigen Überblick über die Ergebnisse zu liefern. Diesel-Offensive 2005Der Ursprung der "Stickoxid-Thematik" habe inzwischen weitgehend nachvollzogen werden können, sagte Pötsch. „Sie stellt sich nicht als einmaliger Fehler, sondern als Fehlerkette dar, die nicht durchbrochen wurde.“ Ausgangspunkt sei die strategisch groß angelegte Diesel-Offensive von VW im Jahr 2005 gewesen. Der Konzern steckte damals in den USA in einer Absatzkrise und hinkte der Konkurrenz hinterher. Es sei zunächst kein Weg gefunden worden, um die strengeren Stickoxid-Normen in den Vereinigten Staaten im vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen zu erfüllen. So sei es letztlich zum Einbau der Manipulations-Software gekommen. Stand der Dinge sei, dass die VW-Führung damals nichts von dem Betrug wusste: „Wir haben keine Erkenntnisse über die Involvierung von Aufsichtsrat oder Vorstand vorliegen“, berichtete Pötsch. Eine zentrale Konsequenz aus dem Abgas-Skandal sei bereits eine weitreichende Änderung der Prüfungspraxis. Emissionstests werden künftig grundsätzlich extern und unabhängig untersucht. VW will dezentraler werdenMit einer grundlegenden Neuausrichtung will VW auf die Abgas-Affäre reagieren und den Konzern für die Zukunft bereit machen. „Wir werden es nicht zulassen, dass uns diese Krise lähmt“, sagte Vorstandschef Matthias Müller am Donnerstag in Wolfsburg. „Wir nutzen sie als Katalysator für den Wandel, den Volkswagen braucht.“ VW will sich dezentraler aufstellen, den Regionen und Marken mehr Eigenverantwortung übertragen. Dazu werden die zwölf Marken, wie schon unter Müllers Vorgänger Martin Winterkorn geplant, in Gruppen eingeteilt. Zahlreiche Managerposten wurden neu besetzt: „Die Mannschaft steht“, sagt Müller. Im Vorstand entfallen die Posten für Vertrieb, Forschung/Entwicklung und Produktion. Neu geschaffen wird dafür das Ressort für Integrität, das Christine Hohmann-Dennhardt leiten soll. VW warb die ehemalige Verfassungsrichterin bei Daimler ab. Müller will VW strukturell verschlanken und nennt als Beispiel: Die Zahl der Berichte direkt an den CEO –also ihn – werde von 30 auf 19 reduziert. Informationen müssten so aufbereitet sein, dass sinnvolle Entscheidungen möglich seien. Man müsse offener diskutieren, enger zusammenzuarbeiten und Fehler zulassen. „Wir brauchen keine Ja-Sager, sondern Manager und Techniker, die mit guten Argumenten für ihre Überzeugungen und ihre Projekte kämpfen - die unternehmerisch denken und agieren.“ VW verkauft einen AirbusDie Folgen der Krise werden Geld kosten. Das drückt sich nicht nur in Strafen und direkten Kosten aus, sondern auch in weniger verkauften Autos. Die Einbußen seien bisher zwar nicht substanziell, sagt Müller. Aber die Lage sei angespannt, VW kämpfe um jeden Kunden und jedes Auto. Wo genau der Rotstift angesetzt wird, kann Müller bisher nur in Ausschnitten beziffern. Eine Milliarde Euro Sachinvestitionen habe man gestrichen, außerdem plane man vorerst nur ein Jahr im Voraus. „Wir halten das Geld zusammen“, man werde sich aber nicht auf Kosten der Zukunft kaputtsparen. So werde VW bei Messeauftritten und Dienstreisen abspecken, außerdem will VW seinen Airbus verkaufen. VW betreibt eine eigene kleine Fluglinie, die über mehrere Maschinen verfügt, darunter ein Airbus A319. Für die Zukunft will Müller bei den großen Trends vorweg marschieren anstatt hinterher zu laufen. Man plane 20 zusätzliche Elektro-Modelle bis 2020, sowie eine Digitaloffensive. Autonomes Fahren will VW „früher als andere“ anbieten. Rückruf startet mit dem 2,0-Liter-DieselUnd wie geht es im Stickoxid-Skandal weiter? Die Maßnahmen für Europa seien von den Behörden genehmigt, sagte Matthias Müller. Ab 2016 werden zunächst Dieselmotoren mit 2,0 Liter Hubraum zurückgerufen, danach Motoren mit 1,2 Liter Hubraum und ab September auch 1,6-Liter-TDI-Motoren. In den USA sei die Lage schwieriger, da die Stickoxid-Grenzwerte deutlich strenger seien. Deshalb gebe es für die USA noch keine abgestimmten Maßnahmen. Nach der Auto Show in Detroit (Januar 2016) will Müller mit den zuständigen Behörden über die Thematik sprechen. Während US-Kunden teilweise großzügige Entschädigungen enthalten, ist dies in Deutschland nicht geplant. Man werde jedoch „alle Kosten tragen“, sagte Müller. (bmt/dpa) |