Auch in einer Industrienation im 21. Jahrhundert gibt es noch Abenteuer, selbst für Autohersteller. Volkswagen wagt sich als erster Konzern in Chinas wilden Westen.
Ürümqi - Graue Fabrikhallen in karger Staublandschaft, „Shanghai Volkswagen (Xinjiang)“ steht in arabischen, chinesischen und lateinischen Schriftzeichen auf einer Betonmauer. Weiter kommen wir nicht. Eine Eisenabsperrung liegt in der Einfahrt, ein Sicherheitsmann scheucht jeden Besucher davon. Als erster Autohersteller baut Volkswagen ein Werk im wenig entwickelten Xinjiang, im Nordwesten Chinas. Mit den glitzernden Metropolen wie Peking oder Shanghai hat diese Gegend an der Grenze zu Kasachstan, Kirgistan, Pakistan und Afghanistan nichts zu tun. China will diese Region entwickeln, offizielle Stellen "legten" VW den Gang in die Unruheregion "nahe". „Wir brauchen internationale Firmen wie Volkswagen in Xinjiang“, sagt der Vize-Gouverneur Huang Wei. Politischer Druck sei aber hauptsächlich von der Zentralregierung gekommen. Krisenregion Xinjiang Volkswagen wollte alles richtig machen. Den Forderungen der Regierung nachkommen, im wenig entwickelten Westchina investieren und gleichzeitig die Minderheiten in der Region unterstützen. Es gebe die klare Strategie, Minderheiten „entsprechend der Anteile in der Bevölkerung auch bei uns zu beschäftigen“, sagte VW-China-Chef Jochem Heizmann wenige Wochen vor der Werkseröffnung. Das ist ein heikles Thema. Xinjiang ist von den muslimischen Uiguren bewohnt und gilt als Unruhegebiet. Von 22 Millionen Einwohnern gehören etwa 10 Millionen diesem Volk an, 8,4 Millionen Einwohner sind Han-Chinesen. Immer wieder kommt es zu blutigen Konflikten zwischen den Volksgruppen, die Vorbehalte auf beiden Seiten sitzen tief. Täglich patrouillieren Einsatzfahrzeuge mit schwer bewaffneten Militärpolizisten durch die Drei-Millionen-Stadt Ürümqi. "Keine Benachteiligung"In diesem Klima will VW, zumindest innerhalb der Werksmauern, Fairness walten lassen. Man zielt auf 25 Prozent Beschäftigte aus ethnischen Minderheiten. „Wir haben derzeit diesen Prozentsatz noch nicht erreicht“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Etwa ein Drittel der Auszubildenden stamme allerdings bereits aus den Minderheiten. „Wir lassen uns bei der Vergabe von Stipendien nicht reinreden - von niemandem“, sagt Frau Wang, und behauptet: „Es gibt keine Benachteiligung von ethnischen Minderheiten“. Von elf Volkswagen-Stipendien für Doktoranden gingen in diesem Jahr zehn an Han-Chinesen, sagt Frau Wang. VW: Abhängig von ChinaTrotz aller Probleme könnte sich das Werk in Xinjiang für VW auszahlen. In der Nähe der Fabrik entsteht eine Schnellzugverbindung nach Peking. Das lockt weitere Unternehmen an. In einer Hochhaussiedlung am Werk sind die meisten Wohnungen bereits verkauft. Jedes Jahr kaufen alleine die Einwohner von Ürümqi 100.000 Neuwagen. Das ist das Doppelte der geplanten Kapazität des VW-Werkes. Der Zwölf-Marken-Konzern setzt rund ein Drittel aller Fahrzeuge in China ab, bei der Marke VW ist es sogar fast die Hälfte. VW-China-Vorstand Jochem Heizmann kündigte vor wenigen Wochen in Berlin an, das Angebot lokal produzierter Modelle in China bis Ende 2015 um 50 Prozent zu steigern. VW will insgesamt sieben neue Werke in China bauen. Doch die Abhängigkeit ist längst wechselseitig. Gerade weil sich die Regierung für das Werk in Xinjiang eingesetzt hat, haben die Politiker auch ein Interesse am Erfolg des westlichen Autoriesen. „Das wird ein großartiges Vorbild für andere Firmen“, sagt Vize-Gouverneur Huang. Und auch die Wolfsburger verbreiten Optimismus: „In 10 Jahren wird niemand mehr die Frage stellen, warum wir uns für diesen Standort entschieden haben.“ Quelle: dpa |
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