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Neue Sammelklage gegen VW in Brasilien - Welche Rolle spielte VW während der Militärdiktatur in Brasilien?

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Als sei die Abgas-Affäre nicht schon schlimm genug. Nun kommt eine Sammelanzeige aus Brasilien hinzu, bei der es um eine mögliche Kollaboration mit der Militärdiktatur geht.

Im Jahr 1953 fertigte VW den ersten Käfer in Brasilien Im Jahr 1953 fertigte VW den ersten Käfer in Brasilien Quelle: picture alliance / dpa

São Paulo - Den ersten Käfer schrauben zwölf Leute 1953 in einer kleinen Halle in São Paulo zusammen - mit aus Deutschland importierten Teilen. Danach rollt Auto um Auto vom Band. Volkswagen do Brasil wird eine Marke, die die Brasilianer lieben. Die Slogans lauten "Vernunft auf vier Rädern" und: "Auf uns ist Verlass. Ganz sicher." Käfer, Gol, Brasília und Santana erobern die Straßen.

Im März ist das 22-millionste Auto in Brasilien produziert worden, ein blauer New Fox Highline. Schöne gute alte Zeit. Auch in einem der wichtigsten Auslandsmärkte kriselt es gewaltig. Und den Konzern holt hier eine dunkle Geschichte ein - der Imageverlust könnte groß sein.

30 Prozent weniger Absatz in Brasilien

Genau wie der Abgas-Skandal kommt auch die am 22. September eingereichte Sammelanzeige wegen möglicher Kollaboration mit der Militärdiktatur zur Unzeit. Denn wegen der Wirtschaftskrise im fünftgrößten Land der Welt bricht ohnehin schon der Absatz weg: Bis August lieferte VW hier nur 245.900 Fahrzeuge aus - ein Rückgang von 30,6 Prozent. Das einzig Positive: Hier sind Diesel viel weniger verbreitet, man setzt stark auf Flex-Motoren mit Ethanol/Benzin.

Hat die VW-Tochter in Brasilien Festnahmen am Arbeitsplatz und den Abtransport in Folterzentren während der Militärdiktatur von 1964 bis 1985 geduldet oder sogar über das eigene Sicherheitspersonal aktiv unterstützt? Wurde das Regime mit schwarzen Listen versorgt? Wollte VW sich so ein "ruhiges" Marktumfeld in unruhigen Zeiten von Diktatur und Kaltem Krieg sichern? Denn nach der kubanischen Revolution sagten die Militärs auch in Brasilien kommunistischen, subversiven, revolutionären "Elementen" den Krieg an. Es gab einige hundert Tote - in Argentinien oder Chile forderten die Diktaturen weit mehr Opfer.

Chef-Historiker reist erneut nach Brasilien

VW muss die Opfer um Entschuldigung bitten und eine "deutliche Entschädigung" leisten, fordert Christian Russau vom Dachverband der Kritischen Aktionäre. Bald wird sich Manfred Grieger wieder aufmachen nach São Paulo, fünfmal war er schon dort, seit langem gibt es die Vorwürfe, aber durch die Anzeige gibt es neue Dynamik.

Er ist Leiter Historische Kommunikation in Wolfsburg, sozusagen der Chef-Historiker von VW und zugleich noch Lehrbeauftragter an der Uni Göttingen. Er arbeitet die Geschichte von Europas größtem Autobauer auf, so auch das Kapitel um Zwangsarbeiter. Ferdinand Porsche nutzte 1944 die guten Kontakte zu Heinrich Himmler, "um außerplanmäßige Zuweisungen von KZ-Häftlingen zu erhalten", schreibt Grieger in einer Analyse.

Seit Tagen wird auch in Brasilien in den Zeitungen über den Skandal um per Software geschönte Abgaswerte von Diesel-Pkw berichtet. Aber es wird auch über die historische Verantwortung diskutiert. Denn die vom Arbeiterforum für Wahrheit, Gerechtigkeit und Reparation bei der Bundesstaatsanwaltschaft in São Paulo eingereichte Anzeige wiegt schwer. Der dpa liegen mehrere Dokumente vor. Da ist zum Beispiel ein mit "vertraulich" versehenes internes VW-Schreiben vom 9.9.1974: Es listet sechs bisherige Angestellte auf, die wegen subversiver Tätigkeiten vom Obersten Militärtribunal verurteilt worden seien.

Der Konzern verspricht rasche Aufklärung

Auch erhielt das Regime vertrauliche Berichte von VW. Zudem geht es um das mögliche Decken von Repression gegen Arbeiter in Betrieben. Der Konzern verspricht rasche Aufklärung. Ein Problem: Die Archive sind oft ungeordnet, einige Vorwürfe daher schwer zu verifizieren.

"Volkswagen bedauert in höchstem Maße, dass den Betroffenen während der Militärdiktatur gegebenenfalls unter Beteiligung von Mitarbeitern der Volkswagen do Brasil Leid zugefügt wurde", betont Grieger. Man werde auf die Betroffenen zugehen und sie befragen. Wer die Verantwortung für diese Menschenrechtsverletzungen trage, "werde vorbehaltlos und bis ins Letzte untersucht", verspricht Grieger.

Die von der brasilianischen Regierung eingesetzte Wahrheitskommission zur Aufarbeitung von Verbrechen in der Zeit hat bereits festgestellt, dass der Name Volkswagen häufig in Dokumenten auftaucht. Kommt es zum Prozess, könnten am Ende Entschädigungszahlungen anfallen - aber das größere Problem wäre ein weiterer Vertrauens- und Ansehensverlust.

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