Ein Jahr lang musste Europa auf den neuen Camaro warten, jetzt ist er endlich da. Aber Vorsicht: Dieses Pony kann mehr als nur einen Trick. Erste Fahrt.
Goodwood - Als General Motors Ende 2012 Chevrolet in Europa abschaffte, da lag dem Ende ein neuer Anfang inne. Denn Chevrolet ging nicht so ganz. Koreanische Kleinwagen und Günstig-Limousinen bekommen wir hierzulande nicht mehr. Dafür zwei uramerikanische Legenden: Corvette und Camaro, das doppelte hohe C. Der Rückzug vom Volumenmarkt reduzierte das Chevy-Vertriebsnetz dramatisch, aber: Seit Juni 2016 können wir den neuen, sechsten Camaro endlich auch in Europa ordern. Ein Jahr nach seiner Weltpremiere, ab 39.900 Euro. Neuerdings mit Vierzylinder – oder als V8 für 45.900 Euro. Das Cabrio kostet 5.000 Euro Aufpreis, eine Automatik beim V8 2.000 Euro. Quelle: MOTOR-TALK Sortiment und Preis erinnern deutlich an den klassischen Camaro-Konkurrenten. Offenkundig schaut man bei Chevrolet genau, was die Ford-Jungs machen. In Goodwood verkündet Camaro-Technikchef Al Oppenheiser mit typisch amerikanischem Understatement: Sein Auto sei „besser als der Mustang“. Zwei Charakterköpfe unter sichKein Wunder, dass sich der Camaro stark nach Mustang anfühlt. Wir steigen in einen Camaro V8 mit Handschaltung. Sie klackt ähnlich trocken durch die Gassen wie beim Pony aus Dearborn, die Lenkung arbeitet ähnlich direkt. Und: Beide klingen ähnlich herausragend. Die beiden Charakterköpfe auf diese drei Punkte zu reduzieren, würde ihnen dennoch nicht gerecht werden. Der Camaro wirkt weniger grob als der Mustang. Feinere Materialien im Innenraum, weniger Windgeräusche, und beim Schalten per Hand trainiert das Kuppeln die linke Wade deutlich weniger. Cool: Beim Handschalter lässt sich mit den Schaltwippen eine Zwischengasfunktion aktivieren. Die schont die Synchronringe des Getriebes und entlockt dem V8 bollernde Balzlaute. Gedacht ist dieses Gimmick auch für gelegentliche Rennstreckeneinsätze. „Wir haben den Camaro intensiv auf der Autobahn und der Nordschleife getestet“, erklärt Al Oppenheiser. Der V8 mit dem internen Code LT-1 wird in der Grundform seit 1955 gebaut. Der Chevy-Smallblock ist der meistgebaute Verbrennungsmotor der Welt. Das feiert er lautstark mit jeder Zündung seiner acht Zylinder. Selbst die spritsparende Zylinderabschaltung (nur bei der Automatikversion) ändert daran nichts. Aus 6,2 Litern Hubraum schöpft er 453 PS und 617 Newtonmeter Drehmoment. Laut Norm soll der neue Chevrolet Camaro mindestens 12,5 Liter Benzin je 100 Kilometer verbrauchen. Wir verbrannten auf Autobahnen und Landstraßen knapp 10 Liter – das geht recht locker, wenn man es locker nimmt. Downsizing muss sein, offenbarNicht nur der Motor ist groß. Der Camaro ist eine Fahrmaschine, eine erstaunlich präzise dazu. Man spürt die Straße, das vordere Räderpaar – und auch den Moment, wenn die Hinterachse beginnt, auszubrechen. Nicht bösartig, sondern lustvoll und gutmütig. Bei alldem fährt der Camaro mit seiner Cadillac-Plattform deutlich leichtfüßiger, als sein wuchtiger Auftritt vermuten lässt. Ziemlich genau 100 Kilogramm haben die Chevrolet-Ingenieure im Vergleich zum Vorgänger eingespart. Quelle: MOTOR-TALK Die Fahrdynamik-Regelung sollte man mit Bedacht einsetzen. Die Kraft des V8 reicht, um schon bei niedrigen Drehzahlen ins Übersteuern zu kommen. Im Modus „Tour“ gibt der Camaro den lässigen Easyrider, Bollern und Gleiten inklusive. Im Sport-Modus lässt das ESP Übersteuern und kurze Drifts zu. Steht der Regler auf „Track“, sollte der Fahrer wissen, was er tut. Denn dann kann nur der das Heck noch halten. „Weather“ ist wirklich nur für ganz kurze Momente im Jahr, in denen plötzlich und unerwartet Schnee unter die Sommerräder fällt. So weit, so Pony. Wie der Mustang braucht auch der Camaro offenbar Downsizing: Die Basis fährt mit einem Vierzylinder-Turbo vor. Der 2,0-Liter-Motor säuselt beim Anlassen, Fahren und Ausrollen leise vor sich hin. Sound? Fehlanzeige. Leistung? Reicht zum Cruisen. Verbrauch? Mit mehr Vehemenz als beim V8 nahe an der 10-Liter-Marke, 8,2 Liter laut Datenblatt. Gut, serienmäßig gehört zum Basismotor eine Achtgang-Automatik. Aber die kleine Maschine muss sich angesichts von 1,7 Tonnen Leergewicht (Cabrio) ziemlich strecken. Der Ford bleibt etwas günstigerNachdem Ford die Preise für den Mustang mittlerweile angehoben hat, liegt der Camaro auf einem ähnlichen Preisniveau. Der 2,0-Vierzylinder mit Automatik und 276 PS kostet bei Chevrolet ab 39.900 Euro. Ford veranschlagt für den Mustang Ecoboost mit 314 PS und Automatik glatte 40.000 Euro ohne Extras. Mit Handschalter kostet der Ford 38.000 Euro. Zwischen den beiden V8 liegen 2.900 Euro zugunsten des Mustang. Interessiert aber eigentlich nicht, Achtzylinder-Coupés gibt es nicht günstiger. Wir fahren lieber noch eine Runde. Nach dem kurzen Start-Gewitter des Smallblock brabbeln wir im Standgas bei Fußgängertempo los. Es folgt eine weite Linkskurve. Kurz aufs Gas, zweiter Gang, der Camaro keilt aus, Gegenlenken. Wir blicken durch die Seitenscheibe nach vorn. Der Camaro wedelt vor Freude bollernd mit dem Heck. Landstraße voraus. Technische Daten - Chevrolet CamaroModell: Chevrolet Camaro Turbo 2.0
Modell: Chevrolet Camaro Coupé V8
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