Sand und Felsbrocken auf der Piste, ein 68-PS-Motörchen am Limit und eine Sammlung gelber Zettel. Zwei MOTOR-TALKer fuhren die Öko-Monte und lernten: Öko ist hier nicht viel.
Monaco – Die Rallye Monte Carlo ist ein Mythos. Ausgetragen seit 1911, verbunden mit Namen wie Walther Röhrl, Didier Auriol oder Sébastien Loeb. Dort, wo die Alpen direkt ans Meer grenzen (und deshalb Seealpen heißen) ist das Wetter unberechenbar, winden sich schmale Gebirgspässe in haarnadelengen Kurven schroffe Felswände hinauf. Kommt man zurück ins Tal, scheint die Sonne als wäre nichts gewesen über der Bucht des wohlhabenden Zwergstaats an der Cote d’Azur. Auch die Legende kann sich dem Zeitgeist nicht entziehen. Deshalb veranstaltet der Automobilclub Monaco, ältere Herren mit selbstverordneten Orden, in diesem Jahr bereits zum 15. Mal die Rallye Monte Carlo für alternative Antriebe. Alternativ sportlichQuelle: Skoda/Daniel Roeseler Für MOTOR-TALK-Moderator der_Derk und mich, Redakteur Björn, beginnt eine mehrtägige Rallye-Lehrstunde. Erste Lektion: 17 Jahre nach dem ersten Prius dürfen sich Fahrzeuge mit Strom-, Gas- und Hybridantrieb sowie Autos mit E85 oder Biodiesel im Tank "alternativ" nennen. Damit niemand das Wort "alternativ" mit unsportlich verwechselt, gestaltet der Automobilclub Monaco die Zeitvorgaben entsprechend stramm. Ob deswegen auch das Roadbook fehlerhaft ist und das Navi abgeschaltet bleibt? Wir wissen es nicht. Am ersten Tag fahren wir von Clermont-Ferrand nach Aix-en Provence. 545 Kilometer in elfeinhalb Stunden. Klingt einfach, ist es aber nicht. Die Einfahrt nach Aix-en Provence muss auf einer exakten Route erfolgen, weil wir zwei Tankstellen anfahren müssen. Nach dem Tanken müssen wir die Spritmenge gegenzeichnen, dann wird der Tank versiegelt. So messen die Veranstalter den Verbrauch. Ohne Navi und Ortskenntnis, dafür mit Michelin-Atlas und Funklöchern fahren wir eine halbe Stunde zu spät ins Ziel. Dafür gibt es erste Strafpunkte. Auch die Profis sind überraschtUnterwegs sind wir mit dem Team Skoda. Es besteht aus vier Autos. In einem davon sitzt der siebenfache deutsche Rallye-Meister und heutige Werksfahrer Matthias Kahle. Sein Beifahrer Peter Göbel fuhr schon viele Rallyes und verantwortete fast so viele als sportlicher Leiter. Aber selbst ihn überraschte die Nachricht, die ihn vor einem Tag erreichte: Der Veranstalter montiert zwar ein GPS-Gerät namens Tripy II in den Autos, zur Überwachung und eigentlich als Navigationshilfe. Doch Tripy bekommt keine Navigationsdaten. Die Teilnehmer müssen mit Routenbeschreibungen auf Papier navigieren. Unsere Panik teilen wir mit allen anderen Nichtfranzosen. Quelle: Skoda/Daniel Roeseler „Alle, die hier vorne mitfahren, haben getestet und kennen die Route“, sagt Peter. Er zum Beispiel. Die anderen, wie wir, nicht. Mit einer Sammlung gelber Zettel und einer Kopie von Peters Unterlagen fahren wir am nächsten Morgen Richtung Seealpen. Jede Sekunde ein StrafpunktUnser Skoda Citigo G-Tec emittiert 79 Gramm CO2 pro Kilometer, das entspricht 2,9 kg Erdgas pro 100 Kilometer. Auf der anderen Seite stehen magere 68 PS und 90 Newtonmeter maximales Drehmoment, beides erst bei hohen Drehzahlen. Bei der ersten Wertungsprüfung stört das noch nicht. 24 Kilometer lang geht es durch sanfte Täler, hügelige Wälder und kleine Ortschaften, mit einem vorgegebenen Durchschnitt von 48 Kilometern pro Stunde. Wir verdienen uns mit 42 Sekunden Abweichung 42 Strafpunkte – immerhin sechs weniger als Matthias Kahle, dem ein Lkw die Durchfahrt versperrt. Der Sieger fuhr auf drei Sekunden genau. Das war harmlos, die Eingewöhnungsrunde. Im richtigen Gebirge, auf den Pässen Col St. Raphael und Col de la Madone, schmecken wir das bittere Monte-Aroma. Und lernen, wie schnell 45 bis 50 Kilometer pro Stunde sein können – zu schnell für uns. Anspruchsvoll, aber verantwortungslosDer Citigo nimmt manche Steigung nur im ersten Gang und erreicht nach Kehren nur mühsam wieder Geschwindigkeit. Den schmalen Pass-Straßen fehlt an vielen Stellen jede Absicherung. An anderen vermitteln bröcklige Begrenzungsmauern ein wenig, gelegentlich eine Leitplanke etwas mehr Sicherheit. Die Rallyestrecken sind nicht abgesperrt, auf den Pisten liegen Sand, Kies und spitze Steine. Unter diesen Bedingungen bedeutet ein Schnitt von 49 Kilometern pro Stunde echten Sport für erfahrene Rallye-Fahrer, für uns puren Stress. Die Erfahrenen wissen so wenig wie wir, was hinter der nächsten Kurve passiert, oder besser, hoffentlich nicht passiert. Manche ignorieren das, die anderen landen weit hinter der Zielzeit. Was bezweckt der Veranstalter mit so straffen Zeitvorgaben in so einem Gelände? Ja, diese Situationen gehören zur klassischen Monte, deren berühmteste Wertungsprüfung „Nacht der langen Messer“ heißt. Ja, sie bringen echte sportliche Herausforderungen in die Öko-Monte. Quelle: MOTOR-TALK Aber die Öko-Monte ist nicht die Monte. Hier fahren neben Profis auch Leute wie wir, mit wenig oder keiner Rallye-Erfahrung. Uns begegnen Autofahrer, Radfahrer, Wanderer, denen der Monte-Mythos egal ist, und manche sind blass vor Angst. Kein Wunder, ihnen rasen am engen, unübersichtlichen Pass 70 Autos entgegen, denen Sekunden in diesem Moment wichtiger sind als Verkehrsregeln. Nebel macht alle gleichAm Col de Braus, Col de Brouis und Col de Vescavo sind die Straßen breiter und besser, dafür erleben wir das typische, unberechenbare Monte-Wetter. Es regnet, es schüttet, später zieht dichter Nebel durch die Berge. Das ist zunächst schade, denn die schöne Aussicht ist weg. Es heißt aber auch, dass niemand schneller fahren kann als wir, so dass niemand seine Sollzeit erreicht. Für den Automobilclub von Monaco bedeutet das: Die letzte Wertung wird gestrichen. Gut für uns, denn ohne elektronische Hilfen navigieren wir in Sospel am Ziel der Wertungsprüfung vorbei. Längst haben wir uns von der Jagd auf Sekunden verabschiedet, der Rallye-Computer zählt nur noch informativ die Wegstrecke mit. Wir verlegen uns aufs Spritsparen. Das wird schließlich auch gewertet, nur: wie? Die komplizierte Formel aus Verbrauch, Energiegehalt und Fahrzeuggewicht können wir nicht nachvollziehen. Trotzdem, unsere Wettbewerbsverbräuche von 3,2 kg, 3,0 kg und 3,6 kg pro 100 Kilometer sind gut, finden wir. Sieht Matthias Kahle genau so. Der Tesla schlägt sie alleIn der Verbrauchsstatistik liegen wir auf Platz 11, als zweitbestes Auto ohne Hybrid- oder Elektroantrieb nach Kahle. Nach Anwendung der komplizierten Formel wird daraus allerdings Rang 26. Etliche Auris Hybrid, Jetta Hybrid, Ampera und Prius stehen auf einmal vor uns, denn sie sind schwerer und fahren mit Strom. Auch die Startnummer eins, ein Abarth 500 mit E85- und Erdgasbefüllung, überholt uns. Einer hat es am Ende allen gezeigt. Das beste Rallye-Auto kommt aus Palo Alto, zwei Tesla Model S belegen die Plätze eins und zwei. Sie hatten genug Reichweite, um alle Prüfungen zu fahren. Sie hatten genug Leistung, um überall gleichmäßig zu fahren. Sie nutzen mit Strom den effizientesten Energieträger. Und, nicht ganz nebenbei: Die Jungs können fahren. Unser Platz in der Gesamtwertung? 65 von 68. Immerhin, vor dem Fiat Multipla. Das zeigt auch, dass unsere Annahme falsch war: Mit sparsamem Fahren konnten wir unsere sportliche Schwäche nicht kompensieren. Eine Spritspar-Rallye ist die Monte für alternative Antriebe also nicht. Hier geht es direkt zum Bericht von der_Derk in "Dem Derk sein Blog"! |