Alle sprechen vom autonomen Fahren. Aber was heißt das eigentlich? Wer fährt schon autonom, wer teilautonom und hilft uns die Technik wirklich? Eine Bestandsaufnahme.
Berlin – Fuß vom Gas und einfach fahren lassen. Tempomaten gibt es seit Jahrzehnten, aber ans autonome Fahren dachte da keiner. Heute scheint es so, dass mit jedem neuen Auto der Fahrer ein bisschen überflüssiger wird. Manche Autos können bereits viele Dinge ganz ohne Fahrer. Den Abstand zum Vordermann einhalten, Notbremsungen einleiten, die Spur halten. Auch selbständig einparken ist kein Problem mehr. Doch was bieten die Hersteller in welchem Segment. Parken für DummiesPilotiert einparken können inzwischen so ziemlich alle Hersteller. Systeme, die passende Parklücken erkennen und das Lenken übernehmen, gibt es schon in manchem Kleinwagen. Bremsen und Gas geben muss der Fahrer meist selbst, die Anweisungen dazu kommen vom Assistenten. Vereinzelt übernimmt der Computer auch schon Gas und Bremse. Der nächste Schritt sind vollautomatische Parkpiloten, die man von außen bedienen kann. BMW hat kürzlich im 7er das Einparken per Knopfdruck auf den Zündschlüssel eingeführt. Halbwegs gerade vor der Lücke muss der 7er dabei stehen und parallel oder schräg parken geht nur mit "Fahrer". Mercedes wird erstmals in der neuen E-Klasse vollautomatisches Einparken per Smartphone-App anbieten und verspricht, dass das sogar funktioniert, wenn das Auto quer vor der Lücke steht. Entspannen im StauEtwas mehr autonome Bewegung bekommen Autofahrer mit modernen Stauassistenten. Damit ausgerüstete Modelle bewegen sich zumindest im zäh fließenden Verkehr autonom. Ein automatisches Getriebe vorausgesetzt, funktioniert das sogar bis zum Stillstand und inklusive automatischem Anfahren nach kurzen Standzeiten. Allerdings müssen die Hände dabei immer wieder ans Lenkrad. Schuld daran ist die Wiener Konvention von 1968, die festlegt, dass in "jedes sich bewegende Fahrzeug" zwingend ein Fahrer gehört, der es "unter allen Umständen unter Kontrolle" haben muss. Die wird zwar gerade dahingehend geändert, dass auch autonome Systeme möglich sind, wenn sie jederzeit überstimmt werden können. Aber das muss noch förmlich umgesetzt werden. Quelle: MOTOR-TALK Also warnen Lämpchen, Grafiken oder schrille Töne den Fahrer, wenn er das Lenkrad länger als ein paar Sekunden loslässt. Immerhin kann man so zumindest im Stau schon mit zwei Fingern am Lenkrad ganz lässig mitschwimmen. Fahrbahnmarkierungen sind nicht mehr entscheidend, wenn Radar und Kamera sich an vorausfahrenden Fahrzeugen orientieren können. Wobei nicht alle Hersteller die Regelung so streng auslegen: Infiniti und Tesla erlauben dem Fahrer, die Hände dauerhaft in den Schoß zu legen. So drängt im Q50 oder im Model S kein Ton, kein Lämpchen dazu, das Steuer zu übernehmen. Regeltreue ist noch seltenDie Verkehrsregeln muss der Fahrer trotzdem noch selbst einhalten. Auf fehlerhafte Assistenten zu verweisen, hilft nach derzeitiger Gesetzeslage vor keinem Gericht. Wobei manch intelligenter Tempomat Geschwindigkeitsbegrenzungen inzwischen berücksichtigt. Quelle: Audi Audi zum Beispiel nennt seinen Helfer den "prädiktiven Effizienzassistenten". Der erkennt entweder mit Hilfe der kamerabasierten Verkehrszeichenerkennung oder über die im Kartenmaterial hinterlegten Daten das Speedlimit, Kurven oder Kreisverkehre und passt die Geschwindigkeit entsprechend an. Und das auch vorausschauend: Weiß das System, dass ein Limit droht oder eine Ortsdurchfahrt, geht es früh vom Gas und spart so Sprit. Im großen SUV Audi Q7 und im A4 ist der Effizienzassistent verfügbar. BMW hat im 7er ein ähnliches System, bei dem man das jeweilige Tempolimit aber noch per Knopfdruck übernehmen muss. Bei Ford wird das Tempolimit im neuen S-Max zwar auch übernommen, aber das funktioniert bislang nur mit dem Geschwindigkeitsbegrenzer, nicht mit dem Tempomaten. Bei Mercedes wird das Tempo noch nicht selbsttätig angepasst, das kommt erst in der E-Klasse. Zum wirklich autonomen Fahren wird man künftig aber genauere Karten brauchen, weshalb die Übernahme des Kartendienstes Here von Nokia für Audi, BMW und Daimler so wichtig ist. Und auch die Verkehrszeichenerkennung muss noch zuverlässiger werden. Kein uns bekanntes System erkennt wirklich alle Geschwindigkeitsbegrenzungen mit 100-prozentiger Zuverlässigkeit. Spurwechsel als HerausforderungSeine Grenze findet das teilautonome Fahren derzeit noch beim Spurwechsel. Tesla bietet seit Oktober einen "Autopiloten" zum Upgrade an. Der kann im Prinzip das, was die meisten anderen Systeme können. Und er wechselt auf Anforderung auf der Autobahn die Spur. Das können andere bislang noch nicht, jedenfalls nicht in der Serie. Die neue Mercedes E-Klasse wird hier ab Frühjahr gleichziehen. Auf der Überholspur Richtung wahrhaft autonomem Fahren ist also derzeit noch niemand. Und so richtig selbständig sind vor allem Systeme, die man eigentlich nie nutzen will: Autonome Notbremsassistenten werden ja gerade dann aktiv, wenn der Fahrer es nicht wird. Am wirksamsten sind diese Systeme bei eher niedrigen Geschwindigkeiten, also im Stadtverkehr, wo sie zum Teil schwere Unfälle mit Fußgängern oder Radfahrer verhindern können. Ansonsten ist der Stadtverkehr der problematischste Bereich. Kreuzungen, Ampeln, Verkehrsteilnehmer unterschiedlichster Art und ständig wechselnde Bedingungen sind derzeit noch weitgehend unbeherrschbar für die serienmäßigen Assistenten. Dabei können sich Autofahrer laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage ausgerechnet dort am ehesten vorstellen, die Kontrolle abzugeben. Insofern muss die Autoindustrie nicht nur rechtliche, ethische und technische Hürden überwinden. Sie muss auch noch reichlich Überzeugungsarbeit leisten. |