Es ist ein Duell ums Prestige. Der WM-Zug ist für Mercedes und Renault längst abgefahren. Beim Kampf um den vierten Platz im Formel 1-Konstrukteurspokal geht es nur noch um den Titel des besten Verfolgers. So unterschiedlich können Sichtweisen sein. Für MercedesGP war das Formel 1-Jahr 2010 eine Enttäuschung. Das neu gegründete Mercedes-Werksteam wollte um den WM-Titel mitfahren. Bis zum 14. von 19 Grand Prix sind die Silberpfeile nicht einmal siegfähig. Drei Podestplätze von Nico Rosberg stehen auf der Habenseite. Von Michael Schumachers Comeback haben selbst Pessimisten mehr erwartet. Neubeginn für Renault Ganz anders liegt der Fall von Renault. Die Weltmeister-Truppe von 2005 und 2006 war ab 2007 immer weiter abgerutscht. Der Tiefpunkt war im letzten Jahr erreicht, als es trotz Fernando Alonso im Cockpit nur zu Platz acht reichte. Das Jahr endete für die Franzosen mit einem handfesten Skandal. Nelson Piquet junior beichtete dem Weltverband, dass er beim GP Singapur 2008 auf Teambefehl sein Auto absichtlich in eine Wand gefahren habe, um Alonso den Sieg zu ermöglichen. Renault stand kurz vor dem WM-Ausschluss. Teamchef Flavio Briatore und Chefingenieur Pat Symonds mussten zurücktreten, Alonso seilte sich Richtung Ferrari ab. Im Winter wurde der Rennstall auch noch zu 75 Prozent an die Luxemburger Investmentfirma Genii Capitals verpachtet. So gesehen war die Saison 2010 ein Neubeginn. Renault schnitt besser ab als es viele dem Team zugetraut hatten. Platz vier hat Symbolkraft In den letzten fünf Rennen treten MercedesGP und Renault zum Duell um den Ehrenplatz hinter den drei Titelkombattanten Red Bull, Ferrari und McLaren an. Man könnte sagen, es ginge um die goldene Ananas. Doch die Schlacht um Platz vier hat durchaus ihren Reiz. Mercedes möchte diese Saison wenigstens mit einem Erfolgserlebnis abschließen. Und Renault würde den Aufwärtstrend gerne mit einem Sieg über den vermeintlich übermächtigen Gegner bestätigen. Platz vier hat Symbolkraft. Er bedeutet nicht nur mehr Geld aus der Kasse von Bernie Ecclestone. Er berechtigt auch dazu, 2011 in der Boxengasse und im Fahrerlager einen Platz näher bei den Topteams zu stehen. Und er könnte ein psychologischer Boost für die Aufbauarbeit im Winter sein. Petrov ist eine Wundertüte Mercedes hat gegenüber Renault nicht nur einen Vorsprung von 31 Punkten im Köcher. Mit Nico Rosberg und Michael Schumacher sind die Silberpfeile auch ausgeglichener besetzt. Renault lebt von den Leistungen von Robert Kubica. Vitaly Petrov ist eine Wundertüte. Manchmal fährt der Russe auf Top Ten-Niveau, dann stürzt er wieder ins Bodenlose ab. Von den kommenden fünf Rennstrecken ist Petrov keine bekannt. Michael Schumacher fährt zwar auch zum ersten Mal in Singapur, Korea und Abu Dhabi, aber mit 263 GP-Starts Erfahrung auf dem Buckel fällt es leichter, sich neuen Strecken anzupassen. Technisch passiert bei MercedesGP nicht mehr viel. Das Konstruktionsbüro arbeitet bereits mit Volldampf am 2011er Modell. Das aktuelle Auto dient nur noch zur Fehleranalyse. Wer im nächsten Jahr ein besseres Auto bauen will, muss erst einmal die Schwachstellen des alten Fahrzeugs verstehen. Deshalb wird im kleinen Rahmen am F-Schacht und am angeblasenen Diffusor weiterentwickelt. Beides Komponenten, die immer noch nicht zur vollsten Zufriedenheit arbeiten. Das Aerodynamikpaket für maximalen Abtrieb wurde verfeinert. Ross Brawn sieht sich deshalb für Singapur ganz ordentlich gerüstet: "In Monte Carlo und Budapest waren wir vom Speed her nicht so schlecht." Mercedes muss aufpassen Doch Renault machte auf diesem Streckentyp eine bessere Figur. In Monte Carlo zählte Kubica sogar zu den Siegkandidaten. Und in Budapest erzielte Petrov als Fünfter sein bislang bestes Resultat. Renault wird beim Schlussspurt vom F-Schacht profitieren. Er ist erst seit Spa an Bord und funktionierte im Gegensatz zu anderen Teams auf Anhieb problemlos. Auch sonst will das Designbüro noch die ein oder andere Entwicklung nachschieben, sofern sie Relevanz für 2011 hat. Mercedes muss also aufpassen. Platz vier ist nicht in Stein gemeißelt. Um gegen das Einmann-Team Renault zu bestehen, muss auch Michael Schumacher in den letzten Rennen wieder kräftig Punkte sammeln.
Quelle: Auto Motor und Sport |
verfasst am 23.09.2010
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