Eine Million Elektrofahrzeugen sollen bald auf deutschen Straßen rollen. Doch die E-Autos bremsen andere sinnvolle Technologien aus, sagen Auto-Experten.
Von MOTOR-TALK-Autor Jim Meininghaus Stuttgart/Berlin - Die CO2-Vorgaben der EU sinken, der politische Druck steigt: Autohersteller entwickeln intensiv Elektroautos, um den CO2-Ausstoß ihrer Flotten zu senken. Bis 2020 will die Bundesregierung eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen sehen. Ob das sinnvoll ist, stellt unter anderem Peter Fuß von der Wirtschaftsberatung Ernst & Young in Stuttgart infrage: "Die Batterietechnik entwickelt sich nicht so, wie man sich das erhofft hat", sagt er. "Der Plug-In-Hybrid ist nur eine Brückentechnologie." Vor weniger als einem Monat zeigte eine MOTOR-TALK-Umfrage, dass auch viele Autofahrer kaum etwas mit der derzeitigen Form der Elektromobilität anfangen können. 4.809 MOTOR-TALKer nahmen an der Umfrage teil. Ein Elektroauto würden 81,6 Prozent nicht einmal dann kaufen, wenn es mit 2.500 Euro subventioniert würde. 72,26 Prozent vermuten bei Elektroautos vor allem wirtschaftliche Interessen. Erdgas-Autos sind die bessere ÜbergangslösungDie geringe Reichweite der Elektroautos ist dabei nur ein Problem. Die Umgewöhnung an das lange Laden, die bisher unzureichende Ladeinfrastruktur und der hohe Preis für Elektroautos hemmen die Nachfrage. Nach Einschätzung von Uwe Kunert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin wären mit Erdgas betriebene Fahrzeuge zumindest für den Übergang eine gute Alternative. "In der Verwendung von Erdgas liegt ein unmittelbares Potenzial zur CO2-Reduktion", sagt Kunert. Zu wenig Erdgas-TankstellenDie Förderung von Erdgas durch Steuerbegünstigungen sei erheblich. Das Problem sei die Infrastruktur. Das Netz von Erdgastankstellen umfasst bundesweit laut der Initiative Erdgas mobil 921 Tankstellen, im Gegensatz dazu stehen rund 4.454 Ladepunkte für Elektroautos und gut 14.000 Tankstellen. Nach Daten des Kraftfahrtbundesamtes fuhren Anfang 2014 knapp 100.000 Autos mit Elektro- oder Hybridantrieb auf deutschen Straßen. Bei bundesweit 43,9 Millionen zugelassenen Autos ein Anteil von 0,02 Prozent. Der Anteil von Erdgasautos war mit 79.000 Fahrzeugen fast genauso hoch. Hersteller investieren 12 Milliarden in grüne AntriebeLaut Verband der Automobilindustrie (VDA) investieren die Hersteller in den kommenden drei bis vier Jahren rund 12 Milliarden Euro in alternative Antriebe. Unter Branchenexperten gilt BMW als Vorreiter der Elektromobilität. Daimler hingegen entwickelt seit Jahren an der Brennstoffzelle. Mehr als eine Milliarde Euro haben die Schwaben inzwischen in die Technologie gesteckt. Wie viel das im Vergleich zur E-Mobilität ist, lässt ein Sprecher offen: Gut die Hälfte der 2013 und 2014 in Forschung und Entwicklung investierten 10,8 Milliarden Euro gingen in grüne Technologien. Elektro-Hype bremst BrennstoffzelleChristian Kleinhans von der Strategieberatung Berylls schätzt, dass etwa 70 Prozent noch in herkömmliche Verbrennungsantriebe gehen, 25 Prozent in Hybridmotoren und der Rest in batterieelektrische Antriebe. Die Brennstoffzelle spiele nur eine ganz geringe Rolle. "Der öffentliche Hype rund um Elektrofahrzeuge führte dazu, dass viel Forschungs- und Entwicklungsgeld in diese Antriebe floss", sagt Kleinhans. "Andere alternative Antriebe, wie Erdgasantrieb, aber insbesondere die Brennstoffzelle, wurden rechts überholt." Quelle: dpa/Picture Alliance Dabei ist die Brennstoffzelle seiner Einschätzung nach die Technologie, die langfristig am meisten Sinn macht. Auch Autoexperte Fuß meint: "Die endgültige Lösung kann nur die Brennstoffzelle sein." Verliert Deutschland die Führung?Obwohl Daimler lange als Vorreiter in der Brennstoffzellen-Entwicklung galt, sind es die Konkurrenten Toyota und Hyundai, die 2015 die ersten mit Brennstoffzelle betriebenen Fahrzeuge in Serie auf den Markt bringen. Honda will mit General Motors zusammen möglichst bald folgen. Daimler will im Forschungsverbund mit Ford und Renault-Nissan 2017 so weit sein. Bei BMW und Volkswagen schätzt man, dass man die Modelle 2020 serienreif hat. "Die deutsche Automobilindustrie muss aufpassen, dass sie jetzt nicht die führende Position bei der Brennstoffzelle verliert - und die Japaner und Koreaner vorbeiziehen lässt", warnt Kleinhans. Quelle: DPA, MOTOR-TALK |