Losgeklettert: Mit der R nineT Scrambler bringt BMW eine noch puristischere Variante des Retro-Bikes. Nach der ersten Fahrt ist klar: Das muss einfach ein Erfolg werden.
Köln - Niemand bei BMW Motorrad hätte im Herbst 2013 geglaubt, dass Mitte 2016 weltweit bereits rund 23.000 Exemplare der R nineT verkauft sind. Das verhältnismäßig hochpreisige „Heritage“-Modell schlug am Markt ein: Es kam zur richtigen Zeit, nutzte den damals noch schwachen Trend zu emotionaleren, weniger hochtechnisierten Motorrädern und verstärkte diese Entwicklung. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die weißblaue Marke nun eine zweite Variante nachschiebt. Der Scrambler basiert auf der R nineT und ist zugleich ein fast neues Motorrad. Ab 13. September beginnt der Verkauf. Dass auch der 13.000 Euro teure Scrambler gefragt sein wird, steht nach der ersten Fahrprobe außer Frage. Norbert Rebholz, Projektleiter des neuen Modells, erläutert: „Nur der Antrieb, der Scheinwerfer und der Kabelbaum sind 1:1 von der R nineT übernommen worden. Alles andere musste neu entwickelt werden.“ Neuer Rahmen, neue Federelemente, neuer Tank, geänderte Bremsanlage, neuer Sitz, neues Instrumentarium - es gibt in der Tat mehr Neuteile am Scrambler als baugleiche mit der R nineT. Einfacher, aber nicht billigQuelle: Jörg KünstleZwar nimmt der Tank die Form des Benzinbehälters der R nineT auf, doch ist er aus (preiswerterem) Stahl statt aus Aluminium. Das bringt vier Mehr-Kilo mit sich. Denn der Scrambler musste preislich deutlich unterhalb der 14.500 Euro kostenden R nineT angesiedelt sein. Das bedeutet Abstriche, aber billig darf das Motorrad dennoch nicht wirken. Sitzt man auf der relativ dünnen (aber nicht unbequemen) abgesteppten Einpersonen-Bank mit patinierter Lederoptik und schaut nach vorn, blickt man auf ein schön gestaltetes Rundinstrument oberhalb des ebenfalls runden, schnörkellosen Scheinwerfers. Lenker und Gabelholme wirken ebenso wertig. Der mattlackierte 17-Liter-Tank passt sich perfekt an. Selbst die hübsch gestalteten Aluminium-Gussräder, eigentlich ein „No go“ an einem Scrambler, fügen sich harmonisch ein. Wer will, bekommt für 395 Euro die von der GS bekannten Kreuzspeichenräder, sodass auch schlauchlose Reifen montiert werden können. Wer das Scrambler-Feeling noch steigern will, erhält das Bike auch mit grobstolliger Geländebereifung. Etwas weniger DrehmomentDer luft-/ölgekühlte Boxermotor wurde weiterentwickelt und entspricht nun den Vorschriften der ab 1. Januar 2017 gültigen EU-4-Abgasnorm. Die Maximalleistung des 1.170 Kubikzentimeter großen Boxermotors beträgt weiterhin 110 PS, das maximale Drehmoment ist etwas geringer; es erreicht 116 Newtonmeter statt 120. Damit kann man bestens leben. Das Getriebe funktioniert geräuschlos und präzise, Lastwechsel im Antriebsstrang sind kaum spürbar. Der hochgelegte Doppelauspuff, eine Scrambler-Essenz, wird vom slowenischen Auspuffguru Akrapovic gebaut und klingt auch so – Boxersound vom Allerfeinsten. Anders als der Motor zeigt sich das Fahrwerk gegenüber der nineT verändert: Ein flacherer Lenkkopfwinkel, mehr Nachlauf am Vorderrad und neue Feder-/Dämpfungselemente mit etwas weicherer Auslegung. Dazu kommt ein modifizierter Rahmen, der bereits für individuelle Eingriffe präpariert ist. Das Fahrwerk braucht AnpassungIm Fahrverhalten gibt sich der Scrambler verbindlich, vorausgesetzt der Fahrer kümmert sich um eine korrekte Einstellung von Federvorspannung und Zugstufendämpfung. Das ist mühevoll, denn ein komfortables Handrad widerspräche der puristischen Grundrichtung. Die Telegabel ist sauber abgestimmt, auch das Federbein vermag weitestgehend zu überzeugen. Wirklich schlechte Straßen sind aber dennoch nichts für dieses Fahrwerk. Vom „fliegenden Teppich“ R 1200 GS trennen den Scrambler Welten. Bei argen Schlaglöchern können Schwergewichte im Sattel den Federweg komplett aufbrauchen. Vorteilhaft ist eine saubere Feinjustierung der Fahrwerkselemente auch fürs Einlenken in Kurven: Die anfänglich monierte Schwerfälligkeit in der Grundeinstellung wich zugunsten zufriedenstellender Agilität. Quelle: BMW Die Sitzposition passt für Fahrer zwischen knapp 1,70 bis hin zu 2 Metern. Größere Fahrer sollten aber die drei Zentimeter stärker gepolsterte „hohe Sitzbank“ probieren. Schalter und Hebel sind qualitativ hochwertig ausgeführt, ein Lenkungsdämpfer beugt übergroßer Unruhe der Lenkstange vor. Mehr Zubehör lieferbarDer Trend zu emotionalen Bikes erforderte beim Scrambler Liebe zum Detail. Beispiele: die BMW-Embleme in der Scheinwerfermitte oder schöne Alu-Schmiedeteile an der oberen Gabelbrücke, mit glasperlengestrahlter und anschließend eloxierter Oberfläche. Anders als bei der R nineT bietet BMW für den Scrambler eine überschaubare Anzahl an Zusatzausstattungen. Auszugsweise genannt seien ein elektronischer Drehzahlmesser mit analoger Anzeige, LED-Blinker oder der Alu-Tank. Zwar hat es mit dem Scrambler zweieinhalb Jahre gedauert. Mit weiteren Modellen der Heritage-Linie dürfte das schneller gehen, weil sie vermutlich auf dem Scrambler aufbauen werden. Was ist noch vorstellbar? Rühren wir mal im Kaffeesatz, dann erahnen wir einen Café Racer mit hübscher Cockpit-Verkleidung, und eine puristische GS im Stile der einstigen R 100 GS. Der luftgekühlte Boxer jedenfalls lebt. BMW R nineT Scrambler: Technische Daten
Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht
Quelle: Spotpress |