Der Infiniti Q30 fährt zwischen A-Klasse und GLA. Mercedes spendiert Technik und viele Teile. Was die Nissan-Edelmarke daraus macht, haben wir im Alltagstest herausgefunden.
Berlin – Man liest es überall: Infiniti kennt kaum jemand, Infiniti verkauft zu wenig Autos, Infiniti hat zu wenige Händler. Mag sein, aber das sagt nichts über die Qualität der Autos. Zeit, herauszufinden, was der kleinste Infiniti kann. Der Q30 ist eine Mercedes A-Klasse in anderem Blech. Von außen sieht er aus wie eine Kreuzung aus Kompaktwagen und Kompakt-SUV, innen erinnern viele Bauteile an die A-Klasse. Vieles ist doch wieder ganz anders. Der Q30 ist wie Menorca im Vergleich zu Mallorca: Ein bisschen exotisch, aber vertraut genug, um sich sofort zurecht zu finden. Aber Inselurlaub gibt es nicht: Als 1.5d mit Doppelkupplungsgetriebe musste der Q30 sich im Alltag beweisen. Karosserie und Platzangebot: So groß wie der GLAQuelle: MOTOR-TALK Mit 4,43 Metern Außenlänge baut der Q30 bei gleichem Radstand 13 Zentimeter länger als die A-Klasse und ist damit genauso lang wie das Mercedes-SUV GLA. Das Kofferraumvolumen gibt Infiniti mit 430 Litern an. Das ist etwas mehr als in der Kompaktklasse üblich. Das Gepäckabteil lässt sich prima nutzen: Die Ladekante liegt angenehm niedrig, der ebene Ladeboden gibt ein Fach mit Ablagen frei, das Gepäckabteil ist kaum zerklüftet. A-Klasse-Fahrer müssen sich mit 341 Litern Kofferraumvolumen zufriedengeben, beim GLA sind es 421 Liter. Als praktischer Reisewagen entpuppt sich der Q30 erst auf den zweiten Blick. Die relativ kurzen Beinauflagen vorne und erst recht auf der Rückbank machen skeptisch. Nach knapp 1.500 Testkilometern sind die Zweifel verflogen. Die Polsterung ist gut, der Hintern bleibt nach Stunden schmerzfrei. Sitzposition und Platz passen auch. Ein Raumwunder ist der Q30 nicht, aber Beinfreiheit und Platz für die Ellbogen ist ausreichend vorhanden. Antrieb: Ein kleiner Diesel an einem DoppelkupplungsgetriebeDer 1,5-Liter-Diesel ist ein Gemeinschaftsprojekt von Renault Nissan und Mercedes. Bei Daimler wird er als 160d und 180d geführt. Bei Renault läuft er als dCi 110, bei Nissan als 1.5 dCi. Im Infiniti Q30 leistet er 109 PS und 260 Newtonmeter Drehmoment. Quelle: MOTOR-TALK Infiniti kombiniert den Motor mit dem Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe aus der A-Klasse. Er spricht spontan an, die Fahrleistungen sind solide. Beim Kaltstart schüttelt er sich nagelnd, warm bleibt der Geräuschpegel bei normaler Beanspruchung im Hintergrund. Erst wenn das DCT die Gänge ausdreht, knurrt der Selbstzünder angestrengt. Beim Überholen merkt man aber doch, dass das Drehmoment bei gut 2.500 U/min schon wieder abfällt. Unser Testverbrauch lag bei recht üppigen 6,8 Litern. Einen A 180 d mit manuellem Getriebe konnten wir mit 5,5 Litern bewegen – unter deutlich besseren Voraussetzungen. Die A-Klasse durfte öfter auf die Landstraße während der Q30 den Großteil seiner Testkilometer auf der Autobahn abspulte. Und zwar zügig bewegt. Außerdem war es meistens kalt. Im Stadtverkehr lag der angezeigte Durchschnittsverbrauch oft knapp unter der 10-Liter-Marke. Viel für einen Kompakten, aber er wiegt auch viel. Mit 1.497 Kilo bringt er 72 Kilogramm mehr auf die Waage als die A-Klasse mit der gleichen Motor-Getriebe-Kombination. Der GLA wiegt 1.470 kg. Dazu trieben Minusgrade und kurze Strecken den Verbrauch in die Höhe. Trotzdem: Für einen Kompaktwagen ist das zu viel. Fahrwerk: Sportlich, aber unaufgeregtQuelle: MOTOR-TALK Vor dem Facelift fühlte sich die A-Klasse einfach nur hart an. Mit dem Facelift und beim GLA bügelte Mercedes das Manko aus. Infiniti geht beim Q30 einen Schritt weiter Richtung Komfort, ohne zu schwammig zu werden. Das passt zum entspannten Charakter des Antriebs. Am wohlsten fühlt sich der kleinste Infiniti bei Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn. Die Karosserie zittert nie, wippt nicht nach und vermittelt so ein Gefühl von Verlässlichkeit. Auf der Landstraße federt der Q30 verbindlich und gibt genug Rückmeldung. Wenn man es drauf anlegt, geht der Kompakte sogar einigermaßen sportlich ums Eck. Innenraum: Alcantara wo das Auge hinfälltTürgriffe, Fensterheber, Kombiinstrument, Automatikwählhebel, Scheibenwischerhebel: All das stammt unverkennbar von Mercedes. Die meisten Schalter und Taster in der Mittelkonsole übernimmt Infiniti ebenfalls von Mercedes. Vorteil: Es gibt keine haptischen Ausreißer, das Schaltersortiment wirkt homogen. Dazu bezieht Infiniti große Teile des Armaturenbretts und der Türen mit Alcantara. Das Paket heißt „City Black“ und beinhaltet neben der Polsterung mit violetten Kontrastnähten auch Spiegelkappen in Mattsilber, andere Alufelgen mit violettem Akzent, LED-Scheinwerfer mit Fernlichtassistent und weitere Kleinigkeiten. Der so ausstaffierte Innenraum erinnert nur noch in den Details an Mercedes. Der Gesamteindruck: ungewöhnlich, aber edel. Wie die Alcantara-Oberfläche an den Türgriffen nach ein paar Jahren aussieht, muss sich zeigen. Infotainment und Assistenten: Funktioniert, verträgt aber FeinschliffQuelle: MOTOR-TALK Schade, dass die Kooperation nicht bis ins Infotainment reicht: Das Navigationssystem ist kein Ableger des bekannten „Command“-Systems von Mercedes, wir kennen es aus einigen Nissan-Modellen. Es reagiert zügig, die Bedienung gelingt aber nicht sehr intuitiv. So lässt sich der Dreh-Drück-Regler auf dem Mitteltunnel zur Seite drücken, Zeilensprünge oder "Zurück"-Befehle führt er aber nicht aus. Gut gelungen ist die Integration des Bildschirms ins Cockpit. Infiniti macht den Trend zum freistehenden Display im Q30 nicht mit. Anders als Mercedes in GLA oder A-Klasse. Gegen Aufpreis gibt es für den Q30 Abstandstempomat, Fernlichtassistent, Toter-Winkel-Warner oder Parkassistent. Ein aktiver Lenk- oder Stauassistenten fehlt in der Aufpreisliste. Die Rückfahrkamera mit 360-Grad-Vogelperspektive (aufpreispflichtig im Paket) hilft beim Einparken und macht den Parkpiloten überflüssig. Ausstattung und Preise: Richtig feinDer Infiniti Q30 startet bei 24.200 Euro, die A-Klasse bei knapp 500 Euro mehr. Für den fast gleich großen GLA muss man schon rund 4.750 mehr einplanen. Unser Testwagen mit "Premium" und "City-Black"-Paket liegt mit dem 1,5-Liter-Diesel und Doppelkupplungsgetriebe bei etwas mehr als 35.000 Euro – absolut gesehen teuer, aber im Vergleich zu einer ähnlich ausgestatteten A-Klasse durchaus interessant. Zum GLA wird der Abstand noch größer. Quelle: MOTOR-TALK Einen guten Kompromiss bietet die Ausstattungsvariante „Premium“. Sitzheizung, Tempomat und Klimaautomatik sind dann an Bord. Zeitgemäße LED-Scheinwerfer gibt es nur im Paket „City Black“. Das bringt aber auch noch Fernlichtassistent, Navigationssystem mit Verkehrszeichenerkennung oder DAB-Radio mit. Infiniti führt viele Einzeloptionen in Ausstattungspaketen zusammen. Nachteil: Wer nur eine Option möchte, kommt nicht umhin, das ganze Paket zu kaufen. Immerhin: Die Aufpreise sind vergleichsweise fair. Fazit: Mehr als eine A-KlasseMit dem Q30 gießt Infiniti die A-Klasse von Mercedes nicht einfach nur neu auf. Der Q30 findet einen eigenen Charakter: Er fährt komfortabler und ein bisschen leiser als der kompakte Mercedes. Er kostet weniger und bietet sogar mehr Platz als der GLA. Ob er als Alternative zur Konkurrenz eine Bereicherung fürs Straßenbild darstellt, muss jeder selbst entscheiden. Selten ist er auf jeden Fall. Jetzt müsste man nur noch einen Händler finden. Weiterlesen: Der Infiniti Q60 mit schönen Kurven und endlich einer guten Lenkung Infiniti 1.5d DCT "Premium": Technische Daten
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