Ein Kommentar von Sven Förster
Wien - In Österreich wird man als Realist geboren. Die Kaiserzeit ist vorbei, Demokratie ist fairer. Die Fußball-WM holen wir eher nicht, aber im Ski-Weltcup läuft es. Und: Autobahnabschnitte ohne Tempolimits wird es in der Alpenrepublik nie geben, aber vielleicht kommt die Anhebung auf 160 km/h.
An diese Zahl dachte ich, als der neue Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) im Gespräch mit der Tageszeitung Kurier erklärte: „Die Frage ist, ob man bei perfekter Witterung und wenig Verkehr über 130 km/h (das aktuelle Limit, Anm.) gehen kann.“ Warum das eher kein Verweis auf eine angedachte Übernahme deutscher Geschwindigkeitsregeln ist? Weil kein Verkehrsminister mit dem ersten fatalen Crash bei legalem Tempo jenseits der 200 km/h in Verbindung gebracht werden will. Und der käme garantiert, egal, wie lange das Projekt bis dahin (oder danach) gut ginge.
Erhöhung seit mehr als 10 Jahren im Gespräch
2016 wollte Rechtspopulist Norbert Hofer Bundespräsident werden. Seit Mitte Dezember 2017 ist er Verkehrsminister Quelle: dpa / Picture Alliance
Warum ausgerechnet 160 km/h? Weil dieses Höchsttempo seit mehr als 10 Jahren von Parteien des rechten Spektrums gefordert wird. Norbert Hofer selbst hatte das 160er-Limit bei der Amtsangelobung Mitte Dezember ausgeschlossen. Genauso wie zuvor eine Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten. Er kam übrigens 2016 in die Stichwahl.
Einmal gab es in Österreichs jüngerer Geschichte dieses Tempolimit bereits: Von Frühjahr 2006 bis Frühjahr 2007. Auf einer Länge von 12 Kilometern. Die Rechtspartei BZÖ hatte die Errichtung einer Teststrecke erwirkt. Das Projekt stand eher im Geiste des Populismus als im Dienste der Wissenschaft. Und hätte mich beinahe meinen Schulabschluss gekostet: Wenige Wochen vor der Matura (dem österreichischen Äquivalent zum Abi) investierte ich in jugendlichem Leichtsinn weniger Zeit in meine Bildung als in die Planung einer Reise zu diesem Stück Tauernautobahn (A10) im Süden des Landes. Zu dritt, ab Wien 344 Kilometer in Richtung Süden, das war der Plan.
Mehr Down, als Downsizing
So sehen echte Racer aus: Mit einem giftgrünen Nissan Micra der zweiten Generation wollten wir die 160 km/h knacken Quelle: dpa / Picture Alliance
In der entgegengesetzten Richtung wäre es nicht viel weiter bis zum ersten unbeschränkten Bereich der deutschen Autobahn gewesen. Machte für unser Auto keinen Unterschied: Ein giftgrüner Nissan Micra der zweiten Generation mit einem 1,0-Liter-Benziner. 60 PS sollten laut Datenblatt für 150 km/h reichen. Wir würden also echte 160 km/h schaffen. Der Fahrer spielt bei der möglichen Höchstgeschwindigkeit auf gerader Strecke ja bekanntlich die größte Rolle. Umso besser, wenn dann gleich mehrere selbsternannte Racing-Talente im 800-Kilo-Micra sitzen.
Gefühlt brachten bereits die Super-Mouse-Aufkleber an den Türen gute 10 km/h mehr Höchstgeschwindigkeit. Die erstrebte Geschwindigkeit erreichten wir nie, nicht einmal die Teststrecke. Uns stoppte kein technisches Problem und kein Unfall - sondern das Wissen um irgendeine Party auf der Anreiseroute.
Jedes Limit wird als störend empfunden
Beschert die neue Regierung nun die nächste Chance? „Wir haben im Regierungsabkommen einen Test vereinbart“, sagte Verkehrsminister Hofer dem Kurier. Und meint vermutlich einen Versuchsabschnitt ganz wie damals. Ich beabsichtige diesmal nicht, die Teststrecke aufzusuchen. Auch, wenn praktisch alle Autos in der MOTOR-TALK-Garage dem alten K11 überlegen wären.
Vielleicht auch gerade deswegen: Ein Limit wird man als Fahrer immer als störende Einschränkung empfinden. Egal, ob es bei 110, 130 oder 160 km/h liegt.
Und die giftgrünen Nissan Micra 1,0 von damals fahren meist nicht mit „echten“ 160 km/h . 120 ist im K11 eine probate Reisegeschwindigkeit. Das wären bei erlaubten 160 km/h dann schon 40 km/h Unterschied zu schnellen Vertreter-Kombis und potenten SUV-Gleitern auf der linken Spur.
Und die benutzt man auch mit spärlich motorisierten Kleinwagen: Irgendwann ist garantiert ein LKW, Bus oder PKW mit Anhängern auf der ersten Spur im Weg. Je größer der Geschwindigkeitsunterschied, desto unangenehmer die Situation für alle PKW-Fahrer - für jene, die aus Leistungsmangel oder Prinzip schleichen genauso wie für die Heizer. Insofern wäre eine Anhebung des Limits um 10 bis 20 km/h wohl ausreichend, eine Beibehaltung von Tempo 130 zu verkraften. Mein 18-Jähriges Ich möge mir vergeben.