Braucht das deutsche System für Abgasprüfungen eine Reform? Umweltverbände und EU bemängeln die Abhängigkeit der Prüfdienste.Denn sie werden von der Industrie bezahlt.
Quelle: picture alliance / dpa Stuttgart/Berlin - Im Zuge der Diesel-Affäre bei VW sind die Abgastests bei der Typzulassung (Homologation) neuer Modelle in die Kritik geraten. Die Prüfdienste - Dekra, TÜV oder GTÜ - sind neben der allseits bekannten Hauptuntersuchung auch für die Ermittlung offizieller technischer Daten neuer Autotypen zuständig - inklusive der Abgaswerte. Diese Prüfungen werden von den herstellern in Auftrag gegeben. Stehen die Prüfdienste hier in einem Interessenkonflikt - sind sie gar käuflich? Acht Fragen und Antworten zum Thema. 1. Wer sucht die Prüfdienste aus? Die Prüfdienste werden vom Kraftfahrtbundesamt benannt und bekommen die Freigabe von der Deutschen Akkreditierungsstelle. Wer allerdings welches Modell vor der Erstzulassung überprüft, entscheiden die Autohersteller selbst. Sie beauftragen den jeweiligen Prüfdienst, wenn sie ein neues Modell auf den Markt bringen wollen. 2. Wer bezahlt die Prüfdienste? Das sind ebenfalls die Autohersteller. Sie tragen als Auftraggeber die Kosten für die Überprüfung vor einer Typgenehmigung. 3. Wo werden die Autos geprüft? Sofern die Technischen Dienste eigene Abgaslabore betreiben, findet der Check dort statt. Sie machen aber auch Hausbesuche: Im Rahmen einer so genannten "Witness-Prüfung" beim Hersteller vor Ort begutachten die Dienste auch die Labore. "Die Labore müssen bestimmten Standards entsprechen", erklärt Andreas Kohlhas vom Technischen Dienst der Gesellschaft für Technische Überwachung (GTÜ). 4. Werden die Prüfdienste noch einmal kontrolliert? Die zuständige Behörde ist das Kraftfahrtbundesamt (KBA), heißt es beim TÜV Nord. Es überwache kontinuierlich die Arbeit der Technischen Dienste. Das KBA überprüft die Technischen Dienste, deren Labore und auch Herstellerlabore regelmäßig im Rahmen der Benennungsaudits, sagt Kohlhas vom GTÜ. Das KBA könne auch zur Überprüfung der Typgenehmigung beiwohnen. "Ich persönlich habe das noch nicht erlebt", so Kohlhas. Kämen Zweifel an den Messungen auf, könne das KBA jederzeit auch einen zweiten Technischen Dienst beauftragen, erklärt ein Sprecher des TÜV Süd. Ihm seien solche Fälle allerdings nicht bekannt. 5. Werden die Werte noch einmal kontrolliert? Die Hersteller sind gesetzlich zu regelmäßigen Überprüfungen verpflichtet, heißt es beim Tüv Nord. So soll sicher gestellt werden, dass ihre Fahrzeuge auf dem Band stets so produziert werden, wie in der Typprüfung abgenommen. "Die so genannte Serienüberwachung (CoP) wird vom Hersteller selbst durchgeführt beziehungsweise beauftragt und muss vom KBA regelmäßig kontrolliert werden." 6. Gibt es Zweifel an diesem Verfahren? Umweltverbände wie Greenpeace kritisieren die Nähe zwischen Technischen Diensten und Industrie. "Das ist ein Geschäftsmodell, in dem die Technischen Dienste abhängig sind", sagt Tobias Austrup von Greenpeace. Er sieht darin ein strukturelles Problem. 7. Was sind Gegenvorschläge? Die EU-Kommission hatte im Januar den Vorschlag gemacht, das Vergütungssystem der Prüfdienste zu ändern, "um finanzielle Verbindungen zwischen technischen Diensten und Herstellern zu vermeiden, die zu Interessenkonflikten führen". Außerdem schlug die Kommission eine Überprüfung durch unabhängige Stellen und gegenseitige Kontrollen durch nationalen Behörden vor. Die Benennung von technischen Diensten könne künftig ausgesetzt werden. Nach Meinung von Greenpeace-Experte Austrup sollten unabhängige Dritte wie das Umweltbundesamt in den Prüfprozess eingebunden werden. Die EU-Kommission könnte zudem mit Hilfe ihrer Forschungsabteilung die Testergebnisse nationaler Stellen nachprüfen. Bis das allerdings durchgesetzt wird, müssen EU-Parlament und die einzelnen EU-Mitglieder zustimmen. 8. Was halten die Prüfdienste davon? Die betonen, zur Transparenz beitragen zu wollen, melden aber Zweifel an einer zentralen Prüfstelle an. "Eine zentrale Prüfstelle wäre sehr aufwändig", sagt GTÜ-Experte Kohlhas. "Der Prozess der Abgasprüfung für die Typgenehmigung ist so etabliert, dass er aus meiner Sicht, ohne Inkaufnahme großer zeitlicher und kostenmäßiger Nachteile, nicht mehr anders vorstellbar ist." Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht |