Nach einem Sturz mit dem Motorrad, bleibt häufig ein mulmiges Gefühl zurück. Training und ein geübter Blick von außen können helfen, die Sicherheit wieder zu erlangen.
Quelle: picture alliance / dpa Berlin/München - Plötzlich ist er da, der Schock. Eben noch ist man sorglos über die Landstraße gefahren, und nun liegt man auf dem Asphalt und das Motorrad ein Stück entfernt. Allmählich realisiert man: Das war ein Sturz. In der Kurve haben die Räder die Bodenhaftung verloren. Mehr als ein paar Schürfwunden sind es nicht, doch ein Gefühl der Unsicherheit bleibt. Richtiges Kurvenfahren muss geübt werdenQuelle: picture alliance / dpa Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es 2014 etwa 45.500 Unfälle mit Beteiligung von Motorradfahrern und damit zehn Prozent mehr als im Jahr davor. 675 Biker sind dabei gestorben. Etwa jeder dritte Sturz (31 Prozent) entsteht laut ADAC-Unfallforschung ohne Fremdeinwirkung. Häufig machen Biker in Kurven Fehler. Typische Folge: Sie fahren bei geringer Schräglage und hoher Geschwindigkeit in die Leitplanke oder bei extremer Schräglage in den Gegenverkehr. Manchmal führt auch ein einfacher Bremsfehler zum Sturz. "Das kann schnell passieren, auch ohne riskante Fahrweise", sagt Wolfgang Stern, Pädagoge und Fahrtrainer am Institut für angewandte Verkehrspädagogik. Stern hat selbst zahlreiche Stürze erlebt. Er sagt: "Man denkt über jeden Sturz nach." Viele steigen allerdings sofort wieder aufs Rad: Rasch wollen sie den Beweis antreten, dass sie noch Motorrad fahren können. Doch das kann laut Karl-Friedrich Voss, Vorsitzender des Bundesverbandes Niedergelassener Verkehrspsychologen, gefährlich sein. "Wer sofort weitermacht, ohne die Ursachen des Unfalls zu hinterfragen, fährt mit der gleichen Haltung weiter, ohne dass sich etwas ändert". Lernen den Unfall zu verarbeitenQuelle: picture alliance / dpa Sich bewusst mit dem Sturz auseinanderzusetzen, ist laut Voss wichtig, um weitere Unfälle zu vermeiden. Viele Motorradfahrer seien nach einem Sturz verunsichert und blockiert - auch nach vermeintlich harmlosen Unfällen. "Schlaflosigkeit, ständige Wiederkehr der Bilder und die Unfähigkeit, das Erlebte allein zu verarbeiten, sind Anzeichen dafür", sagt Hartmut Kerwien vom Institut für angewandte Verkehrspädagogik. In diesen Fällen helfe nur noch ein Verkehrspsychologe. Häufig leiden gestürzte Biker unter Nervosität. Fahren ist kein Problem, doch die Souveränität ist plötzlich weg. "Hilfreich sind dann Brems- und Kurventrainings", sagt Achim Kuschefski vom Institut für Zweiradsicherheit. Jochen Oesterle vom ADAC sieht es ähnlich: "Jede Angst kann man verlernen. Zuallererst müssen Motorradfahrer aber ehrlich mit sich selbst sein und ein Training angehen." Nahezu alle Automobilclubs wie ADAC, Auto Club Europa (ACE), der Automobilclub von Deutschland (AvD) und Institutionen wie die Deutsche Verkehrswacht, das Institut für Zweiradsicherheit, das Institut für angewandte Verkehrspädagogik oder der Bundesverband der Motorradfahrer bieten entprechende Trainings für Motorradfahrer an. Dabei werden die Biker behutsam an das Kurvenfahren herangeführt. Während des Trainings fahren sie erst weite Kurven bei geringer Geschwindigkeit. Dann steigern sie ihr Tempo und versuchen, die Linie beizubehalten. Fahrfehler richtig analysierenQuelle: picture alliance / dpa Auch Fahrlehrer bringen Motorradfahrer wieder in die Spur. Kurt Bartels, Vorsitzender des Fahrlehrerverbandes Nordrhein, hat viele gestürzte Kradfahrer geschult. Wichtig sei, den Biker aus dem Verkehr zu nehmen und mit ihm auf einen Übungsplatz zu gehen. "Hier kann man Regeln, Autos und Fußgänger vollkommen ausblenden und sich auf das Motorrad einlassen", sagt er. Zunächst wird geschaut, ob der Fahrer verkrampft. Sind die Bewegungen flüssig, geht es auf die Straße. Entscheidend ist nach einem Unfall der Blick von außen. Ob Trainer, befreundeter Motorradfahrer oder Fahrlehrer: "Beobachter entdecken möglicherweise Fahrfehler, die zum Sturz geführt haben können", sagt Bartels. Eine falsche Blicktechnik lässt sich relativ schnell erkennen. Unterbewusst schauen viele Biker beim Kurvenfahren auf die Leitplanke oder die Bäume am Straßenrand. Automatisch trägt das Motorrad den Fahrer dann nach außen. Um Stürze zu vermeiden, sollten Motorradfahrer laut Fahrtrainer Wolfgang Stern den Kopf aufrecht halten und bereits eingangs der Kurve in den Kurvenausgang blicken. Außerdem verringern viele Motorradfahrer ihre Geschwindigkeit vor der Kurve nicht genügend. Auch die Angst vor einer angemessenen Schräglage kann gefährlich sein. Wer sich nur geringe Neigungen zutraut, lenkt stärker ein oder bremst in Panik, wenn die Kurve doch enger wird. Dass Motorradfahrer gar nicht so schräg liegen, zeigen viele Fahrtrainer mit Hilfe von Kreide, die sie auf die Außenseiten der Reifen auftragen. Nach dem Kurvenfahren sehen die Biker, dass der Reifen immer noch weiß ist - eine Erkenntnis, die laut Bartels zu mehr Sicherheit führt. Weitere MOTOR-TALK-News findet Ihr in unserer übersichtlichen 7-Tage-Ansicht |