Die Absageliste zur IAA 2017 trägt illustre Namen: Vor allem für Importeure verliert die Messe an Bedeutung. Sie geben ihr Marketing-Budget lieber anderweitig aus.
Frankfurt – Lange Jahre galt die IAA als automobile Leitmesse Europas. Das ist auch 2017 noch so – aber die große Messe verliert an Bedeutung. Schon seit einigen Jahren zeichnet sich das ab. Eine zunehmende Zahl von Herstellern streicht die Budgets für den Messeauftritt radikal zusammen, gleich mehrere Konzerne reduzieren die Zahl ihrer Markenauftritte dramatisch. Beispiel Renault-Nissan: Die französisch-japanische Allianz schickt nur die französische Marke Renault samt Tochtermarke Dacia nach Frankfurt. Nissan, Mitsubishi und die Premium-Marke Infiniti bleiben zuhause. Fiat-Chrysler verzichtet gar auf all seine Volumenmarken: Es wird in Frankfurt keinen Stand von Fiat, Alfa Romeo oder Jeep geben. Laut Informationen der „Automobilwoche“ plant FCA nur mit einem Ferrari-Stand. Ähnlich rigide streicht der französische PSA-Konzern seinen Messeauftritt zusammen. Peugeot und DS werden nicht ausstellen, nur Citroën wird seine Neuheiten präsentieren. Dass Volvo nicht nach Frankfurt kommt, kann nicht überraschen: Die Schweden wollen sich pro Jahr und Kontinent auf eine Messe beschränken. Das war in Europa 2017 der Genfer Salon, wo man den neuen XC60 zeigte. Quelle: VDA Generell von der IAA verabschieden wollen sich die meisten Marken nicht. Die Absage sei keine Entscheidung gegen Automessen allgemein oder gegen die IAA, heißt es zum Beispiel bei Nissan. Man habe schlicht zum IAA-Termin keine passende Premiere im Kalender. Vielleicht auch eine Frage der Prioritäten: Das Zukunftsthema autonomes Fahren platzierte man lieber auf der Cebit. Und das für Nissan wichtige Thema E-Mobilität sieht man in Essen, der „Grünen Hauptstadt Europas 2017“, besser aufgehoben als in einer Messehalle. Hier wird wohl ein großer Teil des Budgets ausgegeben, das sonst in die IAA geflossen wäre. Das kostet ein IAA-StandDie Kosten-Nutzen-Relation der großen Messen steht bei vielen Marken auf dem Prüfstand. Denn zur Kontaktpflege in der Branche hält der Terminkalender auch so Gelegenheiten bereit. Und mit den aufwändigen Präsenzen der großen deutschen Hersteller können die Importeure ohnehin nicht mithalten. 166 Euro pro Quadratmeter kostet laut Preisliste des veranstaltenden VDA ein IAA-Messestand. Für bessere Stände werden Aufschläge zwischen 20 und 30 Prozent fällig. Hochgerechnet auf die 12.000 Quadratmeter, die BMW 2015 belegte, sind das mehr als zwei Millionen Euro Miete. Ein kleinerer Stand wie der von Citroën (2015: 2.000 qm) kostet immer noch rund 400.000 Euro Miete. Von diesem Geld steht auf dem Stand noch keine einzige Spanplatte, ist keine Hostess bezahlt. Genaue Zahlen bestätigt niemand, aber die großen deutschen Hersteller lassen sich den Messeauftritt in Frankfurt üblicherweise zwischen 20 und 80 Millionen Euro kosten. Schon 2009 gab Audi laut dem US-Blog Jalopnik 15 Millionen Euro für das eigene Gebäude auf der Agora aus, in dem 55 Angestellte und 85 Hostessen die Besucher betreuten. Nach dem Dieselskandal ist das offenbar selbst für eine deutsche Premiummarke zu teuer: 2017 wird Audi es eine Nummer kleiner angehen und mit in die Halle des VW-Konzerns ziehen. Premieren sind meist schon bekanntQuelle: MOTOR-TALKVolvo bleibt schon zum zweiten Mal in Folge der IAA fern und ging mit den Gründen offensiv um. Man gebe Millionen aus und könne doch nur zeigen, dass „BMW oder Mercedes größer als wir sind,“ begründete damals Marketingchef Alain Visser das Zusammenstreichen des Messekalenders. Viele Hersteller finden: Abseits des großen Schwungs der Messeberichterstattung erhalten ihre Produkte mehr Medienaufmerksamkeit. Ein hochwertiges, selbst organisiertes Launch-Event kostet immer noch weniger als ein vorzeigbarer IAA-Stand. Echte Neuheiten sind im Internetzeitalter ohnehin zumeist schon vor dem ersten Messetag publik. Mitunter fallen Entscheidungen dann so: Am 1. Oktober 2016 startete in Paris die wichtigste Messe des Kontinents, der Pariser Auto Salon. Zwei Wochen später stellte BMW mit dem neuen 5er sein wichtigstes Modell ohne Messetrubel vor. Viele Autohersteller halten ohnehin Onlinekampagnen inzwischen für effektiver als Messepräsenz – und wenn schon offline, dann bitte zum Anfassen. Peugeot will künftig mehr Geld in digitale Werbeformen stecken, und zwar auch zu Lasten der Messebudgets. "Wir konzentrieren uns auf Veranstaltungen, bei denen der Kunde die Autos ausprobieren kann“, hieß es zur Peugeot-Absage aus dem Pariser Marketing. Damit war wohl nicht gemeint, Messebesucher von Halle zu Halle zu shutteln. |