Essen - Breite rot-beige Ledersitze, ein Plattenspieler mit einer Elvis-Single und für Fahrer und Beifahrer ein ausziehbarer Aschenbecher: Hartmut Loges zeigt stolz die Inneneinrichtung seines Isabella Coupé. Der Oldtimer parkt in der Vormittagssonne vor dem Schloss Borbeck in Essen.
Als Vorsitzender und Mitbegründer eines Oldtimerclubs ist Loges neugierige Blicke gewöhnt - wo auch immer der 69-Jährige mit Modellen der "Carl F.W. Borgward Interessengemeinschaft" auftaucht. Demnächst steht die Isabella auf der Essener Techno-Classica.
Die Oldtimermesse ist laut Veranstalter das weltgrößte Treffen für Oldtimer-Liebhaber. In diesem Jahr werden 200.000 Besucher erwartet. Und die Szene ist in Bewegung: Rund 400.000 Oldtimer sind derzeit in Deutschland zugelassen. Die Fans organisieren sich in 1.100 Clubs. Regelmäßig fahren sie zu Treffen, helfen sich aber in erster Linie mit Expertenwissen, bei Reparaturen und mit Ersatzteilen.
Gründung im Jahr 1973
Dauergast auf Oldtimermessen: Eine Isabella Baujahr 1961 auf einem Archivbild aus dem Jahr 1996 Quelle: dpa/Picture Alliance
Loges verschrieb sich schon als junger Mann Borgward-Klassikern. "Über 350.000 Mal ist die Isabella gebaut worden", sagt Loges. Beim Kauf seines dritten Borgward - einem Isabella-Cabriolet - habe er sich gesagt: "Die Autos sind so schön - es gibt bestimmt noch mehr Idioten, die auch Spaß daran haben."
1973 gründete er den Oldtimerclub, der weltweit mehr als 700 Mitglieder zählt. Einer von ihnen ist Ulrich Kotte, stellvertretender Vorsitzender des Clubs und Besitzer von 20 Borgward-Oldtimern. Seinen ersten habe er zum 18. Geburtstag von seinen Eltern bekommen. "Ich war hellauf begeistert", erinnert sich der 65-jährige Familienvater. "Als die Kinder größer waren und das Geld da war, habe ich mir mal diesen, mal jenen Borgward gekauft."
Laut Wirtschaftspsychologe Rüdiger Hossiep spielen Emotionen bei der Liebe zu Oldtimern eine wichtige Rolle. "Oldtimer sind begreifbarer als heutige Autos. Bei alten Fahrzeugen versteht der Besitzer noch, wie es funktioniert und kann es noch selbst reparieren."
Viele Mitglieder sind verstorben
Als Personalpsychologe an der Ruhr-Universität Bochum erforscht Hossiep den Zusammenhang zwischen der Persönlichkeitsstruktur eines Fahrers und seiner Fahrzeugwahl. "Für viele Liebhaber sind Oldtimer eine Fortsetzung der Kindheit. Sie suchen sich Modelle aus, die sie in einer sensiblen Phase ihres Lebens - beispielsweise der Pubertät - mochten."
Hossiep teilt Oldtimer-Besitzer in drei Gruppen ein: "Es gibt die extrem reichen Investoren, die Oldtimer als Wertanlage sehen, sich aber gar nicht dafür interessieren und damit gar nicht fahren." Andere nutzten einen historischen Wagen im Alltag, und wieder andere gönnen sich einen Oldtimer zum Spaß zusätzlich zu ihrem normalen Auto.
In der Borgward-Interessengemeinschaft hat sich die Mitgliederzahl in den vergangenen Jahren verringert: viele sind gestorben. "Junge Leute können sich für das Hobby nicht begeistern", bedauert Ulrich Kotte. Dabei sei ein Borgward oft nicht teurer als ein VW Golf. Kostspielig sei vor allem die originalgetreue Restaurierung.
In Ersatzteile, Lack und neue Polster hat auch Hartmut Loges viel investiert. "Für das Geld hätte ich mir wohl ein Haus bauen können." Wenn er sein erstes Isabella-Coupé beschreibt, gerät er noch immer ins Schwärmen: "Weiß mit roten Sitzen und ein Becker-Mexico-Radio - dieses Coupé war mein Traum. Wenn ich mit so einem schicken Wagen durch die Gegend fuhr, war ich der King."
Quelle: Von Verena Lörsch, dpa