MOTOR-TALK unter Land-Rover-Defender-Fans: Wir begriffen Stau als Wettkampf. Die Jugend als Ursprung des Offroad-Drangs. Und wie unterschiedlich V8-Motoren sein können.
Bad Kissingen – Kolonnenfahren ist für Konformisten. Also nichts für Besitzer eines Offroaders in der Formensprache der späten 50er-Jahre. Und weitgehend ohne Komfort, dafür aber mit Technik, die sich mit einem Hammer reparieren lässt. Ein „Go anywhere“-Sticker klebt auf dem Heck vieler Land Rover Defender, fahr überall hin. Will heißen: Überall dort hin, wo die breite Masse nicht ist. Weil sie die Anfahrt nicht wagt. An diesem Tag ist das Terrain keine Herausforderung. Die schmalen Landstraßen um Bad Kissingen sind so bevölkert wie die Zufahrt zum Shopping-Center früher zum Sommerschlussverkauf. Mit Land-Rover-Modellen, ausschließlich. 632 Fahrer wollen ins Guinness-Buch der Rekorde, für die längste Landy-Parade der Welt. Der bisherige Guinness-Bestwert liegt irgendwo im Bereich von 500 Fahrzeugen. Beim ersten Blick auf den Vorbereitungsparkplatz wird klar: Ohne die Defender-Exemplare bräuchte man hier erst gar nicht loszufahren. Eine denkbar anschauliche Darstellung des Begriffs „Kernmodell“. Neues Blubbern Den gibt es noch fast neu. Die Klassik-Abteilung in Coventry baut 150 gut erhaltene Exemplare (Baujahr nach 2012, maximal 32.000 Kilometer) auf, versieht sie mit dem 5,0-Liter-Aggregat aus dem Konzernregal. In den stärksten Jaguar und Land-Rover-Modellen erhöht ein Kompressor den Druck, hier saugt der Motor frei. Der stärkste jemals gebaute Defender ist er auch so. Ich trete aufs Gas, die Achtgang-Wandler-Automatik schaltet nach kurzer Überlegung zurück. Das System weiß: Im Drehzahl-Keller geht hier nicht allzu viel. Wellengang mit 405 PSDas Spitzen-Drehmoment von 515 Newtonmetern liegt bei 5.000 Umdrehungen an, die maximale Leistung bei 6.000 Touren. Gefühlt wird es ab rund 4.000 Umdrehungen interessant. Beziehungsweise herausfordernd: Ein Defender Works V8 läuft nicht einfach geradeaus. Man arbeitet am großen Lenkrad wie ein Schiffskapitän: Die Mittelstellung ist ein theoretisches Konstrukt, in irgendeine Richtung muss man immer ausgleichen. Bei Spurrillen wird es kniffelig. Übelnehmen werden ihm die Markenfans das nicht. Zum Glühen und Scheitelpunktejagen kauft niemand ein solches Auto, stellt ein Defender-Besitzer mit schweizerischem Akzent später klar. Und: Auch nicht unbedingt wegen der Geländekompetenz. Der Defender Works V8 wird am Clubstammtisch mitunter kritisch betrachtet. Leistung schön und gut, doch mit den ganzen Änderungen am Fahrwerk sei das kein echter Defender mehr – so der Tenor unter den Traditionalisten. Land Rover verbaut etwas härtere Dämpfer und andere Stabilisatoren. In den Radkästen stecken 18-Zöller. Wir können beruhigen: Der Works V8 wird dadurch nicht zum typischen „Flachbahner“. Die Steigfähigkeit erprobten wir an diesem Tag nicht. Auf dem asphaltierten Teil der Rekordstrecke neigt sich der Aufbau in zügigen Kurven etwas. Auf dem geschotterten Geläuf lässt er uns Schlaglöcher spüren, aber nicht fürchten. Die Acht von 1988Ob sich ein echter Defender so fahren soll? Wir steigen um in ein klassisches Modell. Einen Defender, der älter ist als die Modellbezeichnung. Der hellblaue Kasten kam 1988 als 110 auf den Markt – abgeleitet vom Radstand in Zoll. Daneben gab es den Land Rover 90. Seit 1990 heißen sämtliche Varianten Defender. Der größte Unterschied zur neuesten Kreation mit acht Brennräumen: Das Aggregat des Urahns fühlt sich im unteren Drehzahlbereich zu Hause. Es spricht unglaublich rasch an. Im oberen Bereich wird das Auto dann wesentlich lauter, aber kaum schneller. Bei 2.500 Umdrehungen stehen 253 Newtonmeter bereit, die maximale Leistung kommt bei 5.000 Umdrehungen. Kontrollieren lässt sich das nur schwer, einen Drehzahlmesser gibt es nicht. Die Art der Gemischaufbereitung verstärkt den Eindruck eines „Traktor-Motors“: Vergaser-Aggregate reagieren früher auf die ersten Zentimeter des Pedalweges. Zum Spritsparen taugt die Technologie bekanntlich nicht. Für den neuen Works-V8 liegen noch keine Verbrauchsangaben vor. Denkbar, dass das knapp dreimal so starke Fahrzeug im Alltag sparsamer fährt. Besitzer des Youngtimers berichten von jenseits der 20 Liter auf 100 Kilometern. Dafür kommt man im Klassiker entspannter vorwärts. Kann mit geringer Drehzahl (und weniger Ausschlägen nach links und rechts) gleiten. Im holprigen Teil der Rekord-Strecke ähnelt der Eindruck dem im Works-SUV. Der Land Rover 110 hat mit Unebenheiten kein Problem, filtert sie aber nicht immer ganz weg. Stau als Wettkampf-Disziplin „Bitte maximal zwei Fahrzeuglängen Abstand und das Auto immer am Fahren halten“ ertönt es aus den Radios der Land und Range Rover. Die Organisatoren richteten eine eigene Frequenz ein. Das hilft bei der Abstimmung und bedeutet am Ende: Rekord. Natürlich mit zünftiger Rekordfeier. Die wird in Bad Kissingen wohl noch bis zum offiziellen Veranstaltungsende heute Abend dauern. Die Offroad Fans gemeinsam mit den Langstrecken-Abenteurern und den Fahrern mit Klassik-Faible. Inmitten von hunderten Autos, die irgendwie außerhalb der automobilen Zeitrechnung existieren. Preis: Irgendwo zwischen 16.000 und 170.000 Euro Und irgendwie passt der alte "Traktor-Motor" besser zum Defender. Er wirkt unaufgeregter und - natürlich - authentischer. Schneller ist man zwar im V8 Works, aber auf keinen Fall entspannter. Der 110er lässt den Puls allenfalls an der Zapfsäule steigen. Wer ein nagelneues Modell möchte, muss bis Ende des Jahres auf den Nachfolger warten. Der soll dem klassischen Stil entsprechen. Mit einem V8 rechnen wir erst zu einem späteren Zeitpunkt. Akzeptiert wird man in dieser Gemeinschaft wohl unabhängig vom Aggregat. Non-Konformisten scheinen da recht tolerant. Technische Daten
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