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70 Jahre Unimog: Unterwegs im Multitalent - Zwei Kartoffelreihen Autogeschichte

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Wer viel arbeitet, darf auch viel feiern. So gesehen könnte der Unimog ständig Geburtstag haben. Wir nutzen seinen 70. und lassen uns ordentlich von ihm durchschütteln.

Unimog U 25 401 von 1955: Fast 20 Jahre war der kleine Kerl der Baureihe 401 für die Berliner Stadtreinigung im Einsatz, zusammen mit 27 vierrädrigen Brüdern Unimog U 25 401 von 1955: Fast 20 Jahre war der kleine Kerl der Baureihe 401 für die Berliner Stadtreinigung im Einsatz, zusammen mit 27 vierrädrigen Brüdern Quelle: Daimler

Gaggenau – „Jetzt Vollgas.“ Die Ansage vom Beifahrersitz kommt ganz entspannt mit badischem Zungenschlag. Der Sechszylinder dreht hoch, er stampft, das Getriebe summt. Wir schieben mühelos den Berg hinauf. „100 %“ steht auf dem blauen Schild davor. 45 Grad Steigung also. Das steile Stück ist nur kurz, oben geht der Fuß vom Gas. Kontrolliert rollt der Lkw bergab.

Immer nur arbeiten, arbeiten, arbeiten. Dabei ist unser grauer Unimog U 1100 L (Baureihe 416) auch nicht mehr der Jüngste. Im Jahr 1979 lief er in Gaggenau vom Band, jetzt schuftet er immer noch. Nur eben im Museum. Er lässt sich von Laien wie mir ungelenk über den Offroad-Parcours dilettieren. Klaglos, scheinbar ohne Mühe. Monströse Bodenwellen nimmt er im Standgas, Vollgas an der Steigung braucht er nur wegen der 800 Kilo Ballast, die er hinter der Doppelkabine auf der Pritsche mitschleppt.

So war das immer, der Unimog war von Anfang an ein Malocher, ein Schwerstarbeiter. Und wer arbeiten kann, darf auch feiern. Also begeht der Unimog einen seiner 70. Geburtstage in diesem Jahr. Das Jubiläum hätte auch schon 2015 (erste Entwürfe) stattfinden können. Oder erst 2017 (erste Präsentation), 2018 (Serienproduktion) oder 2021 (der Unimog wird ein Mercedes). Eigentlich egal.

Das Familientreffen offenbart das Wachstum des Unimog. Der 2010 (vorn rechts) war gut drei Meter lang, beim U 5023 (zweite Reihe, zweiter von rechts) misst allein das Fahrwerk doppelt so viel Das Familientreffen offenbart das Wachstum des Unimog. Der 2010 (vorn rechts) war gut drei Meter lang, beim U 5023 (zweite Reihe, zweiter von rechts) misst allein das Fahrwerk doppelt so viel Quelle: Daimler

Der Ur-Unimog 2010: Jungfernfahrt im Jahr 1946

Oder eben nicht. „Ich habe gesagt, nein, ich will die Jungfernfahrt.“ Hans-Jürgen Wischhof ist resolut, stets hellwach und begeistert. Egal, ob er über Arbeitsbreiten in der Landwirtschaft, die EU oder den Unimog spricht. Gern sagt der Mittsiebziger: „Das ist so!“ Und dann ist das eben so: Am 9. Oktober 1946 also wurde der Unimog offiziell geboren. Da ging das erste Fahrwerk auf Erprobungsrunde.

Ein Jahr zuvor hatte Albert Friedrich die ersten Entwürfe eines Unimog skizziert. Schon damals waren vier gleich große Räder geplant. Kein Traktor, sondern ein „Motorgetriebenes Universalgerät für die Landwirtschaft“ – mit einer Spurbreite für zwei Kartoffelreihen. Im Jahr 1948 war die Serienfertigung bei Boehringer in Göppingen gestartet. Doch das Projekt wird schnell zu groß für die Werkzeugmaschinenfabrik. Nach 600 gebauten Unimog mit einem gehörnten Ochsenkopf als Logo übernimmt Daimler das Projekt. Die Fertigung zieht nach Gaggenau, 1951 beginnt dort die Serienproduktion. Die ersten Modelle der Baureihen 2010 und 401 hatten 25 PS und fuhren maximal 50 km/h schnell.

Die Portalachsen, bei denen die Achse oberhalb der Radmitte verläuft, gehörten schon vom ersten Jahr an zu den Merkmalen des Unimog Die Portalachsen, bei denen die Achse oberhalb der Radmitte verläuft, gehörten schon vom ersten Jahr an zu den Merkmalen des Unimog Quelle: Daimler

Fast 20 Jahre für die BSR im Einsatz

Dafür sind sie laut. Und heiß. Zum Beispiel der beigefarbene U 25 von 1955, der bis 1974 für die Berliner Stadtreinigung im Einsatz war. Der kleine 1,8-Liter-Diesel unter der Blechhaube springt klaglos an und erfüllt das Führerhäuschen mit Getöse. Mit dem ersten der sechs Vorwärtsgänge halten wir uns nicht auf. Anfahren geht genauso im zweiten oder dritten Gang. Der Unimog schiebt langsam los. Nach wenigen 100 Metern tropft der Schweiß von der Stirn. Stadtreinigung war ein noch härterer Job damals. Über grobe Bodenwellen und durch tiefe Furchen rollt der Kleine immer noch ohne Probleme, nur die Halterung für den Schneepflug vorn schränkt die Geländetauglichkeit ein.

Jahrzehnte später hat sich viel verändert, aber ein paar grundsätzliche Dinge sind seit dem ersten Entwurf geblieben: Portalachsen, Leiterrahmen, Schraubenfedern. Und natürlich: zuschaltbarer Allradantrieb und ebenso zuschaltbare Sperrdifferenziale an Vorder- und Hinterachse. Teuer in der Produktion, aber wo der Unimog nicht hinkommt, kommt niemand hin. Jedenfalls nicht auf dem Landweg. „Der Unimog kann nicht schwimmen und nicht fliegen“, sagt Wischhof. Das seien seine einzigen Schwächen.

Immer noch spartanisch eingerichtet. Aber nicht zuletzt wegen des Benziners aus dem Mercedes 220 fährt der Unimog S 404 viel ruhiger Immer noch spartanisch eingerichtet. Aber nicht zuletzt wegen des Benziners aus dem Mercedes 220 fährt der Unimog S 404 viel ruhiger Quelle: Daimler

Unimog S 416 von 1963 besser als neu

Wischhof ist parteiisch, könnte man sagen. Oder auch: Er muss es wissen. Bis zum Jahr 2003 war Wischhof Unimog-Chef, 14 Jahre lang. Davon losgekommen ist er nicht. Das Unimog-Museum in Gaggenau hat er mitgegründet, sein frisch restaurierter Unimog S der Baureihe 404 von 1963 steht heute davor.

Es ist eine Doppelkabine, mit Stoffverdeck frisch vom Sattler. Geschätzte fünf Exemplare in dieser Konfiguration gibt es laut Wischhof. Dabei wurden von keinem Einzelmodell mehr gebaut als vom Unimog S. Gut 65.000 sind es, Wischhofs kam als Zweisitzer zur Welt, wurde aber von der Firma Glas zur Doppelkabine umgebaut. Jetzt steht er besser da als neu.

Wir steigen in einen 404 von 1964, der mal dem Schweizer Militär gehörte. Nach der Fahrt im 401 von 1955 fühlt sich der nach deutlich mehr als neun Jahre Entwicklungsabstand an. Der Hebel fürs Zuschalten von Allrad oder Differenzialsperren ist der gleiche, auch die Schalthebel, die aus dem Blech ragen (einer für die sechs Gänge, ein kleiner für vorwärts und rückwärts), doch beim Starten des Motors wird klar: die Schweizer Soldaten hatten Glück, dass das französische Militär Unimog einen Benziner ins Lastenheft geschrieben hatte.

Schon 1955 wurde die Baureihe 404 eingeführt. Der Unimog S wird von einem 2,2-Liter-Benziner angetrieben, die französische Armee wollte das so Schon 1955 wurde die Baureihe 404 eingeführt. Der Unimog S wird von einem 2,2-Liter-Benziner angetrieben, die französische Armee wollte das so Quelle: Daimler

Der meistverkaufte Unimog mit Oberklasse-Motor

Der 2,2-Liter-Sechszylinder läuft seidenweich und ruhig – im Vergleich zum 1,8-Liter-Diesel OM 636 des U 25. Kein Wunder, der M 180 wurde für den Mercedes 220 entwickelt, die S-Klasse der 1950er. Im Unimog leistet er 82 PS und schickt 143 Nm an die vier Räder.

Die wuchsen von Generation zu Generation, genau wie der Unimog selbst. Anfangs lag sein Radstand mit 1,72 Metern noch unter dem eines Smart Fortwo. Beim Unimog S passt der schon bequem zwischen die Achsen (2,90 Meter). Unsere Doppelkabine vom Anfang kommt auf 3,40 Meter, der aktuelle U 5023 hat einen Radstand von 3,85 Meter.

Eine Macht im Gelände ist der Koloss mit bis zu 13 Tonnen Gesamtgewicht trotzdem noch. Egal, ob in der Wüste Taklamakan oder bei der Waldbrandbekämpfung in Südfrankreich. Aus 25 PS sind inzwischen 231 PS geworden, aus den 1,7 Litern Hubraum des Ur-Unimog wurden inzwischen 5,1 Liter.

Hier arbeitet ein 5,7 Liter großer Sechszylinder-Diesel unter der Haube, 110 PS und 318 Nm mussten die bis zu sieben Tonnen schieben Hier arbeitet ein 5,7 Liter großer Sechszylinder-Diesel unter der Haube, 110 PS und 318 Nm mussten die bis zu sieben Tonnen schieben Quelle: Daimler

Autobahn statt Landwirtschaft

Das ist allerdings Downsizing. Die Baureihe 416 hatte zwar nur 110 PS und 318 Newtonmeter, schöpfte die Kraft aber aus einem 5,7 Liter großen Sechszylinder (OM 352). Das aktuelle Baumuster (437.437) wird als 5023 von 231 PS und 900 Nm angeschoben. Fast schon komfortabel überwindet man damit Steigungen, Wasserlöcher, Baumstämme, Geröllfelder und alles andere, was einem die Natur oder Krisen in den Weg legen.

Das ist der eine Einsatzbereich des Unimog. Ansonsten ackert er hauptsächlich für Kommunen, die Autobahnmeisterei, die Stadtreinigung. „Der Unimog ist ein Geräteträger. So ist er entwickelt worden“, sagt Wischhof. In seine Zeit als Unimog-Chef fällt die Aufspaltung in zwei Zweige: Transport und eben Geräte. Früher kam er vor allem auf dem Feld zum Einsatz. Als Ernte- oder Pflanzhelfer, zum Eggen, Pflügen oder für den Transport.

Doch mit der Industrialisierung in der Landwirtschaft änderten sich die Einsatzgebiete. „Heute findet der Kampf an der Autobahn beim Mähen statt“, sagt Wischhof. Unter anderem. Oder auf Bahngleisen, bei der Müllabfuhr, beim Pflanzenschutz, bei Rettungsdiensten, auf Expeditionen oder im Motorsport. Da kann man gerne öfter runde Jubiläen feiern.

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