VW-Manager flogen mit Firmenjets in den Urlaub. Eine Frage der Firmenkultur - oder Nicht-Kultur. Dabei wirft die Rechtsform der VW-Flugzeugflotte seit Jahren Fragen auf.
Wolfsburg –Rund 14.000 Jobs netto will Volkswagen in Deutschland streichen. Ein heikler Hintergrund für Schlagzeilen über ein Managerleben in Saus und Braus. Solche, wie sie an diesem Wochenende die „Bild am Sonntag“ geschrieben hat. Wie die Zeitung berichtet, war es bei VW in früheren Jahren offenbar üblich, dass Vorstände die Flugzeugflotte des Konzerns für Urlaubsflüge nutzen durften – teilweise sogar mit Familie. Volkswagen leistet sich, wie andere Konzerne dieser Größenordnung, eine eigene Flugzeugflotte. Damit Vorstände, Ingenieure, Mitarbeiter schnell von A nach B kommen. Beziehungsweise aus Wolfsburg oder Ingolstadt zu den quer über die Welt verteilten Standorten der 12 Konzernmarken. Quelle: dpa/Picture Alliance Nach Chattanooga in den USA, nach Chakan in Indien oder nach Martorell in Katalonien. Die Privatmaschine ist Statussymbol und Erfordernis zugleich für Topmanager, die schneller sein müssen als der Linienflugplan. Und die keine geheimen Telefonate in der Business-Class der Lufthansa führen wollen. Piech unterband die UrlaubsflügeDass diese Flugzeuge bei VW ab einer gewissen Hierarchieebene auch Mitarbeiter in den Urlaub fliegen, hat mit diesem Zweck nichts zu tun. So sah das der ehemalige Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch offenbar auch. 2014 unterband er dies. Piëch habe die Reisekosten der Vorstände einzeln untersuchen lassen – die Kosten für private Flüge mit Firmenjets waren offenbar zu stark gestiegen. Die privat angefallenen Reisekosten seien dann freiwillig zurückgezahlt worden - laut der Deutschen Presse Agentur (dpa) habe es sich um sechs- bis siebenstellige Beträge gehandelt. Ein VW-Sprecher sagt: "Die Vorstände haben Firmenflugzeuge stets in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Nebenleistungskatalog genutzt." Dieser Katalog sei 2014 „konkretisiert worden“. Eine Untersuchung habe ergeben, dass die Ausgaben „nach den geltenden steuerlichen Grundsätzen korrekt behandelt“ wurden. Die Praxis, die Piëch abschaffte, passt gefühlt zu dem Konzern, in dem „VW-Skandal“ bis zum September 2015 für Sexparties stand – und sie gehört zum Ballast des VW-Konzerns, der heute Demut und Aufbruch proklamiert, sowie Zehntausende Gürtel enger schnallen will. VWs karibische FluggesellschaftIn die Schlagzeilen gerät Volkswagen mit seinem Flugbetrieb nicht zum ersten Mal. Dafür ist dessen Geschichte zu sehr Wirtschaftskrimi-Räuberpistole mit (fast) allem, was dazugehört: Palmen, Briefkastenfirmen, Geheimniskrämerei. Wer im Internet nach Informationen zur Fluggesellschaft Lion Air sucht, findet einiges, zum Beispiel einen Hubschrauberdienst auf den Philippinen, einen Linienflieger in Thailand. Zur Lion Air Services Incorporated jedoch findet man fast nichts aus erster Hand – außer einer Tabellenzeile in der Beteiligungsübersicht der Volkswagen AG. Die Lion Air Services, 100-prozentige Tochter der Volkswagen AG, hat den Geschäftssitz auf den Cayman Islands. Die Inselgruppe in der Karibik gehört zum Vereinten Königreich. Der Flugbetrieb der Volkswagen AG findet jedoch nicht hier statt - logisch, denn deren Zentrale liegt in Wolfsburg. Am Firmensitz in der Inselhauptstadt George Town hängt praktisch nur ein Briefkasten. Das Prunkstück wird verkauftStationiert ist die VW-Flotte nicht unter karibischen Palmen, sondern am kleinen Flughafen Braunschweig. Praktisch als Hauptmieter. Das Prunkstück der Flotte sollte eigentlich verkauft werden, das hatte VW-Chef Matthias Müller im Dezember 2015 angekündigt: ein Airbus A 319, Baujahr 2000, mit edler Business-Ausstattung. „Das Flugzeug hat bislang noch keinen neuen Nutzer, es ist aber bereits für einen seriösen Bieter reserviert und nicht mehr für den Volkswagen-Konzern im Einsatz“, teilt uns der Konzern auf Nachfrage mit. Der Verkauf könne kurzfristig vollzogen werden. Quelle: Airbus Dann wird VW nach eigenen Angaben noch über insgesamt neun Flugzeuge verfügen: Sieben Business-Jets von Dassault und zwei Cessna. Hinzu kommen nach Bedarf gecharterte Maschinen externer Dienstleister. Zum Vergleich: Die Ford Motor Company betreibt laut der Online-Datenbank „airframes“ derzeit drei Jets. VW hat stets verneint, dass die Jets zur „Steueroptimierung“ in der Karibik registriert wurden. Die Leasingraten der Flugzeuge würden regulär über die Volkswagen Group of America versteuert. Die Registrierung in der Karibik soll vielmehr die „Identifizierung des Halters der Flugzeuge“ erschweren und so die Sicherheit der Wirtschaftslenker verbessern. Außerdem nannte VW gegenüber der „Welt am Sonntag“ die unkomplizierte Zusammenarbeit mit der Luftfahrtbehörde der Cayman Islands als Vorteil. Alles alte Kamellen?Handelt es sich beim Thema private Freiflüge wirklich nur um alte Kamellen? Im Oktober 2015 berichtete die „Bild am Sonntag“: Alle Konzernvorstände, viele Vorstände der zwölf Marken sowie etliche Generalbevollmächtigte hätten in ihren Verträgen die Zusage für Gratis-Heimflüge. Seitdem hat VW etliche Vorstandsposten neu besetzt. Wurden bei dieser Gelegenheit die Verträge geändert? Dazu möchte sich VW nicht äußern, unter Verweis auf „interne Vertragsdetails und Regelungen“. Vorstände hätten Firmenflugzeuge stets in Übereinstimmung mit dem für sie geltenden Nebenleistungskatalog genutzt. Ein Privileg also, das Führungskräfte im Einklang mit ihrem Arbeitsvertrag weiterhin genießen. Konzern und Manager haben sich also stets vertragstreu, und seit 2014 auch ethisch einwandfrei, verhalten. Ersteres allerdings stand nie in Abrede – wohl aber der moralische Kompass, der zu solchen innerbetrieblichen Regelungen führte. In einem Konzern, der immerhin zu einem Fünftel der öffentlichen Hand gehört – und der in Deutschland 14.000 Stellen streichen möchte. |