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Alfa Romeo Giulia ZAR (952) 3.0 QV Test

16.12.2019 21:25    |   Bericht erstellt von Annersch

Testfahrzeug Alfa Romeo Giulia ZAR (952) 2.9 QV
Leistung 510 PS / 375 Kw
Hubraum 2891
HSN 1742
TSN AAZ
Aufbauart Limousine
Kilometerstand 45000 km
Getriebeart Automatikschaltung
Erstzulassung 3/2018
Nutzungssituation Privatwagen
Testdauer mehr als ein Jahr
Gesamtnote von Annersch 4.0 von 5
weitere Tests zu Alfa Romeo Giulia ZAR (952) anzeigen Gesamtwertung Alfa Romeo Giulia ZAR (952) (seit 2016) 4.5 von 5
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Einleitung

Die Giulia wird ganzjährig täglich auf 2/3 Autobahn und je 1/6 Landstraße bzw. innerorts bewegt. Zusätzlich auch mal ein paar Runden über eine Rennstrecke oder diverse Trainings bei Fahrsicherheitszentren. Das Fahrzeug ist serienmäßig, dass Fahrprofil besteht zu 95% aus Race-Mode mit manueller Gangwahl (AT8).

Karosserie

3.0 von 5

Großgewachsene Menschen mit normalen Körperproportionen finden vorn ordentlich Platz, man fühlt sich zu keiner Zeit eingeengt. Die vielfach verstellbaren elektrischen Sportsitze unterstützen dabei, eine richtige und angenehme Sitzposition zu finden. Im Fond ist dies durch eine etwas eingeschränktere Kopffreiheit erschwert, dennoch sind die Platzverhältnisse ausreichend. Die Giulia ist an keiner Stelle ein Platzwunder, dafür merkt man ihr ihre Orientierung zum Fahrer hin an. Der Kofferaum ist tief und flach, die 480 Liter stehen aber trotz der relativ kleinen Öffnung durchaus zur Verfügung.

 

Das verwendete Material im Innenraum wird dominiert von Leder mit Ziernähten und Kohlefaser. An den weniger gut zu erreichenden Stellen sitzt auch mal weiches Plastik. Der Automatikgangwahlhebel aus Plastik dürfte hochwertiger sein, besser man greift hier zu den hervorragenden Aluminiumschaltpaddles. Haptische Untersuchungen lassen keine ernsthaften Zweifel an der guten Verarbeitungsgüte im Innenraum aufkommen.

 

Die Übersichtlichkeit durch die Frontscheibe ist abgesehen von der breiten A-Säule, gut. Nach hinten ist sie limousinentypisch eher schlecht. Dies wird durch einen guten Überblick über die Seitenspiegel jedoch ausgeglichen.

Galerie
Testkriterien
Platzangebot vorn: eng geräumig
Platzangebot hinten: eng geräumig
Kofferraum: klein groß
Übersichtlichkeit: schlecht gut
Qualitätseindruck: minderwertig hochwertig
Fazit - Karosserie
  • + betörendes Design
  • - das verwendete Material unterhalb der Beckenlinie wird Luxusansprüchen nicht gerecht

Antrieb

4.0 von 5

Der F154 2.9 V6 90° Biturbo ist bei allem was er tut purer Genuss. Die Leistung liegt der Drehzahl entsprechend an, nimmt also konsequent und kraftvoll zu. Das Hochschalten erfolgt dann nahezu unmittelbar, die kurze Zugkraftunterbrechung wird vehement mit Leistung zugeschüttet. Die Schaltvorgänge sind je nach anliegender Leistung butterweich oder aber ein Tritt ins Kreuz. Der Motor dreht feurig bis in den Begrenzer bei 7000 upm und verharrt dort in Erwartung eines Schaltbefehls (-> manueller Modus, runtergeschalten wird automatisch ab 1500 upm). Das Getriebe an sich leistet sich überhaupt keine Schwächen, die ZF 8 HP 75 ist ein wunderbares Getriebe.

 

Das maximale Drehmoment von 600 Nm liegt erst bei 2500 upm an, manche Konkurrenten erreichen es früher (RS4/5 bei 1900 upm) oder bieten mehr (C63 S AMG 700 Nm). Die Giulia punktet dafür mit ihrer wunderbar drehzahlorientierten Motorcharakteristik: die Leistungskurve bildet kein Plateau oder flacht gar ab, ganz im Gegenteil erhält das Aggregat sein feuriges Temperament bis in die letzten Winkel des Drehzahlbandes.

 

Bei normaler Fahrweise (z. B. Autobahn 150 km/h) ergeben sich Verbräuche um die 12,5 Liter. Viel mehr geht natürlich auch. Mit Zylinderabschaltung und Tempomat bei 120 km/h kann man 9-10 Liter schaffen. Angesichts des Tankvolumens von nur 58 Liter ergibt sich oftmals eine Reichweite unter 500 km. Der Verbrauch ist für die gelieferte Leistung angemessen, ein größerer Tank hätte der Giulia aber gut getan.

Testkriterien
Motorleistung: schwach stark
Durchzug: unelastisch elastisch
Drehfreude: zäh agil
Getriebe/Schaltverhalten: schlecht gut
Verbrauch: durstig effizient
Reichweite: gering hoch
Fazit - Antrieb
  • + Motor mit Charakter; kraftvoll und drehfreudig zugleich
  • + perfekt abgestimmte Automatik, die auch im manuellem Modus weitgehend Freiheit lässt
  • - kleiner Tank, kurze Reichweite

Fahrdynamik

4.5 von 5

Die Lenkung ist sehr direkt und gleichzeitig präzise. Gewöhnt man sich daran, bewegt man sich spielerisch und intuitiv durch die Kurven. Trotzdem ist der Geradeauslauf auch bei höherer Geschwindigkeit sehr stabil. Anregungen durch die Fahrbahn sind zwar spürbar, bringen die Giulia aber nicht aus der Spur. Nick- und Wankbewegungen bei schnellen Lastwechseln unterdrückt das Fahrwerk konsequent. Der mechanische Grip an der Hinterachse ist durch die günstige Achslastverteilung (50/50) beeindruckend. Wer mit Gefühl und Konzentration ans Gas geht, kann längs- wie querdynamisch erhebliche Leistung auf die Hinterachse loslassen. Im Race-Modus fühlt man sich besonders mit der Giulia verbunden, auch wenn man wegen des ausgeschalteten ESP besonnen agieren muss. Driften ist auf (abgesperrter) Strecke mit einigem Gierwinkel möglich, wenn es auch ein wenig Übung bedarf. Macht man sich fahrphysikalische Zusammenhänge bewusst, kann man das Fahrzeug auch im Winter sicher im Race-Modus bewegen, was mir hier als Argument dafür dienen soll, wie gut die Giulia trotz der Leistung austariert ist.

Testkriterien
Wendekreis: groß klein
Beschleunigung: langsam schnell
Lenkung: schwammig direkt
Bremsen: schwach standfest
Fahrverhalten: unausgeglichen ausgeglichen
Kurvenverhalten: unsicher sicher
Wendigkeit: träge agil
Fazit - Fahrdynamik
  • + sehr agiles, ausgeglichenes Fahrverhalten
  • + trotz der Leistung gut kontrollierbar und sicher
  • - großer Wendekreis mit Ackermann-Effekt

Komfort

3.5 von 5

Auf den serienmäßigen Sportsitzen sitzt es sich vorn bequem und sie lassen sich gut an die Körperkonturen anpassen. Wenn erst die richtige Sitzposition gefunden ist, hat man regelrecht das Gefühl, Teil der Maschine zu sein. Die adaptiven Dämpfer ermöglichen eine Spanne von relativ hohem Federungskomfort hin zu spürbar unnachgiebigerer Gangart. Wirklich hart wird die Federung nie. Hier passt der Satz, dass sportlich nicht unbedingt auch hart bedeuten muss.

 

Das Infotainment (Modelljahr 2018) ist im Vergleich unterdurchschnittlich. Es ist praktikabel und tut seinen Job, mehr aber auch nicht. Assistenzsysteme kann ich nicht bewerten, weil sie für mich keine Relevanz haben. Durch den Zylinderbankwinkel entstehen im Motorraum unausgeglichene Momente, die sich vor allem im Stehen als Vibrationen bemerkbar machen, was manchen stören könnte. Für mich fällt das in die Kategorie Charakter. Weniger dem Charakter zuzuschreiben sind allerdings die doch recht deutlichen Windgeräusche aus Richtung A-Säule bzw. Seitenspiegel.

Testkriterien
Federung (einstellbar): schlecht abgestimmt gut abgestimmt
Sitze vorn: unbequem bequem
Sitze hinten: unbequem bequem
Innengeräusche: laut leise
Bedienung: kompliziert intuitiv
Heizung/Klimatisierung: schwach wirkungsvoll
Fazit - Komfort
  • + komfortable, sportive Sitze mit gutem Halt
  • + Federung bietet gutes Verhältnis aus Komfort und Sportlichkeit
  • - unterdurchschnittliches Infotainment, wenige Assistenzsysteme

Emotion

4.5 von 5

Eigenständiges, charaktervolles Design mit kunstvoller Linienführung ohne aufdringlich oder künstlich zur wirken. Das können die Italiener. Auch der sportliche Grundtenor wird zumindest in der Q voll ausgelebt.

 

Die Giulia soll berühren. Der Motor kann von hintergründigem Brummen, über wütendes Knurren hin zu kehligem Brüllen alles. Gangwechsel von oder in hohe Drehzahlen werden von einem Gewehrschuss im Auspuff umgesetzt. Noch ehe dieser ganz verhallt ist, marschiert der Drehzahlmesser bereits dem nächsten Knall entgegen. Dabei entstehen je nach Last und Drehzahl unterschiedliche Abstufungen des Schaltgeräuschs. Zwar elektronisch initiiert, aber echt mechanisch umgesetzt ohne dabei nach Aufmerksamkeit schreien. Wenn das Fahrzeug laut wird, dann nur weil der Fahrer es so wollte und nie weil das Auto sich aufdrängt. Klasse abgestimmt Alfa!

Testkriterien
Design: langweilig attraktiv
Temperament (sportlich): ausbaufähig realisiert
Image: negativ positiv
Fazit - Emotion
  • + sportlich, schnell, emotional und mit Charakter
  • - die Zuverlässigkeitsfrage steckt Alfa Romeo leider immernoch in den Knochen

Unterhaltskosten

Verbrauch auf 100 km über 10 Liter
Inspektionskosten pro Jahr 700-1.000 Euro

Gesamtfazit zum Test

Aus diesen Gründen kann ich den empfehlen:

Wer gerne selbst fährt und dabei was erleben will kommt nicht an der Giulia vorbei.

- sehr überzeugende Motor- und Getriebekombination

- ernsthaft sportliche Talente bei nahezu voller Alltagstauglichkeit

- emotional, begeisternd und auffallend ohne sich aufzudrängen

Aus diesen Gründen kann ich den nicht empfehlen:

Wer Assistenzsysteme braucht/will/möchte und hinsichtlich des Infotainments technokratisch veranlagt ist, wird von der Giulia (MJ '18) enttäuscht.

Gesamtwertung: 4.0 von 5
Das Testfahrzeug erhielt im Test durchschnittlich 4.0 von 5 möglichen Sternen
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Kommentare: 1

Thu Dec 19 16:57:38 CET 2019    |    147_20

Was war den ausschlaggebend für die schlechte Bewertung bei den Innengeräuschen? Wind- und/oder Abrollgeräusche der Reifen?

Thu Dec 19 18:43:48 CET 2019    |    Annersch

Reifengeräusche fallen schlimmstenfalls bei sehr schlechten Straßen auf. Die Windgeräusche sind jedoch aus Richtung A-Säule bzw. Seitenspiegel recht auffällig.