Chevrolet Caprice 9C1 der etwas andere Caprice
28.06.2020 16:49 | Bericht erstellt von Dynamix
Testfahrzeug | Chevrolet Caprice 9C1 |
---|---|
Leistung | 208 PS / 153 Kw |
Hubraum | 5733 |
Aufbauart | Limousine |
Kilometerstand | 264000 km |
Getriebeart | Automatikschaltung |
Erstzulassung | 7/1993 |
Nutzungssituation | Privatwagen |
Testdauer | mehr als 5 Jahre |
Einleitung
Der Caprice 9C1 ist ein Hobbyauto das eher wenig bewegt wird. Der Wagen ist jetzt seit 2015 Teil unseres Fuhrparks und wird Stück für Stück in den Ursprungszustand versetzt bzw. teilrestauriert. |
Karosserie
Hier kann eine große Limousine naturgemäß punkten. Platz ist auf jeder Bank mehr als vorhanden. Der Caprice bietet sehr viel Beinfreiheit und Platz zu den Seiten, sodass man zu keiner Zeit auch nur irgendwie gequetscht sitzen muss.
Der Kofferraum ansich ist schön groß, allerdings stören die Bügel der Kofferraumklappe das Ladevergnügen ein wenig wodurch sich die volle Höhe des Kofferraums bei sperrigen Gegenständen nicht voll nutzen lässt. Ist aber prinzipbedingt und bei vielen Limousinen auch nicht anders.
Die Übersichtlichkeit ist gemessen an der Größe gar nicht mal soooo schlecht. Nach vorne und zu den Seiten hin hat man die Abmessungen schnell drin, Abzüge gibt es lediglich für die Übersichtlichkeit nach hinten da man hier aufgrund der bauchigen Form eher raten muss wo das Heck endet.
Der 9C1 kommt ab Werk eher in einer spartanischen Sparausstattung daher und meistens sind die Autos dazu nicht sonderlich gepflegt. Da leidet das Plastik im Innenraum leider im Zeitraffer. Man darf auch nicht vergessen das der Caprice kein teures Luxusauto war und Chevrolet nie eine Luxusmarke war. |
Platzangebot vorn: | eng | geräumig | |
---|---|---|---|
Platzangebot hinten: | eng | geräumig | |
Kofferraum: | klein | groß | |
Übersichtlichkeit: | schlecht | gut | |
Qualitätseindruck: | minderwertig | hochwertig |
- + Viel Platz für Passagiere
Antrieb
Unser Exemplar wurde mit einem 5,7 Liter V8 Small Block ausgeliefert, GMs meistproduzierter Motor schlechthin und auch der meistproduzierte Motor der Welt. 1993 war das letzte Modelljahr für den klassischen Small Block wie er seit 1955 mehr oder weniger unverändert produziert wurde. In diesem Falle noch mit einer Drosselklappeneinspritzung (bei GM kurz TBI genannt) aufgewertet um den Motor fit für die strengen US-Abgasgrenzwerte zu machen. Da diese Motoren noch brutal auf Sparsamkeit getrimmt wurden holt der Motor aus den 5,7 Litern gut 208 PS und 400 NM Drehmoment die für den Wagen aber mehr als ausreichend sind. Gerade weil die 9C1 eine entsprechend kurze Hinterachsübersetzung haben um einen guten Antritt von unten heraus zu erzielen.
In den Motoren schlummert ein unheimliches Potenzial für die Leistung, aber wie bereits erwähnt, hat GM die Motoren mit sehr restriktiven Köpfen und Nockenwellen "gesegnet" wodurch man die Motoren zwar durchaus sparsam fahren kann aber eben auch eher maue Literleistungen zustande kommen. Aber wie bereits gesagt ist man selbst mit den 208 PS nicht untermotorisiert. Man hat in jeder Lebenslage genug Durchzug für das kurze Überholmanöver zwischendurch und von unten heraus ist eh immer genug Leistung da, sodass sich der Motor beim anfahren auch nie gequält anfühlt.
Die Drehfreude ist in Ordnung, ist ja schließlich kein Hochdrehzahlmotor und wirklich träge fühlt sich der Motor nun wirklich nicht an.
Zu den Highlights zählt sicherlich das Getriebe. Im Caprice steckt das 4L60 Automatikgetriebe, hier noch ohne die elektronische Steuerung der späteren Modelljahre. Bei guter Wartung und Behandlung halten die Dinger wirklich ewig. Das Schaltverhalten ist genauso wie man es von einer Automatik erwartet. Immer zum richtigen Zeitpunkt, ohne Verhaspeln und immer schön geschmeidig. GMs Automatikgetriebe wurden nicht umsonst von vielen Herstellern zugekauft.
Der Verbrauch ist in unserem Falle nicht ganz repräsentativ, allein schon aufgrund der ganzen Aufbauten eines Streifenwagens welche den CW-Wert ziemlich ungünstig beeinflussen. Das ein V8 mit gut 1,8 Tonnen Leergewicht dann auch keine 5 Liter auf 100 Kilometer nimmt sollte irgendwie klar sein Darunter leidet dann auch ein wenig die Reichweite, trotz 90 Liter Tank!
Wer etwas sparsames sucht ist mit dem kleineren 5 Liter mit der langen Hinterachse deutlich besser beraten. Da fehlt dann zwar der Druck den der 5,7er bietet, aber dafür kann man den auch durchaus unter 10 Litern fahren wenn es auf die Langstrecke geht. |
Motorleistung: | schwach | stark | |
---|---|---|---|
Durchzug: | unelastisch | elastisch | |
Drehfreude: | zäh | agil | |
Getriebe/Schaltverhalten: | schlecht | gut | |
Verbrauch: | durstig | effizient | |
Reichweite: | gering | hoch |
- + Angenehmer Durchzug
- + Schön arbeitende Automatik
- - Mit Aufbauten kein Kostverächter
Fahrdynamik
Hier kann der 9C1 durchaus punkten, ist er doch genau dafür ausgelegt worden auch mal schnell durch eine Kurve zu eilen. Der Wendekreis ist beim Caprice generell nicht der größte wenn man die Länge bedenkt. Gut 11 Meter sind angegeben was nicht mehr ist als so mancher moderner Kleinwagen hat.
Wie bereits im Kapitel davor angedeutet, hat der Wagen mehr als genug Durchzug für alltägliche Situationen und es ist immer genug um einem ein kleines Lächeln auf die Lippen zu zaubern sobald sich das Gaspedal etwas stärker als üblich senkt
Die Lenkung arbeitet überraschend gut. Trotz des Alters lenkt sich der Wagen relativ direkt, man muss nicht erst 3 Meter am Lenkrad kurbeln bis der Wagen die Richtung wechselt. Man kann den Wagen mit kleinen Lenkbewegungen durchaus sensibel führen, man sollte nur nicht das allergrößte Feedback um die Mittellage erwarten. Hier merkt man eben das wir hier noch eine Kugelumlauflenkung haben und keine Zahnradlenkung. Dazu kommt die, typisch in dieser Klasse, starke Servounterstützung. Das macht das ganze um die Mittellage etwas gefühllos. Aber besser so als zu wenig Servounterstützung, da man sonst mit den 225er Reifen schon gut am kurbeln wäre bei dem Gewicht auf der VA. Seine zivilen Wurzeln kann der Wagen also nicht ganz verleugnen
Die Police Package Bremse ist für ein so altes Auto wirklich eine Wucht! Vorne kommt der Caprice mit massiven Schreiben daher welche von speziellen Police Package Belägen nach Kräften verzögern. Hinten kommt eine 11" Trommelbremse zum Einsatz die entsprechend der Größe auch gut Bremskraft liefert. Ist das Pedalgefühl auf den ersten cm etwas leichtgängig, so hat man doch einen guten Druckpunkt und ein fast schon modernes Bremsverhalten wenn man denn will. Hier war ich wirklich von dem Unterschied zu den zivilen Modellen überrascht. Da liegen vom Gefühl Welten dazwischen! Da überlege ich wirklich meinen zivilen auf die Police Package Beläge umzurüsten.
Das Fahrverhalten ist Police Package typisch sehr straff geraten. Nicht wirklich knüppelhart wie bei so manchen Hardcore Hot Hatch, aber man merkt schon das der Wagen selbst für ein altes Auto und besonders im Vergleich zu den zivilen Versionen sehr straff, ja fast schon hart abgestimmt ist. Kein Wunder, sind Federn und Dämpfer im Vergleich zur Serie doch 4x so hart. Entsprechend wenig Wankneigung zeigt der Caprice für so ein Schiff und auch schnelle Kurven lassen sich so stabil nehmen. Selbst bei Starkregen merkt man das sich das Fahrwerk nicht aus der Ruhe bringen lässt. So kann der Wagen durchaus mit modernen Autos mithalten was die Fahrstabilität angeht. Ich hätte keine Bedenken mit dem Wagen auch mal in höheren dreistelligen Tempobereichen unterwegs zu sein.
Der Wagen ist natürlich aufgrund der Größe und des Gewichts schon kein Ausbund an Agilität, aber gemessen an der Größe ist es eben doch schon wieder völlig in Ordnung. Wir reden hier von einem Auto mit 5,5 Metern Länge und gut 1,8 Tonnen Gewicht, da muss man in Dimensionen außerhalb von "Golf" denken |
Wendekreis: | groß | klein | |
---|---|---|---|
Beschleunigung: | langsam | schnell | |
Lenkung: | schwammig | direkt | |
Bremsen: | schwach | standfest | |
Fahrverhalten: | unausgeglichen | ausgeglichen | |
Kurvenverhalten: | unsicher | sicher | |
Wendigkeit: | träge | agil |
- + Stabiles Fahrverhalten
- + Ausreichend Kraft vorhanden
- + Sichere Kurvenlage mit kaum Wankneigung
- + Kräftige Bremsen für so ein altes Auto
Komfort
Da der 9C1 primär auf Verfolgungsjagden abgestimmt ist fährt er sich entsprechend eher sportlich als kompromisslos komfortabel. Der Geradeauslauf unterscheidet sich gar nicht mal so von den Zivilmodellen was auch zum großen Teilen dem langen Radstand geschuldet ist. Länge läuft
In den Kurven oder auf schlechten Untergründen bzw. Bodenunebenheiten merkt man aber dann eben doch das der Wagen mit der Abstimmung seiner zivilen Brüdern in Sachen Fahrwerk nicht mehr so viel gemein hat. Da knarzt es dann auch schon mal im Cockpit. Die Standardsitze vorne sind nicht so weich gepolstert wie die Lederpolster in den höherwertigen Modellen. Entsprechend gibt es hier auch ein bisschen Abzug. Die Sitze hinten sind dafür ironischerweise umso bequemer. Man versinkt förmlich in den Polstern. Serienmäßig kam der 9C1 vorne mit Stoffpolstern und hinten mit einem Kunstlederbezug.
Ein Streifenwagen sollte natürlich ab Werk mehr Arbeitsgerät als Wellnessoase sein und so ist auch der Innenraum eher spartanisch bzw. zweckmäßig geraten. Statt dem Teppichfußboden gibt es einen Gummibezug der gut abwaschbar ist. Warum dem so ist kann man sich denken wenn man an den ebenso gut abwaschbaren Kunstlederbezug der Rückbank denkt
Da es an dem Wagen nicht sonderlich viel zu bedienen gibt ist auch die Bedienung sehr einfach. Es gibt ein Radio, ein Klimabedienteil, Schalter für das Licht, Bedieneinheiten für die Fensterheber, einen Griff für die Handbremse, einen Hebel für die Lenkstockschaltung und einen Lenkstockhebel welcher Blinker und Scheibenwischer in sich vereinigt. That's it!
Da alle diese Teile beschriftet sind und auch entsprechend wenig Tasten haben hat man die meisten Sachen schnell drin. Dazu hat der Wagen einen großen und übersichtlichen Tacho mit Zusatzinstrumenten die auch tatsächlich funktionieren und nicht gedämpft sind um den Fahrer zu beruhigen. Neben den Klassikern wie der Tankanzeige und der Wassertemperatur gibt es noch eine Anzeige für die Laderegelung und eine Öldruckanzeige. Zusätzlich hat der 9C1 noch einen Drehzalmesser den es nur von 91-93 gab und auch da nur bei den 9C1 und LTZ (Topausstattung) Modellen. Garniert wird das ganze mit einem heutzutage fast schon kultigen Digitaltacho im LCD Stil. Wer in den 80ern und 90ern einen digitalen Radiowecker hatte wird wissen wie das Ganze in etwas aussieht Da die Tachos der 9C1 geeicht sind, haben diese auch nur eine geringe Abweichung von gut einer Meile pro Stunde. Vorausgesetzt man fährt die originale Reifengröße
Heizung und Klima sind, typisch amerikanisch, kräftig und geben keinerlei Grund zur Beanstandung. Besonders die Klima kühlt das große Auto effektiv auf angenehme Temperaturen herunter. |
Federung (sportlich): | schlecht abgestimmt | gut abgestimmt | |
---|---|---|---|
Sitze vorn: | unbequem | bequem | |
Sitze hinten: | unbequem | bequem | |
Innengeräusche: | laut | leise | |
Bedienung: | kompliziert | intuitiv | |
Heizung/Klimatisierung: | schwach | wirkungsvoll |
- + Sehr bequeme Rückbank
- + Einfache Bedienung
- + Gute Klimatisierung
Emotion
So ein alter Streifenwagen ist in Europa natürlich etwas besonderes und entsprechend freut sich so gut wie jeder wenn er das Auto sieht. Nicht selten bekommt man im Vorbeifahren einen Daumen nach oben aus dem Seitenfenster gehalten Einmal sind zwei Briten in einem GT500 neben mir voll in die Eisen gegangen um mir freudestrahlend alle Daumen entgegen zu halten die Sie hatten Dazu ist man mit dem Auto auch gerne auf diversen Events gesehen. Ich denke mehr Beispiele braucht es hier nicht
Das Temperament ist schon so wie ich mir einen Streifenwagen mit spezieller Abstimmung vorstellen würde. Wenn man beide Modelle vergleicht würde man kaum auf die Idee kommen das gleiche Modell zu fahren.
Ich persönlich mag das rundliche Design des letzten Caprice, welches ein ziemlicher Schritt war nach dem maximal kantigen Vorgänger im klassischen Three-Box Design. Für die eher konservativen Amerikaner war das Design seinerzeit eher ein Schock, weshalb der Wagen in 6 Jahren auch mehrere Modellpflegen bekommen hat. |
Design: | langweilig | attraktiv | |
---|---|---|---|
Temperament (sportlich): | ausbaufähig | realisiert | |
Image: | negativ | positiv |
- + Leute reagieren ausnahmslos positiv
- + Hat einen eigenen Charakter im Vergleich zu den Zivilmodellen
Unterhaltskosten
KFZ-Steuer pro Jahr | 300-400 Euro |
---|---|
Verbrauch auf 100 km | über 10 Liter |
Inspektionskosten pro Jahr | bis 100 Euro |
Gebrauchtwagengarantie | keine vorhanden |
Werkstattkosten pro Jahr | 1.500-3.000 Euro |
Haftpflicht | bis 200 Euro () |
Vollkasko | bis 200 Euro |
Gesamtfazit zum Test
Wer ein altes Full-Size Dickschiff mit dem gewissen Etwas in Sachen Fahrdynamik sucht wird hier fündig. Die Police Package Autos sind in Sachen Kühlung und Fahrwerk die härtesten der ganzen Baureihe.
Impala SS? Nur ein müder Abklatsch des Seriencaprice mit Tieferlegung, Breitreifen und einem Getriebeölkühler. Police Package Autos haben das volle Programm an Zusatzkühlern und halten auch Autobahntempo längere Zeit durch wenn denn alles funktioniert!
Wer das klassische, plüschige Ambiente sucht wird hier nicht wirklich fündig. Die Autos sind deutlich straffer als alles andere aus der Serienproduktion und das merkt man auf Unebenheiten auch.
Zusätzlich muss man mit dem typischen Police Package Ambiente leben. Die Autos sind in Sachen Ausstattung meist mehr als spartanisch und viele Extras aus der Serie fehlen. Beispiele? Tempomat? Fehlt! Lederausstattung? Wenn Vinyl noch als Leder zählt dann ja, ansonsten nicht. Teppichfußboden? Vergiss es.
All diese Extras bekam man nur wenn man das Classic Paket geordert hat was bei den 9C1 verdammt selten war. Diese Autos hat man möglichst günstig gekauft, es waren am Ende des Tages nur Werkzeuge.
Und zum Schluss muss man auch damit leben die Aufmerksamkeit aller auf sich zu ziehen, zumindest wenn der Wagen noch seine typische Polizeiausstattung aufweist.