1971 Ford Mustang Mach 1 Test
01.09.2017 22:48 | Bericht erstellt von spechti
Testfahrzeug | Ford Mustang 1 5.7 V8 |
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Leistung | 258 PS / 190 Kw |
Hubraum | 5752 |
Aufbauart | Sportwagen/Coupe |
Kilometerstand | 89000 km |
Getriebeart | Automatikschaltung |
Erstzulassung | 9/1970 |
Nutzungssituation | Privatwagen |
Testdauer | mehr als 5 Jahre |
Einleitung
Der große Mustang (1971-1973) war ein Kind seiner Zeit. Als er entwickelt wurde, waren die Horsepower Wars in vollem Gange. Die Entwicklungsziele waren von Ford-Entwicklungsschef Knudsen klar vorgegeben: die jungen Käufer des ersten Mustang sollten etwas mehr Platz und Luxus vorfinden, gleichzeitig sollte der Motorraum erstmals auch die größten und potentesten Ford V8 BigBlocks aufnehmen können, die man sich vorstellen konnte, ohne daß dafür Blechmodifikationen wie bei den Vogängerjahren durchgeführt werden mußten, in die die großen Ford V8 nur mit Tricks reinpaßten.
Als der Wagen im September 1970 als 1971er Modell in den Varianten Hardtop, Grandé (beide Stufenheck), Sportsroof, Mach 1 (beide Fließheck) und Convertible (Cabrio) die Verkaufsräume purzelzte, war die Party fast vorüber und die Versicherungen sowie die Umweltbehörde zog die Schlinge um den Hals der Hersteller von Hochleistungsautos zu. Nur im ersten halben Jahr gab es den (heute begehrten) 429 Cobra Jet (7,1 Liter) und den Boss 351 (5,8 Liter) als die heißesten Anwärter. Den 5,8 Liter-Motor aus der Cleveland-Reihe gab es noch in weiteren Leistungsstufen mit 2- und 4-fach-Vergaser. Ein Unikum stellte der kleine Basis-V8 302 (5 Liter) dar, der einzige Motor aus der Windsor-Familie. Nach unten rundete die Motorenpalette ein 4,1 Liter Reihensechszylinder die Motorenpalette ab.
Der Testwagen ist ein früher Mach 1 Fastback, produziert September 1970, mit 351 Cleveland V8 und Nennleistung von 280 SAE-PS. Das Mach 1-Ausstattungspaket umfaßt Zweifarblackierung in Acapulco blue und Argent, Ram-Air-Motorhaube, 9-inch Hinterachse mit 3.00:1 Untersetzung, Deluxe-Innenausstattung in blauem Zweifarb-Vinyl und passendem Dreispeichenlenkrad, Sportspiegel, Automatikgetriebe, Sportsroof-Karosserie, Kunststoffstoßstange in Wagenfarbe vorn.
Als Optionen wurden gewählt: 351 Cleveland-Motor mit Zweifachvergaser (Testwagen ist umgerüstet auf Vierfachvergaser, modifizierten Zylinderköpfen, Hydraulischer Rollernockenwelle und dementsprechenden Stößeln), Streifendekor, Klimaanlage, Sperrdifferential (Eaton True-Trac), Magnum 500 Felgen und Reifen 235/60R15, Heckspoiler (Händleroption).
Der Wagen wurde in einem aufwendigen Restaurierungsprozess in den Originalzustand versetzt. |
Karosserie
Die Karosserie besteht aus Stahlblech, die Schweller und einzelne Teile der Bodenruppe sind verzinkt.
Rostanfällig sind Bodenbleche, Kofferraumboden, Türunterkanten und besonders der Lüfterkasten vor der Windschutzscheibe. Die Reparatur dieser Partie ist etrem aufwendig und im Normalfall der wirtschaftliche Totalschaden für einen Mustang.
Stylingmerkmal Nummer eins dürfte wohl das Sportsroof-Heck sein. Das Heckfenster hat lediglich eine Neigung zur Ebenen von ca 14 Grad. Die Faszination wird allerdings mit einer desaströsen Sicht nach hinten und schräg hinten erkauft. Auch die recht kleinen Spiegel helfen dabei nicht sehr.
Der Platz vorn ist geräumig, hinten nur für Kinder unter 10 Jahre geeignet.
Der Kofferaum ist nicht wirklich klein, allerdings schränken das Reserverad in Vollgröße und die sehr kleine Klappe (beim Sportsroof) die Verwendung ein. Als Option war eine umlegbare Rückbanklehne erhältlich, die den Kofferraum entsprechend vergrößert.
Der Mustang war seinerzeit ein billiges Einsteigerauto mit sportlichen Aufrüstmöglichkeiten. Man sollte also von der Verarbeitung keine Wunder erwarten. |
Platzangebot vorn: | eng | geräumig | |
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Platzangebot hinten: | eng | geräumig | |
Kofferraum: | klein | groß | |
Übersichtlichkeit: | schlecht | gut | |
Qualitätseindruck: | minderwertig | hochwertig |
- + Atemberaubende Formen aus allen Betrachtungswinkeln.
- + Viel Platz vorne.
- + Geschmackvoll gestalteter Innenraum, der die Billigbauweise gut überspielt.
- - Schlechte Sicht nach hinten.
- - Relativ schlechte Schalldämmung.
- - Kopffreiheit eingeschränkt bei großen Fahrern.
- - Türfenstermechanik schlecht konstruiert.
Antrieb
Ganz klarer Pluspunkt ist hier der Motor. Der Ford 351 Cleveland V8 ist entwickelt worden als Performance-Motor und sollte da Bindeglied zwischen Small und Big Block werden. Tonnenweise Drehmoment und für US-Verhältnisse relativ hohe erreichbare Drehzahlen durch kurzen Hub. Sobald er läuft, läßt er wenig Zweifel darüber aufkommen, was er kann!
Mit etwa 1380 Kilogramm Auto haben 300 PS leichtes Spiel und die Fuhre geht gut voran. So richtig merkt man das erst, wenn man wieder in ein schwächer motorisiertes Auto steigt. Klar liegt das Leistungsniveau nicht auf dem eines heutigen Ferrari, aber im Kontext der damaligen Zeit war der Vortrieb mehr als angemessen.
Auch bei Tempi über 100 km/h kommt beim Tritt aufs Pedal noch mal ordentlich Schub. Spaß macht das allerdings nicht so wirklich, da es a) sehr laut wird und der V8 kein Leisetreter ist und b) Fahrwerk und Lenkung nicht auf Geschwindigkeiten über 150 km/h ausgelegt sind.
Die von den Machern angestrebte Domäne war ganz klar der Wochenendausflug auf den Dragstrip.
Die Dreigangautomatik schaltet unauffällig und am angenehmsten ist Cruising-Speed auf der Landstraße an einem schönen Tag mit runtergekurbelten Fenstern und Lynrd Skynrd im Radio.
Wegen der modifizierten Verdichtung benötigt der Wagen Super Plus Benzin. Mit anderen Kraftstoffen neigt der Motor zum Klingeln und die Zündung muß immer sauber eingestellt sein. Davon gehen im Schnitt 13-15 Liter/100 km durch den Vierfachvergaser. Der Tankinhalt ist mit 22 Gallonen ausreichend bemessen. |
Motorleistung: | schwach | stark | |
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Durchzug: | unelastisch | elastisch | |
Drehfreude: | zäh | agil | |
Getriebe/Schaltverhalten: | schlecht | gut | |
Verbrauch: | durstig | effizient | |
Reichweite: | gering | hoch |
- + Leistungsentfaltung.
- + Elastizität.
- + Brachiale Geräuschkulisse außen.
- + Super-wartungsfreundlich.
- - Brachiale Geräuschkulisse innen.
- - Cleveland V8 ist ein sehr spezielles Tier bei seinen Ersatzteilanspüchen.
Fahrdynamik
Auch wenn viele es glauben: der Mustang Mach 1 ist kein schwammiges Auto. Wenn der Wagen in Ordnug ist, fährt er sich sogar ausgesprochen straff. Daß er eine blattgefederte Hinterachse hat, merkt man im normalen Fahrbetrieb nicht. Es gibt kein Aufschaukeln oder Versetzen oder sonstige Schauermärchen, die man immer wieder hört.
Auch die Lenkung würde ich eher als direkt und spontan reagierend bezeichnen. All das ist natürlich auch ein Ergebnis der Abstimmung des Wagens. Und die habe ich bei der Restaurierung langwierig selber so lange modifizeirt und eingestellt, bis das zufriedenstellend war. Da im Mustang ein Rennwagen steckt ist da ganz viel möglich.
Das Fahrwerk besteht vorn aus doppelten Querlenkern mit über dem oberen Lenker liegender Schraubenfeder, der untere Lenker wird in Längsrichtung über einen Zugstrebe geführt, Querstabilisator. Die Hinterachse ist eine Starrachse an Halbelliptikfedern mit 4,5 Lagen. Vorn sind Scheibenbremsen, hinten Trommeln.
Der Wendekreis ist wegen des recht langen Radstandes nicht unbedingt klein, aber auch nicht riesig. Die Bremsen sind zeittypisch und erledigen ihren Job. Der Mach 1 hat ein ähnliches Bremsverhalten wie der damalige Konkurrent Camaro. Angemessen und normal. Eine Rolle dabei spielen auch die Reifen. Der Testwagen ist mit BFGoodrich Radial T/A ausgerüstet, einem für Musclecars konstruierten Radialreifen in der Größe 235/60R15.
Das Fahrverhalten ist neutral, also weder stark über- noch untersteuernd. Kurven werden recht präzise durchfahren, nur wenig nachkorrigieren ist nötig.
Der Gesamteindruck wirkt leichtfüßig und agil, was sicher auch dem leistungsfähigen Motor geschuldet ist. |
Wendekreis: | groß | klein | |
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Beschleunigung: | langsam | schnell | |
Lenkung: | schwammig | direkt | |
Bremsen: | schwach | standfest | |
Fahrverhalten: | unausgeglichen | ausgeglichen | |
Kurvenverhalten: | unsicher | sicher | |
Wendigkeit: | träge | agil |
- + Agiles Fahrverhalten.
- + Leichtfüßig.
- - Lenkung neigt beim starken Einfedern zum Eigenlenkverhalten.
Komfort
Bis auf die völlig unzureichende Schallisolierung der Karosse ist der Komfort gut. Kein Auto für lange Strecken bei dem Lärm. Ich habe bereits zusätzliche Schalldämmung eingebaut und auch leisere Schalldämfer als die Seriendämpfer in den Auspuff gesetzt, aber der Platz am Unterboden zur Unterbringung voluminöserer Dämpfer ist sehr begrenzt.
Man fühlt sich im Innenraum aber angenehm untergebracht. Es gibt bei der Bedienung keine Geheimnisse und wer amerikanische Autos kennt, fühlt sich sofort zu Hause.
Aus heutiger Sicht würde man die Ausstattung eher als spartanisch betrachten, damals war das schon "deluxe". Für 2800 Dollar Grundpreis konnte man halt nicht mehr Auto erwarten.
Die Sitze sind nur in Längsrichtung verstellbar. Sitzlehnenverstellung gab es auch nicht gegen Aufpreis in dieser Autoklasse, auch nicht bei GM. Allerdings sind sie recht bequem, so wie sie sind. Die Polsterung würde ich eher als straff bezeichen, die Sitze haben keinen besonderen Seitenhalt. Auch das ist zeittypisch.
Heizung und klimaanlage tun das, was sie sollen. Die Lesitung beim kühlen und wärmen ist gut, allerdings ist das dreistufige Gebläse recht dürftig. |
Federung (sportlich): | schlecht abgestimmt | gut abgestimmt | |
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Sitze vorn: | unbequem | bequem | |
Sitze hinten: | unbequem | bequem | |
Innengeräusche: | laut | leise | |
Bedienung: | kompliziert | intuitiv | |
Heizung/Klimatisierung: | schwach | wirkungsvoll |
- + Der Wagen ist angehehm zu fahren, allerdings nicht 300 km am Stück.
- + Heizleistung und Klimatisierung gut.
- - Nach 300 km ist man wahrscheinlich taub.
- - Gebläse etwas lau.
Emotion
Lange Jahre waren die Mustangs von 1971-1973 die ungeliebten "Fat Pigs" unter den Rennpferden. Verheizt in siebter Hand von der Vokuhila-Dorfjugend in Wyoming oder Ost-Texas. Mittlerweile hat sich das gottseidank geändert. Die Modelle sind in den Fokus von Enthusiasten gerückt. Stückzahlenmäßig sind es allerdings die seltensten der Jahre 1965-1973.
Mich faszinierte der Wagen schon als Kind und ich berausche mich immer noch daran bei jedem Gang in die Garage.
Glücklicherweise ist die Ersatzteilversorgung auch für diese Mustangs dank umfangreicher Restaurierungsindustrie heute wieder sehr erfreulich. Das erleichtert die Erhaltung des Wagens ungemein. |
Design: | langweilig | attraktiv | |
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Temperament (sportlich): | ausbaufähig | realisiert | |
Image: | negativ | positiv |
- + Emotionaler geht's nicht mehr.
- + Man kann nirgendwo parken ohne angesprochen zu werden.
- + Die Farbkombination ist sehr geschmackvoll.
- - Kleine Zicken muß man bei einem 47 Jahre alten Auto immer im Blick haben.
Unterhaltskosten
KFZ-Steuer pro Jahr | 100-200 Euro |
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Verbrauch auf 100 km | über 10 Liter |
Inspektionskosten pro Jahr | 500-700 Euro |
Gebrauchtwagengarantie | keine vorhanden |
Werkstattkosten pro Jahr | 1.500-3.000 Euro |
Versicherungsregion (PLZ) | 21255 |
Haftpflicht | bis 200 Euro () |
Vollkasko | 800-1.000 Euro |
Außerplanmäßige Reparaturkosten | Sonstiges - Alles, was an alten Autos kaputt gehen kann (0 €) |
Gesamtfazit zum Test
Die 71-73 Mustangs sind technisch gut beherrschbar und fahren sich gut. Bei der entsprechenden Zuneigung sind sie haltbar und anspruchslos. Wenn wirklich mal was kaputt geht, ist die Reparatur meist einfach und die Teile leicht zu beschaffen.
Auf jeden Fall sind sie ein Hingucker auf der Straße und bereichern auf angenehme, laute Weise den täglichen Einheitsbrei.
Ich würde lediglich nicht empfehlen, eine Komplettrestaurierung anzupeilen. Wirtschaftlich ist das nicht sinnvoll.
Wenn man einen haben will, sollte man sich einen im guten Zustand suchen und lieber etwas mehr bezahlen. Das ist billiger als eine Resto.