Jaguar XJ L Supersport S/C
21.06.2012 16:13 | Bericht erstellt von Ycon1
Testfahrzeug | Jaguar XJ Mark IV (X351) X351 5.0 V8 Kompressor |
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Leistung | 510 PS / 375 Kw |
Hubraum | 5000 |
HSN | 2051 |
TSN | ABU |
Aufbauart | Limousine |
Nutzungssituation | Dienstwagen |
Testdauer | mehr als ein Jahr |
Einleitung
Da mir aufgefallen ist, dass es bisher keinen Test zu diesem Fahrzeug gab, mache ich mir mal die Mühe Der Jaaaaaaaag ist mittlerweile fast 1 Jahr alt und etwas über 20000 km gefahren. Außen: Ultimate Black (hieß so glaube ich) mit Mataiva 20" und Chrom-Spiegelkappen (Zubehör) Innen: Sitze/Dach Parchment, Armaturen Bordeaux, Ebenholz mit Intarsien
Bewertungen sind so zu verstehen, dass ich objektiv kritisch bewerte und etwaige Nachteile tatsächlich auch zu niedrigen Bewertungen führen und dass nur wirklich herausragende Eigenschaften auch entsprechend "belohnt" werden. Bei vielen Tests (v.a. anderer Marken) ist ja eine inflationäre Punktevergabe zu beobachten. |
Karosserie
Hier sprechen wir von einer großen Limousine mit dem Körper eines "Halbcoupés" (wenn man so will). Platzangebot ist vorne nicht fürstlich (in Bezug auf Kopffreiheit), aber absolut ausreichend für nahezu jeden Körper. Im Fond schlägt die Architektur des Fahrzeugs zurück. Für eine Langversion ist der Platz im Vergleich zu anderen Fahrzeugen in der Länge etwas knapper bemessen. Er ist absolut ausreichend, aber die Langversion sollte/muss es schon sein. Der Kofferraum reicht für 4 Reisende bzw. deren Gepäck aus, aber er ist dann wirklich voll. Da es aber bei ähnlich großen Fahrzeugen mitunter größere Kofferräume gibt, habe ich einen Punkt abgezogen. Übersicht nach hinten nicht optimal, aber kein Problem dank hervorragender Kamera. Übersicht nach schräg hinten dank der guten Außenspiegel kein großes Problem. |
Platzangebot vorn: | eng | geräumig | |
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Platzangebot hinten: | eng | geräumig | |
Kofferraum: | klein | groß | |
Übersichtlichkeit: | schlecht | gut | |
Qualitätseindruck: | minderwertig | hochwertig |
- + Material- und Verarbeitungsqualität _meilenweit_ vor jeglicher Konkurrenz
- - Kofferraum und Übersicht müssen unter diesem Design nun mal leiden
Antrieb
Nun zur Sternstunde des Fahrzeugs. Nahezu der komplette Antriebsstrang ist für die Jaguare der Neuzeit zeitgemäß weiterentwickelt worden und das zeigt sich auch. Der Motor ist mit der beste, der zurzeit auf den Straßen dieser Welt fährt, gekoppelt an eine exzellent arbeitende ZF 6-Gang-Automatik. Das Getriebe arbeitet blitzschnell (auch auf manuelle Eingaben reagiert es völlig verzögerungsfrei), sehr komfortabel und stellt sehr zuverlässig den Kraftschluss her. Die Motorleistung und die Leistungscharakteristik sind eigentlich kaum in Worte zu fassen, außer vielleicht "perfekt" oder "Meisterwerk". Wirtschaftlich ist das ganze auch noch: Wer einfach nur von A nach B will, kann dies ohne Probleme auch mit 9,x Litern +/- auf 100 km schaffen. Eine richtige Sparfahrt konnte ich bisher noch nicht durchführen. Reichweitentechnisch ist mit 640-800 km je nach Verkehrslage und Stimmungslage des Fahrers zu rechnen. |
Motorleistung: | schwach | stark | |
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Durchzug: | unelastisch | elastisch | |
Drehfreude: | zäh | agil | |
Getriebe/Schaltverhalten: | schlecht | gut | |
Verbrauch: | durstig | effizient | |
Reichweite: | gering | hoch |
- - 90l statt 80l Tankvolumen wäre ein kleiner extra Reichweitenschub
Fahrdynamik
Nun zur nächsten Sternstunde. In Bezug auf Fahrdynamik sind die Erwartungen an eine echte Fahrmaschine wie diese hier natürlich groß und sie werden in vollem Umfang erfüllt. Kurze Kommentare zu den Punkten: Wendekreis: Sehr gut, da reine Heckantriebsarchitektur und folglich großem Lenkeinschlag. Beschleunigung: Zusammen mit Porsche Panamera in einer eigenen Liga. Lenkung: Sehr leichtgängig, aber gut definiert mit reichlich Rückmeldung von der Straße. Bremsen: Gegen einen Baum fahren bremst schwächer. Auch nach langer Belastung bleibt die Bremse stabil. Fahrverhalten: Bei Nässe/Schnee muss man bei dem Drehmoment und dem niedrigeren Gewicht schon sehr aufpassen, ansonsten aber kein Übersteuern und v.a. KEIN Untersteuern jeglicher Art. Kurvenverhalten: Ja, selbst mit Vmax (leider strengstens abgeregelt) sind sämtliche BAB-Kurven entspannt zu durchfahren: Der Wagen klebt an der Straße, liegt satt und sicher und untersteuert NIE. Sportiver Fahrstil (z.B. auf Serpentinen) problemlos umsetzbar; das Auto fährt einfach größtenteils auf sportwagenähnlichem Niveau (keine Lobhudelei, sondern Tatsache). Wendigkeit: Hervorragend. Dem Wagen ist auch das ohnehin sehr niedrige Gewicht quasi nicht anzumerken. |
Wendekreis: | groß | klein | |
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Beschleunigung: | langsam | schnell | |
Lenkung: | schwammig | direkt | |
Bremsen: | schwach | standfest | |
Fahrverhalten: | unausgeglichen | ausgeglichen | |
Kurvenverhalten: | unsicher | sicher | |
Wendigkeit: | träge | agil |
- + Erstaunlich, dass eine 5,25-m-Limousine tatsächlich SO fahren kann!
Komfort
Nun das erstaunlichste Kapitel. Das bisher als eine Fahrmaschine erster Güte beschriebene Auto ist zugleich außerordentlich komfortabel! Der Federungskomfort ist mit Ausnahme von leichten Abstrichen bei Stadt- sowie Landstraßentempo dem Federungskomfort einer S-Klasse mehr als ebenbürtig. Je schneller man fährt, desto größer wird natürlich der Vorsprung ggü. allen Konkurrenzprodukten. Es ist deutlich wahrnehmbar, dass die Ingenieure das gute "Pace and Grace" sehr ernst genommen haben. Die Sitze hinten sind sehr bequem und langstreckentauglich, vorne ist die Lage aber etwas paradox: Dieses primär für den US-Markt entwickelte Auto hat Vordersitze, die in den Abmessungen eigentlich zu klein sind! Resultat: Der Seitenhalt ist nicht so gut, wie es eigentlich möglich gewesen wäre. Auch hat das Design der Sitze eine Eigenart, dass (zumindest ich pers.) mit der Zeit sozusagen etwas nach vorne wegrutsche und das auf Dauer aufs Kreuz geht. Ab etwa 400 km ist das durchaus schon zu spüren. An dem grundsätzlichen Sitzkomfort gibt es aber nichts auszusetzen. Das Geräuschniveau ist ebenfalls einzigartig. Selbst bei Vmax nahezu "flüsterleise", abgesehen vielleicht vom Motorbrüllen Kein anderes Fahrzeug kann bei hoher Geschwindigkeit eine solch unauffällige Geräuschkulisse bieten.
Leider kommen wir nun zu der einen, aber großen Schwäche des Fahrzeugs, dem Bordcomputer. Übernommen von Volvo, entwickelt wahrscheinlich im frühren 18. Jahrhundert, ist das das neueste Glanzstück auf dem Gebiet "Wie darf ich etwas auf keinen Fall umsetzen". Das System ist herrlich kompliziert, noch dazu nicht unbedingt schnell, nicht sonderlich zuverlässig und hängt sich gerne mal auf. Beispiel: Die Wiedergabe von Musik von externer Quelle ist mitunter abenteurlich, da die Titel nach Erstellungsdatum auf dem Datenträger sortiert sind (also von alt nach neu) und dies lässt sich nicht ändern. Die Soundanlage (Bowers & Wilkins) ist dafür aber einmalig; auch das beste, was ich jemals in einem Auto gehört habe. Das Navi ist besonders frustrierend, da man von der Dame nur erfährt, wo man vor einigen Sekunden war und nicht, wo man hinfahren muss. Klartext: "In 100 Metern dieses und jenes" bedeutet GENAU JETZT abfahren, etc. Habe für Bedienung nur -1 gegeben, da - Gott sei Dank - der Bordcomputer die meiste Zeit nicht benötigt wird und man sich folglich dieser frustrierenden Bedienung nur eher selten aussetzen muss. |
Federung (komfortabel): | schlecht abgestimmt | gut abgestimmt | |
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Sitze vorn: | unbequem | bequem | |
Sitze hinten: | unbequem | bequem | |
Innengeräusche: | laut | leise | |
Bedienung: | kompliziert | intuitiv | |
Heizung/Klimatisierung: | schwach | wirkungsvoll |
- + Derartig performant und doch auch so komfortabel
- - Volvo-Bordcomputer einfach hoffnungslos =(
Emotion
Man stelle alle Oberklasselimousinen nebeneinander und frage 100 zufällig ausgewählte Menschen, welches sie gerne mal fahren würden. Die Antworten wären relativ eindeutig.
Das hier ist ein Fahrzeug, welches so konzipiert ist, dass es nicht nur die Masse an Aluminium, Leder und Holz beschleunigt, sondern auch den Puls des Fahrers. Vielleicht nervig für Leute mit Herzbeschwerden, aber in jedem Fall äußerst hinreißend.
Das Design ist sicher kontrovers. Mir persönlich gefiel die alte (klassische) Designsprache auch etwas besser, aber das neue Design weckt ungleich mehr Emotion und das "Haben-Will-Gefühl". |
Design: | langweilig | attraktiv | |
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Temperament (sportlich): | ausbaufähig | realisiert | |
Image: | negativ | positiv |
- + Es ist nun mal ein Jaguar
Unterhaltskosten
Gesamtfazit zum Test
- + Echte Fahrmaschine, echtes Selbstfahrerauto
- + Äußerst komfortabel und langstreckentauglich
- + Sehr wirtschaftlich
- + Einmalige Qualität
- + Angenehm anders im Vgl. zum Einheitsbrei deutscher Limousinen
- + Vermittelt sehr gut das Gefühl des Besonderen
Das Fazit. Das Fazit kann nur so ausfallen, dass das Auto die beste Oberklasselimousine ist, die es aktuell zu kaufen gibt. Erstaunlich in diesem massiv von Deutschland dominierten Markt und für einen Hersteller, der das Fahrzeug nahezu ohne finanzielle Mittel entwickelt hat.
Die Stärken des Fahrzeugs resultieren (vielleicht gerade wegen Geldmangels?) aus einer strikten und totalen Konzentrierung auf die traditionellen britischen Tugenden "Leicht" und "Unkompliziert".
Es liegt also ein Fahrzeug vor, welches aufgrund seiner technologischen Vorteile (Alu/Magensium-"Exoskelette" sind bei der Konkurrenz nicht mal in Sichtweite) und dem Verzicht auf "Mit-Technik-vollpacken" bei einer Außenlänge von 5,25 Meter auf ein Gewicht von nicht mal 2 Tonnen kommt. Dieses niedrige Gewicht macht ein Technikfeuerwerk auch unnötig. Auch mit dem sehr simplen Fahrwerk (vorne Stahl, hinten Luft, ohne 30 einstellbare Modi) ist das Fahrzeug in 80 % aller Situationen so komfortabel wie eine S-Klasse und performant wie eine sportliche Kompaktlimousine. Die hervorragende Aerodynamik reduziert Windgeräusche so weit, dass weniger Dämmmaterial verwendet werden konnte (wieder weniger Gewicht) und dennoch der Geräuschkomfort einzigartig bleibt.
Angenehm ist auch der britische Luxus, was bedeutet, dass die vorhandene Technik sich dem Nutzer äußerst reduziert darbietet. Ein toller Kontrast zu deutschem Luxus, welcher bedeutet, dass vom Fahrer 1000 Funktionen individualisiert werden sollen, bevor es losgehen kann.
Das Fahrzeug ist sehr zuverlässig (bis jetzt kein einziges Problem) und sehr widerstandsfähig. Bei Jaguar sagt man eben nicht nur, dass Auto 250 km/h fahren kann, sondern man rechnet damit, dass das Auto auch tatsächlich mit 250 km/h gefahren wird und entwickelt es dementsprechend. Andere Fahrzeuge haben ja durchaus Probleme mit dieser hohen Belastung.
Insgesamt gesehen, ist mit diesem Fahrzeug das Motto Pace and Grace bis in die Perfektion umgesetzt worden. Klare Kaufempfehlung an (fast) jegliche Interessenten.
Bordcomputer. Großer, großer Negativpunkt.
OK, an die komplizierte Bedienung kann man sich gewöhnen und die meisten Optionen braucht man nicht, aber das Navi ist sehr schwach. Für jemanden, der sich ständig in unbekannten Großstädten bewegen muss, könnte das extrem frustrierend sein.
Bei Interesse an diesem Fahrzeug also UNBEDINGT unter realen Bedingungen testen, ob man mit dem Navi zurecht kommt.
Sat Nov 23 20:48:17 CET 2013 | Achsmanschette21245
ist ja interessant! ich fahre noch den alten xj (bj. 98) und hatte bisher zu dem neuen noch nichts gelesen. daß er aber sooo gelungen ist freut mich doch sehr. wenn ich auch immer noch ein freund der alten linien bin. es ist schön, zu sehen, wie eine marke so ganz im stillen blüht und übrigens enorme zuwächse verzeichnet. das mit dem navi müsste nicht sein, aber wenn es weiter nichts ist! man klemmt das navi seiner wahl an die scheibe und los geht´s. finde ich als wahlweiser nutzer von drei autos sowieso viel sinnvoller. also nochmal danke für den erhellenden test und weiterhin viel freude am britischen fahrfeeling.