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Mercedes E-Klasse W213 43 AMG 4MATIC Test

30.08.2017 16:57    |   Bericht erstellt von starcourse

Testfahrzeug Mercedes E-Klasse W213 43 AMG 4MATIC
Leistung 401 PS / 295 Kw
Hubraum 2996
HSN 1313
TSN FZZ
Aufbauart Limousine
Kilometerstand 1500 km
Getriebeart Automatikschaltung
Erstzulassung 6/2017
Nutzungssituation Probefahrt
Testdauer ein Wochenende
Gesamtnote von starcourse 3.5 von 5
weitere Tests zu Mercedes E-Klasse W213 anzeigen Gesamtwertung Mercedes E-Klasse W213 (2016 - 2023) 4.0 von 5
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Einleitung

Was kann der kleine AMG? Eigentlich ist der AMG 63 schon bestellt aber in Ermangelung eines entsprechenden Vorführfahrzeuges erhielt ich das Angebot, den E 43 mal ausführlich zu testen. Der Fokus lag dabei eigentlich auf den Sonderausstattungen, von denen das Testfahrzeug reichlich besaß. So waren Fahrerassistenzpaket Plus, Multikontursitze, Sitzbelüftung, HUD, WideScreen, Comand, KeylessGo, Remote-Park-Paket und Burmester an Board, um nur die wichtigsten zu nennen.

Karosserie

3.5 von 5

Das Fahrzeug war diamantweiß lackiert, was je nach Sonneneinstrahlung mal leicht rosa, mal leicht grünlich schimmert. Das ist nicht wirklich jedermanns Geschmack, man erntet schon den einen oder anderen schrägen Blick. Zusammen mit den schwarzen Felgen gleitet das Erinnerungsvermögen unwillkürlich in die seligen 80er zurück, mit Reminiszenzen an Walter Treser und Bodo Buschmann.

Objektiv ist das Platzangebot der Fahrzeugklasse angemessen, wenn gleich es hinten bei großgewachsenen Fahrern und Beifahrern schon etwas kuschelig wird. Subjektiv vermitteln die völlig schwarze Innenausstattung und die breite Mittelkonsole ein im Verhältnis zur Konkurrenz doch eher sehr beengtes Raumgefühl, die hinten schwarz getönten Scheiben verstärken das noch. Mein Sohn beschrieb es mit "höhlenartig".

Der Kofferraum ist dem Zeitgeist entsprechend flach und im hinteren Teil unter der Hutablage nur für Personen mit mehr als 1,80 m Körpergröße noch zu erreichen. Auch die eigentliche Öffnung ist nicht für großvolumige Koffer geeignet, hier fordert das bootsförmig auslaufende Heck seinen vollen Tribut, die weit vorstehende Stoßstange sorgt zudem für stetig dreckige Hosen, will man in den Kofferraum hineinlangen.

Ebenfalls dem Zeitgeist geschuldet sind die immer kleineren Fenster und Heckscheiben, die Übersichtlichkeit nach hinten ist eigentlich nicht mehr wirklich gut. Ohne entsprechende Kamerasysteme macht das Rückwärtsfahren keinen Spass.

Auch bei der Verarbeitung beschleicht einen ein zwiespältiger Eindruck. Es klappert und knistert nichts, die Fugen sind schön gleichmäßig, die gern rostenden Bremssättel sind Gott sei Dank lackiert und das Auto wirkt solide. Nur bei der Materialauswahl sieht man den Kampf zwischen Designer, Controller und Ingenieur. Der Kunststoff wird sicherlich niemals speckig aber versprüht den Charme von glasiertem Beton. Die Mittelkonsole in Klavierlackoptik macht den Eindruck, als stamme sie direkt aus dem asiatischen Zubehörhandel. Die angeblichen Holzeinlagen in Esche scharz erinnern stark an die gleichnamigen Ausführungen bei Ikea, nur das es dort für den Aufpreis von knapp 286 Euro einen ganzen Schrank gibt. Wer nun glaubt er könne mit den anderen Zierelementen mehr Wertigkeit erreichen irrt: Einzig die Ausstattung "Aluminium Trapezschliff" hält was ihr Name verspricht, alles andere wirkt genauso "plastikaffin" wie die Esche - einschließlich der sündhaft teuren Carbon-Ausstattung und der dezent "Glasfaser silber" genannten Mittelkonsolen - Abdeckung.

Dann gibt es durchaus wertige mattchrome Schalter, die Lüftungsdüsen erinnern allerdings wieder an frühe Kia-Modelle.

Kommen wir zur Mikrofaser Dinamica: Beim Testwagen nicht nur auf den Sitzen verarbeitet sondern auch am Lenkrad. Obwohl das Auto wirklich neu und auch penibel gewaschen war, sah das Material so aus, als habe es schon 10 schwere Jahre hinter sich. Zudem fühlt es sich nicht wie Wildleder an, sondern als habe man soeben einen intensiven Besuch in der Sandkiste hinter sich. Ständig schaut man, ob man nicht irgendwelche Krümel an der Hand hat.

Liebe Benzler, Alcantara mag zwar teurer sein aber wenn man Eurer Dinamica mal in den Händen hatte, weiß man auch warum.

Testkriterien
Platzangebot vorn: eng geräumig
Platzangebot hinten: eng geräumig
Kofferraum: klein groß
Übersichtlichkeit: schlecht gut
Qualitätseindruck: minderwertig hochwertig
Fazit - Karosserie
  • + Mittelklasse halt
  • - im Verhältnis zur Konkurrenz ein eher beengtes Raumgefühl

Antrieb

4.0 von 5

Tja der Motor.

Eigentlich hat er eine völlig falsche Bezeichnung. Bei "Biturbo" erwartet man bäriges Drehmoment, Punsch unten raus, Büffelqualitäten bei der Elastizität.

Und was kriegt man: Defacto einen feinen "Saugmotor", der völlig linear hochdreht, mit einem sirrenden, leicht metallischen Klang und in Anbetracht des nicht unerheblichen Gewichtes so etwas wie Sportwagencharakter vermittelt. Im Ton stets präsent, auch beim Langsamfahren durchaus hör- und merkbar. Der Klang verändert sich, ob nun im Comfort-Modus oder Sport+, bestenfalls um Nuancen. In Sport+ erlaubt er sich ein bisschen Gesprotzel beim Herunterschalten aber auch das ist wirklich dezent.

Stichwort Schalten: Die 9G-Tronic ist ein Traum von einem Getriebe, weich und treffsicher, die Paddel am Lenkrad benutzt man eigentlich nur, weil sie halt da sind und man mal ausprobieren will, ob sie auch gehen. Brauchen tut man sie nicht.

Und ja er ist ein wirklich schnelles Auto, mit 4,9 sec von Null auf Hundert, handgestoppt und unter nicht optimalen Bedingungen, hält er was er verspricht, bis 180 km/h geht es sehr zügig voran, danach etwas verhaltener aber immer noch merkbar bis er 220 km/h erreicht. Jenseits dieses Tempos wird es dann ruhiger und auch etwas zäher.

Der Verbrauch laut BC betrug insgesamt 15,9 l/100 km - nachprüfbar deswegen nicht, weil das Fahrzeug zur Übergabe nicht vollgetankt war und sich damit dieser Punkt erledigte. Für das Gebotene ist das auch völlig ok, ich vermute mal normal gefahren schafft er dann so um die 11-12 l/100 km.

Testkriterien
Motorleistung: schwach stark
Durchzug: unelastisch elastisch
Drehfreude: zäh agil
Getriebe/Schaltverhalten: schlecht gut
Verbrauch: durstig effizient
Reichweite: gering hoch
Fazit - Antrieb
  • + eher ein Motor der Drehzahl braucht
  • - für einen Turbomotor gefühlt wenig Drehmoment

Fahrdynamik

4.0 von 5

Da nur auf öffentlichen Strassen unterwegs, verbot sich das Ausloten des Grenzbereichs. Nach meiner Auffassung auch für 99 % des Käufer völlig irrelevant.

Ansonsten fährt er ohne Fehl und Tadel. Er zirkelt präzise durch Kurven, hat einen genau definierten Einlenkpunkt, verzögert auch unter hoher Beanspruchung spurstabil, die Bremsen sind sehr linear zu dosieren. Alles läuft auch bei sehr hohen Tempi flüssig und völlig unaufgeregt.

Auch bei bewußt provozierten Fahrfehlern regeln die zahlreichen Helferlein blitzschnell und präzise wieder ein. Selbst ein völlig unbegabter Fahranfänger kann mit dem Ding enorm schnell unterwegs sein, ohne für sich und andere eine potentielle Gefahr zu sein.

Wer jetzt findet, das klinge alles sehr synthetisch, der hat genau den Nagel auf den Kopf getroffen. Dieses Auto ist sehr dynamisch aber es weigert sich schlicht, dies mitzuteilen. Lediglich der Tacho teilt einem eigentlich mit, wo gerade das Potential genutzt wird.

Für einen Mercedes ist er fahrdynamisch eine Offenbarung, wer ihn jedoch mit einem 5er mit adaptivem Fahrwerk vergleicht, wird feststellen, dass der Abstand immer noch deutlich und vor allem spürbar ist.

Wer wirklich ein sportliches Auto sucht wird zunächst bei Audi, wer dazu noch Komfort braucht beim BMW eher fündig. Denn sein größter Knackpunkt offenbart sich im nächsten Kapitel.

Testkriterien
Wendekreis: groß klein
Beschleunigung: langsam schnell
Lenkung: schwammig direkt
Bremsen: schwach standfest
Fahrverhalten: unausgeglichen ausgeglichen
Kurvenverhalten: unsicher sicher
Wendigkeit: träge agil
Fazit - Fahrdynamik
  • + der kann schon ganz gut räubern
  • - im Vergleich zu einem S6 oder 550i fehlt es doch ein bisschen an Sportlichkeit

Komfort

3.0 von 5

Eigentlich stellen Mercedes und Komfort einen Synonymbegriff dar. Genau das kann er nicht. Selbst in der Stellung Comfort ist das Fahrwerk sehr straff, kurze Unebenheiten gibt er quasi ungefiltert an die Insassen weiter. Kopfsteinpflaster dröhnt und das Auto rollt steifbeinig über die kurzen Wellen hinweg. Trotz Luftfederung ist er ähnlich unkomfortabel wie ein A 6 mit S-Line Fahrwerk. Eigentlich sind die Stellungen Sport und Sport+ im Bereich der Federung kaum härter.

Nicht das man von einem AMG ein Sänftenfahrwerk erwarten würde, aber hier wurde beim Komfortmodus doch übertrieben. Gerade weil man bei der Luftfederung an die Stellung Komfort doch eine völlig andere Erwartungshaltung hat. Zumal er mit seiner sonstigen (Sonder-) Ausstattung ja Komfort sehr gut kann.

Zweites Manko: Die Multikontursitze!

Das ist natürlich immer ein sehr subjektiv besetztes Thema, insofern spiegelt das jetzt meine ganz persönlich Meinung wieder.

Die Dinger sind einfach schrecklich.

Gut, ich habe den typischen Altersbierbauch aber ich bin nicht fett. Also die Seitenwangen schon mal auf ganz weit gestellt. Alles andere auf die sanfteste Stufe geregelt. Und trotzdem schiebt dir der Sitz selbst bei im Schritttempo durchfahrenen Kreisverkehren unbarmherzig seine Faust in die Seite. Ständig drückt und schiebt es an deinem Rücken und das im Stadtverkehr!! Irgendwann verkrampft sich dein Rücken nur in der Erwartung jetzt gleich wieder einen Knuff in die Seite zu bekommen.

Also aktiviert man voller Hoffnung die Hot-Stone-Massage - und bekommt wieder die Faust. Den Ergonomen, der diesen Sitz entworfen hat möchte ich gerne mal kennen lernen. Meiner Vermutung nach sind da eindeutige masochistische Elemente in der Grundhaltung vorhanden.

Also versucht man das ganze zu deaktivieren - und verzweifelt an der Menüstruktur des Comand. Das ist letztlich eine Frage der Übung aber intuitiv geht ganz anders. Schon solche Kleinigkeiten wie das Abspielen eines Musikordners von einer SD-Karte sind eine Herausforderung. Wenn der Ordner zu Ende ist, spielt er nicht etwa den nächsten sondern zufällig ausgewählte Titel aus anderen Ordnern. Dabei zeigt er ganz braun "Titel 5 aus 3777". Logisch definiere ich anders. Und warum der Eco-Mode im Style Progressiv neben dem stylisierten Renndrehzahlmesser verbleibt, wird sicherlich auch eine interessante Begründung haben.

Kurzum es gibt jede Menge Potential in diesem Bereich für die nächste MOPF.

Testkriterien
Federung (einstellbar): schlecht abgestimmt gut abgestimmt
Sitze vorn: unbequem bequem
Sitze hinten: unbequem bequem
Innengeräusche: laut leise
Bedienung: kompliziert intuitiv
Heizung/Klimatisierung: schwach wirkungsvoll
Fazit - Komfort
  • + wer es knackig mag, liebt ihn
  • - die anderen hassen ihn
  • - das Command- System ist nicht wirklich logisch durchdacht

Emotion

3.0 von 5

Vorausgeschickt sei, dass Design natürlich immer eine Geschmacksfrage ist und man deswegen trefflich streiten kann.

Erstens mochte ich das Design der Limousine schon beim C-Mercedes nicht - während mir das T-Modell sehr gut gefällt.

Zweitens sieht der E dem C zum Verwechseln ähnlich, auch der S fällt eigentlich nur durch seine schiere Größe auf. Und liebe Benzler, wenn ihr schon eine Limousine baut, dann baut auch eine Limousine und schielt nicht immer nach coupeähnlichen Formen mit kleinem, tropfenförmigen Stummelheck.

Die Aufgabe einen abgespeckten AMG mit eindeutig sehr sportlichem Charakter zu bauen, ist sehr gut gelungen. Leider hat man die Domäne von Mercedes, nämlich den Komfort, zu sehr vernachlässigt.

Testkriterien
Design: langweilig attraktiv
Temperament (sportlich): ausbaufähig realisiert
Image: negativ positiv
Fazit - Emotion
  • + für einen Mercedes ein ganz neues Sportgefühl
  • - die Karrosserie ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig (betrifft nur die Limousine)
  • - wenn man schon eine Komfortfunktion im Fahrwerk anbietet, sollte sie auch komfortabel sein.

Gesamtfazit zum Test

Aus diesen Gründen kann ich den empfehlen:

Wer es knackig und straff mag, der wird mit diesem "kleinen" AMG sehr glücklich werden. Und ja er ist ein AMG ohne wenn und aber.

Aus diesen Gründen kann ich den nicht empfehlen:

Wer auch Komfort will, der ist mit dem längsdynamisch kaum langsameren E 400 deutlich besser bedient.

Auch die Preisgestaltung zeigt sehr großes Selbstbewußtsein.

Gesamtwertung: 3.5 von 5
Das Testfahrzeug erhielt im Test durchschnittlich 3.5 von 5 möglichen Sternen
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Kommentare: 1

Fri Nov 03 22:54:50 CET 2017    |    Protectar

Danke für deine ausfühliche u. detallierte Beschreibung deiner Erfahrungen mit der E-Klasse. Auch, daß du keine Schönfärberei betrieben hast, sondern deine eigenen positiven u. negativen Eindrücke direkt wiedergegeben hast.

 

Nochmal zur Klarstellung wegen Alcantara u. Dinamika:

Beide sind ein u. dasselbe, denn beides sind Microfaserkunststoffe, die beide sehr billig in der Herstellung sind. Mercedes nennt seine Microfaseroberfläche nicht Alcantara, weil dieses frei erfundene Kunstwort bereits vor vielen Jahren von Audi rechtlich geschützt wurde. Daimler wollte nicht wie andere Hersteller Patentzahlungen an Audi leisten, nur um den Namen 'Alcantara' zu nutzen u. hat sich stattdessen ein eigenes Kunstwort ausgedacht, nämlich Dinamika. Wenn Daimler wollte, könnten sie ihre Microfaser genauso flauschig wie bei Audi machen, wollen sie aber nicht.

 

Wenn man in einem Mercedes AMG Modell z.B. Dinamika anstatt Leder am Lenkrad oder sonstwo hat, müsste man eigtl. eine Preisminderung bekommen, da die Microfaser viel billiger ist als Leder. Dabei ist es völlig irrelevant wie es aussieht oder sich anfühlt, selbst die beste Ausführung ist immernoch viel preiswerter als Leder. Da die Mehrheit der Kunden diesbezüglich völlig ahnungslos ist u. sogar denkt, es sei etwas Wertiges oder etwas Besonderes, lässt sich damit Geld verdienen.

Thu Nov 09 12:22:12 CET 2017    |    starcourse

Bitte gern geschehen..:)

 

Zum Thema Alcantara und Dinamica:

 

Ich habe mich mal rein interessehalber erkundigt, was es kosten würde in meinem A 6 Armaturenbrett und Türbrüstungen mit Alcantara bzw. einem ähnlichen Material beziehen zu lassen und bin dabei blass geworden. Weniger wegen dem Arbeitslohn, für den ich vollstes Verständnis habe, sondern dem für das Mikrofasermaterial aufgerufenen Preise. Das lag zwischen 90 und 150 Euronen pro Quadratmeter. Ich weiß nicht was Dinamica kostet.

Insofern stimme ich voll umfänglich zu, dass ist schon abgebrüht!!

 

Mir persönlich gefällt die Daimler-Variante überhaupt nicht, weder von der Optik noch von der Haptik. Ich käme auch nicht auf die Idee, Wildleder im Auto zu verarbeiten, weil es ähnlich stark zum Krümelgefühl/Knötchenbildung neigt, wie dieses Dinamica.

Früher gab es bei Daimler "Amaretta", dass war deutlich wertiger und angenehmer.

Manchmal ist der Fortschritt leider ein Rückschritt.

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