Nissan GT-R R35 3.8 V6 Test
24.08.2017 20:53 | Bericht erstellt von BMWRider
Testfahrzeug | Nissan GT-R R35 3.8 V6 |
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Leistung | 570 PS / 419 Kw |
Hubraum | 3799 |
HSN | 1329 |
TSN | AKD |
Aufbauart | Sportwagen/Coupe |
Kilometerstand | 12500 km |
Getriebeart | Automatikschaltung |
Nutzungssituation | Probefahrt |
Testdauer | ein Wochenende |
Einleitung
Ich hatte die Gelegenheit, das Fahrzeug bei den Testdays von MotorTalk und mobile.de zu testen. |
Karosserie
Wie bewertet man solch ein Fahrzeug? Ein Pampersbomber oder Alltagsfahrzeug will ein GT-R sicher nicht sein. Daher setze ich mal meine Maßstäbe an ein Spaßfahrzeug an.
Die äußere Erscheinung: Selbstbewusst und unverwechselbar. Love it or leave it. I love it!
Nach dem Einsteigen war ich überrascht, dass man ja gar nicht soo eng und soo tief sitzt wie ich dachte. Das könnte man durchaus "alltagstauglich" nennen , ohne dass man jedoch das Gefühl hätte, eine einem (Super-)Sportler unangemessene Position eingenommen zu haben. Passt! Über die zweite Reihe hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens und nennen sie weder "Rücksitzbank" noch das Auto "2+2-Sitzer". Da kann definitiv niemand sitzen, auch wenn es auf dem Foto großzügiger aussieht! Das Ding hinter den Vordersitzen ist eine schlecht erreichbare Ablage - nicht weniger, aber auch auf keinen Fall mehr. Der Kofferraum ist etwas größer, aber kleiner, als der ausladende Hintern suggeriert. Die dicken Schlappen wollen untergebracht werden und die Transaxle-Bauweise fordert ebenfalls ihren Tribut. Von Ladekanten fangen wir in der Fahrzeugkategorie erst gar nicht an. Der Platz reicht insgesamt für 2 Personen auch für einen Kurzurlaub. Zurück ins Cockpit und zur Qualität: Plastik, Plastik, Plastik. Und das im Retro-Look. Es darf hart und in 90er Optik und Haptik sein. Aber geht es hier darum? Gentlemen, start your Engines! |
Platzangebot vorn: | eng | geräumig | |
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Platzangebot hinten: | eng | geräumig | |
Kofferraum: | klein | groß | |
Übersichtlichkeit: | schlecht | gut | |
Qualitätseindruck: | minderwertig | hochwertig |
- + Platzangebot vorn
- + Vergleichsweise übersichtlich
- - Rücksitze nur als Ablage nutzbar
Antrieb
Der Motor erwacht und man merkt, es geht bei diesem Auto um genau diesen und nicht um Nebensächlichkeiten wie Kofferraumvolumen oder Innenraummaterialien. Der V6 macht den Platzhirsch. Wählhebel auf D und los geht es. Wir rollen gemütlich durch die Ortschaft Richtung Ortsausgang. Alles entspannt. Wir könnten so auch in einem Golf sitzen. Einem Golf 2. Geräusche dringen von überall ungefiltert ins Ohr. Motor, Getriebe. Es grummelt, es singt, es knarzt, es ruckt, es schlägt. Zurück in die Zukunft, aber mit 10-facher Leistung.
Ortsausgangsschild. Einmal das Gaspedal mit der Ölwanne bekannt machen. Unter 3.000 Umdrehungen passiert wenig, darüber dann umso mehr. Das Ding zieht wie Hechtsuppe! Angesichts der Geräuschkulisse sorgt man sich ein wenig, ob man nicht gleich selbst im Ansaugtrakt landet, so laut gurgelt und saugt es aus dem Motorraum. Von hinten verkündet die Auspuffanlage ebenso deutlich wahrnehmbar, dass sie Luft und Brennstoff in nunmehr anderer chemischer Formel loswird. Der Motor zieht sauber durch, ein Leistungsabfall in den oberen Drehzahlbereichen ist nicht festzustellen. Wir sind schon viel zu schnell. Also ab auf die Autobahn. Dort sind 250 km/h fix erreicht, darüber wird es ein wenig zäher, wenn man das auf diesem Niveau so nennen darf. Das ist aber als Randnotiz, nicht als Kritik zu verstehen.
Das Getriebe ist aus der Kategorie Holzfäller. Grobschlächtig werden die Zahnräder ineinander gesteckt, beim Herunterschalten gibt es deutliche Rucke. Aber das passt durchaus ins Konzept. Das Thema Verbrauch klammern wir an dieser Stelle einfach mal aus, die Sterne müssen aber leider vergeben werden. |
Motorleistung: | schwach | stark | |
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Durchzug: | unelastisch | elastisch | |
Drehfreude: | zäh | agil | |
Getriebe/Schaltverhalten: | schlecht | gut | |
Verbrauch: | durstig | effizient | |
Reichweite: | gering | hoch |
- + Nach dem Turboloch kommt das Turbohoch
- - Das Getriebe schaltet herunter wie ein Holzfäller die Axt fallen lässt
Fahrdynamik
Für ein Fahrzeug dieser Gewichtsklasse ist das Handling durchaus agil, bereitwillig folgt die Karosserie der Vorgabe der Lenkung. Diese ist jedoch zumindest am Testwagen etwas indifferent gewesen und hat auf kleinere Kurskorrekturen erst kaum reagiert, um dann bei etwas weiterem Lenkradeinschlag zu "übersteuern". Das geht wesentlich besser, auch bei Brot-und-Butter-Autos. Eine feine Linie konnte ich so nicht ziehen.
Auffällig war auch, dass das Fahrzeug völlig neutral fuhr, um dann plötzlich und recht heftig Spurrillen zu folgen. Sämtliche anderen gefahrenen Fahrzeuge durch alle Klassen (darunter 911 Carrera und M3 Competition) haben diese Stellen bei gleichen Bedingungen völlig unaufgeregt passiert. Eventuell war eine Lagerung am Fahrwerk ausgeschlagen und hat die Phänomene (inkl. Lenkung) verursacht, der Testwagen hatte ca. 12.000km Laufleistung und wurde als Pressefahrzeug sicher wenig geschont. Auf jeden Fall war angeraten, beide Hände in der gelobten Viertel-vor-3-Stellung am Lenkrad zu lassen, um die Überraschungen parieren zu können. |
Wendekreis: | groß | klein | |
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Beschleunigung: | langsam | schnell | |
Lenkung: | schwammig | direkt | |
Bremsen: | schwach | standfest | |
Fahrverhalten: | unausgeglichen | ausgeglichen | |
Kurvenverhalten: | unsicher | sicher | |
Wendigkeit: | träge | agil |
- + Für Größe und Gewicht durchaus agil
- - Lenkung indifferent
- - Fahrverhalten teils schlecht berechenbar
Komfort
Spätestens an dieser Stelle kommt das Bewertungssystem am seine Grenzen. Ist es negativ, wenn ein Sportwagen nicht leise ist? Wird man jemals herausfinden können, ob die hinteren Sitze bequem sind, wo man sie ja nicht erreichen kann? Hintere Sitze sind zum Glück kein Pflicht-Kriterium. Meine Wertung in kurzen Worten: Die Lautstärke passt, auch für längere Strecken. Es dürfte angesichts der Optik und der rustikalen Leistungsabgabe sogar etwas mehr sein. Die Bedienung der Grundelemente entspricht der eines jeden anderen Nissan, am Touchscreen kann man lange rumspielen. Dessen Grafik (insbesondere die Navi-Karte) passt nicht wirklich zum oft erwähnten Playstation-Image. Das finde ich irgendwie gut, denn die Reduktion auf dieses Image wird dem GT-R keinesfalls gerecht. Und außerdem geht es ja eh um eines: Das Fahren an sich. |
Federung (sportlich): | schlecht abgestimmt | gut abgestimmt | |
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Sitze vorn: | unbequem | bequem | |
Innengeräusche: | laut | leise | |
Bedienung: | kompliziert | intuitiv | |
Heizung/Klimatisierung: | schwach | wirkungsvoll |
- + Einsteigen und losfahren ist ohne Eingewöhnungszeit möglich
Emotion
Kommen wir zum subjektivsten Teil des Tests: Design und Image. Mir persönlich sagt die Optik zu. Der GT-R ist eine Erscheinung und unverwechselbar; wer Autos nicht nur als reine Fortbewegungsmittel ansieht, erkennt "Godzilla" sofort. Die Leute drehen sich nach ihm um. Ständig kleben einem andere Fahrzeuge am Heck, vermeintlich in der Hoffnung, sich zu messen (oder um zu schauen, wie schnell man weg ist). Das muss man mögen und es braucht Selbstbewusstsein, sich dem auf Dauer auszusetzen und es entweder zu parieren oder zu ignorieren. Aber der GT-R macht Spaß. Auf seine grobschlächtige, ungehobelte Art. |
Design: | langweilig | attraktiv | |
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Temperament (sportlich): | ausbaufähig | realisiert | |
Image: | negativ | positiv |
- + unverwechselbare Optik
- - Unauffällig durch die Gegend fahren fällt mit dem GT-R aus
Gesamtfazit zum Test
Für das Geld wird es von der Stange kaum einen weiteren solchen Sportler geben.
Der vergleichsweise günstige Preis fordert aber auch seine Tribute:
Auch wenn sich der GT-R ganz offensichtlich nur aufs Fahren an sich konzentriert, könnte man etwas hochwertigere Materialien einsetzen. Die sind schon sehr überholt.
Aber viel entscheidender: Gerade für eine solche Fahrmaschine stoßen die Mängel an Lenkung und Spurstabilität negativ auf, Kampfpreis hin oder her.