DAF 44 mit Variomatic (1973): Fahrbericht, Technik
Der fährt rückwärts so schnell wie vorwärts
Seit mehr als 90 Jahren baut DAF in Eindhoven Fahrzeuge. Einige wie der 44 sind berühmt. Der Kleinwagen schaltet stufenlos und fährt rückwärts so schnell wie vorwärts.
Eindhoven – Das Auto beschleunigt wie ein Kaugummi. Das Pedal trete ich voll durch, doch der Vortrieb bleibt aus. Immerhin, der kleine Zweizylinder-Boxermotor fängt unter der Haube laut an zu schnattern und zieht den DAF 44 gemächlich nach vorne. Irgendwie passt die Geräuschkulisse nicht zur Geschwindigkeit. Nach etlichen Sekunden wird der Kleinwagen endlich schneller, und zwar ganz ohne zu schalten. Das war 1958 neu. Mit dem Modell 600 und seiner innovativen Antriebstechnik setzte DAF einen Trend, der bis heute gilt.
Die große Innovation war vor 60 Jahren die Variomatic genannte, stufenlose Automatik. Sie änderte die Übersetzung automatisch und ohne Schaltvorgänge mittels Fliehkraftkupplung und einem Keilriemen. Die Variomatic arbeitet mit Fliehgewichten, die durch Zentrifugalkräfte nach außen gedrückt werden. Der Sog des Ansaugtraktes passt über eine Unterdruckdose das Getriebe zusätzlich an.
Der Hut durfte auf dem Kopf bleiben
Bis 1976 baute DAF Kleinwagen mit der Technik, wie diesen DAF 44 von 1973. Die Automatik war durchaus populär. Bei vergleichbaren Autos wie dem VW Käfer, NSU Prinz oder Fiat 600 arbeitet ein manuelles Viergang-Getriebe, optional eine Halbautomatik. Hut tragenden Männern gefiel das Auto aus Eindhoven. Sie mussten beim Einsteigen ihre Kopfbedeckung nicht absetzen.Das Design galt vor 45 Jahren als, nun ja, eigenwillig. Während VW noch den runden Käufer baute und Ford mit dem Escort auch eher auf Rundungen setzte, entschieden sich die Holländer für harte Kanten: Eckige Motorhaube, große Fenster und einen kastenförmigen Kofferraumdeckel.
Als Antrieb dient ein 850 ccm großer, luftgekühlter Zweizylinder-Boxer, der zwischen 34 und 40 PS leistet. Von 0 auf 100 km/h benötigt der Oldie 20 bis 30 Sekunden, trotz des Leergewichtes von nur 724 Kilogramm. Auf gerader Strecke wären bis zu 110 km/h möglich. Die Türen beginnen aber schon ab 50 km/h mit dem Klappern. Die Sitze bieten keinen Seitenhalt, es zieht durch alle Ritzen.
Platz für vier Personen
Dafür lenkt sich der DAF einfach und erstaunlich präzise durch Kurven. Und: Ab 50 km/h reagiert er beachtlich direkt auf Gasbefehle. Ein Sportwagen war der Zweitürer nie, dafür eine praktische Familienkutsche. Noch heute kann man nur über den vielen Platz in der 3,84 Meter kurzen Karosse staunen.
Mit vier Personen über die Alpen nach Italien? Was ein Käfer konnte, konnte der DAF besser und komfortabler. Und sogar rückwärts. DAF-Pkw fahren rückwärts so schnell wie vorwärts. Wir haben es bis rund 40 km/h ausprobiert. Der Motor dreht locker hoch, die Lenkung wird allerdings nervös. Klar, dass es in Holland Rennen im Rückwärtsfahren gab.
Sein Erfinder hatte das nicht im Sinn. Er wollte den Komfort seines amerikanischen Straßenkreuzers nur in einen Kleinwagen übertragen. DAF-Gründer und -Besitzer Hub van Doorne fuhr schon früh in einem amerikanischen Lincoln durch die Niederlande. Besonders liebte er dessen Automatik. Kein lästiges Schalten mehr in den Straßen Eindhovens.
In diesen Genuss müssten mehr Autofahrer kommen, dachte sich von Doorne. Er entwarf ein neues, leichtes und kompaktes Getriebe für Kleinwagen. Eigentlich waren es nur ein Band und eine Fliehkraftkupplung, die daraus eine stufenlose Keilriemenautomatik macht. Das ermöglichte ein ruckfreies Fahren im optimalen Drehzahlbereich. Die Bänder hielten anfangs nur ein paar Tausend Kilometer, später bis zu 60.000 Kilometer.
Volvo übernahm die Pkw-Sparte
Mit Metallverarbeitung kannte sich Van Doorne aus: Er gründete 1928 die kleine Maschinenschlosserei „Hub van Doorne, Machinefabriek en Reparatieinrichting“. Anfangs kümmerte er sich um Schweiß-, Schlosser- und Schmiedearbeiten und baute Fahrräder. Die Wirtschaftskrise in den Dreißigerjahren zwang das Unternehmen zum Umdenken.
Van Doorne spezialisierte sich auf Anhänger und Auflieger für Lastwagen, nannte sein Unternehmen 1932 „Van Doorne’s Aanhangwagenfabriek N.V. (DAF). 1936 konzipierte er den ersten Sattel-Auflieger der Welt, fürs schnelle Be- und Entladen von Containern aus Eisenbahnwagons. 1948 benannte sich die Firma in „Van Doorne’s Automobiel Fabriek N.V.“ um. 1949 folgte mit dem DAF A50 der erste eigenständige zivile LKW mit Motoren von Perkins oder Leyland. Das erste Pkw-Modell 600 verkaufte DAF ab 1958, es folgten ab 1963 die Typen 750 und 30 Daffodil bis 66.
1972 stieg Volvo bei DAF ein. Drei Jahre später übernahmen die Schweden die Autosparte, bauten den Volvo 66 (ein DAF 66) und den Volvo 340 und 360. Das war ein schon fertig entwickelter DAF 77, der unter diesem Namen aber nie gebaut wurde. Die Motoren kamen unter anderem von Renault.CVT bis heute populär
Bis zum Verkauf an Volvo liefen mehr als 800.000 DAF-Modelle von den Bändern. DAF schlingerte trotz des Verkaufs 1993 in die Insolvenz. Drei Jahre später schlug der amerikanische Paccar-Konzern zu. Er erweiterte damit sein Portfolio an schweren Trucks neben den Marken Kenworth und Peterbilt. Heute arbeiten rund 10.000 Mitarbeiter für DAF, davon 6.000 in Eindhoven.
Auch wenn DAF längst keine Pkw-Getriebe mehr baut, die Idee findet weiter Gefallen. Das vor allem in Japan populäre CVT-Getriebe ändert bei vielen Kleinwagen immer noch ruckfrei die Übersetzung. Damit eignet sich dieses Getriebe für den Stop-and-go-Verkehr in Ballungszentren, insbesondere in asiatischen Mega-Citys. Geschätzte 50 Millionen Autos fahren mit der Erfindung des Holländers heute durch die Gegend. Schnell allerdings nur vorwärts – und die meisten ohne Kaugummi-Effekt.
DAF 44 (1964-1976): Technische Daten
- Motor: 085-l-Zweizylinder-Boxermotor
- Leistung: 34-40 PS
- Drehmoment: 71 Nm
- Antrieb: Hinterrad
- Getriebe: Variomatic
- Höchstgeschwindigkeit: 110 km/h
- Länge: 3,848 m
- Breite: 1,537 m
- Höhe: 1,391 m
- Leergewicht: 724 kg
... und dafür wurden die auch gerne mißbraucht 😆
Später sogar erhältlich als Volvo... 😱
Van Doorne hat das stufenlose Getriebe nicht erfunden, sondern nur ans Auto adaptiert. 4 Jahre vor dem ersten DAF mit Variomatik gabe es sie schon im Roller DKW Hobby. Und auch DKW hat sie nicht erfunden. Die Erfindung ist viel älter.
Und die Sache mit dem Hut ist auch Quatsch. Ich hatte den DAF 66, aber keinen Hut. Trotzdem musste ich beim Einsteigen den Kopf einziehen wie bei jedem anderen Auto dieser Größe. Einen Käfer hatte ich zuvor auch und in den konnte ich besser einsteigen.
Ich fand den DAF trotzdem gut, jedenfalls vom Prinzip her. Durch die Transaxle-Bauweise und das schwere Getriebe hinten brauchte man im Winter keine Steinplatten in den Kofferraum zu legen wie bei Opel und Mercedes.
Respekt! Die Fahrer können es wirklich gut. Ich hatte damals einen Volvo 343 mit Variomatic, habe es probiert schnell rückwärts zu fahren... wirklich schwierig😊😊
Ich habe auch erfahren was passiert, wenn man mit dem Auto Vollbremsung macht. Variomatic schaltet ganz runter, wenn die Räder nicht mehr drehen und wenn man die Bremsung beendet und die Vorderräder wieder drehen und die Hinterräder immer noch stehen, kommt das Heck - und besonderes wenn es Schnee oder Eis auf der Fahrbahn gibt, kann mann das eigentlich nicht mehr kontrollieren.
Jukka
Volvo ist immer Minderheitseigentümer gewesen.
Erst 33%, später dann nur noch 25%.
Der niederländische Staat hatte bis zur Gründung von Nedcar B.V. immer den Mehrheitsanteil, weil man sich eine Automobilfertigung im Land erhalten wollte.
Die Modelle 440/460/480 sind sogar zum größten Teil in Helmond entwickelt worden und waren praktisch immer noch DAF mit Volvo Logo. Sie unterschieden sich erheblich von den "original" Volvos aus Schweden.
Nichtsdestotrotz waren Volvos aus Born immer erfolgreich.
Die erste S/V40 war weniger DAF und mehr Volvo, da die Entwicklung nicht mehr in Helmond /NL ,sondern in Torslanda /S stattfand.
Hallo,
Der Daf 44 schaffte 123 km/h und hatte immer 40 PS (SAE) und 844 CC.
Der Daf 33 hatte 32 PS und 746 CC und schaffte 112 Km/h.
Und es gab natürlich auch den 55, später den 66, mit 1.108 CC und 50 PS und als Marathon 63 PS.
Später als Daf/Volvo 66 auch noch mit 1289 CC.
Hub van Doorne war nach seine pensionierung auch der Gründer von VDT in Tilburg, heute Bosch Transmission Technology.
In der Stad waren die DAF's damals unschlagbar bis 50 Km/h.
Das DAF-Museum habe ich im 2016 besucht, ein sehr interessanter Ort mit vielen PW/LKW's und Rückblicke in die Vergangenheit. U.a. das Pult vom Firmengründer, alte Werkzeuge und viel Info's zur Marke DAF. Auffällig auf der Strasse in NL die grosse Treue zur LKW-Marke DAF.
@ a4kabrio hat recht. Die Variomatik wurde weder von DAF noch von DKW, sondern von dem deutschen Ingenieur Uher erfunden. Und warum sollte ich rückwärts genau so schnell fahren können wie vorwärts? Hat jemals schon einer versucht, mit 90 km/h rückwärts zu fahren? Theoretisch ja, das war's dann aber auch schon.
Ist die Karosserie des DAF 44 nicht von Michelotti?
Gab in den 60er Jahren auch andere Karosserieformen als die schwülstigen. Es seien nur Opel Kadett A genannt oder die Austin/Morris 1100/1300 oder die Glas 1004, 1204 und 1304 oder der Autobianchi Primula oder der Renault 4. Oder, oder, oder....
Stimmt, auch die Nachfolger vom 600, der erste Daf aus 1959, der 750, Daffodil, der 33 ua waren zusammen mit Giovanni Michelotti entworfen.
Es gab auch noch ein 55 Coupé.
Sehr nettes Fahrzeug.
Ich erinnere mich an einem Bericht, bei dem der DAF als unkompliziertes Hausfrauen Fahrzeug angepriesen würde. In der Bedienungsanleitung steht sogar, dass die Handtasche nicht am ausgezogen Choke aufgehängt werden soll. Wie sich die Zeiten doch ändern.
Aha... Daher kommen also die ganzen dicken Menschen heute... 😮
@astra33 [url=https://www.motor-talk.de/.../...hnell-wie-vorwaerts-t6454063.html?...]schrieb am 29. September 2018 um 09:54:07 Uhr[ Auffällig auf der Strasse in NL die grosse Treue zur LKW-Marke DAF.
DAF LKW's werden auch in Deutschland schon seit viele Jahren erfolgreich verkauft.
Auffälig war das die Feuerwehrfahrzeugen in Eindhoven (DAF-Stadt) Magirus waren, das war damals in Stuttgart unvorstellbar gewesen.....
Jugenderinnerungen:
Wir nannten die Fahrzeuge "Daffauchil"
Fahrer des DAF waren überwiegend ältere Lehrerinnen und Rentner und, als Anfang der 70er Zweitwagen aufkamen, auch Hausfrauen.
Das war auch genau das Problem, dieses Image war nicht mehr zu ändern obwohl man es mit Rennen und Rally's versuchte....