Govecs Elektroroller Schwalbe L1 (2018) im Test
Der Ost-Klassiker als Steckdosensucher
Das DDR-Kultmoped Schwalbe ist zurück: als Elektroroller ohne Zweitaktduft. Wir haben das Retro-Gefährt getestet, das man in Berlin und München im Sharing fahren kann.
Von Haiko Prengel
Berlin - Wer die neue E-Schwalbe Probe fahren möchte, darf nicht zimperlich sein. Der Berliner Showroom liegt direkt am verkehrsumtosten Alexanderplatz. Nach einer kurzen technischen Einweisung wird man in den hektischen Innenstadtverkehr geschickt. „Das sollte passen“, sagt der Mitarbeiter, nachdem er mir einen Roller mit zwei Akkus startklar gemacht hat. Vorsichtig taste ich mich mit dem Gefährt auf die Straße und drehe am Gasgriff. Prompt düst die Schwalbe los, lautlos und ganz ohne Geknatter.
Der DDR-Kultroller Schwalbe ist zurück. Statt mit einem Einzylinder-Zweitaktmotor arbeitet die Neuauflage mit einem zeitgemäßen Elektroantrieb von Bosch. Das Zweirad, das man mit Pkw-Führerschein fahren darf, stammt allerdings nicht mehr von Simson aus dem thüringischen Suhl. Verantwortlich ist nun der Elektrofahrzeug-Hersteller Govecs aus München. Produziert wird der Retro-Vogel mit dem Namen L1e in Polen.
Was den Nostalgiefaktor betrifft, hat Govecs (Firmenmotto: „Fahrzeuge, die Spaß machen“) mit der Neuauflage der Schwalbe ins Schwarze getroffen. Die neue E-Version ähnelt der klassischen Schwalbe in Form und Optik stark. Der runde Scheinwerfer im eckigen Gehäuse, die Riffel in der Seitenverkleidung, der verchromte Gepäckträger: Viele Designmerkmale stammen direkt vom Kultmodell KR51."Oh, eine Schwalbe"
So richtig günstig ist die Schwalbe nicht: die Preise starten bei 5.390 Euro. Dafür ist der Roller mit Scheibenbremsen und LED-Licht in Serie ausgestattet. Über Händler wird die E-Schwalbe nicht vertrieben. Stattdessen kann der Scooter per Online-Konfigurator nach persönlichen Vorlieben zusammengestellt werden. Die Konkurrenten heißen Unu oder Emco: in den Metropolen sieht man elektrifizierte Motorroller inzwischen häufig, vor allem von Sharing-Anbietern. In verstopften Innenstädten haben die wendigen Zweiräder ihre größte Stärke.
„Oh, eine Schwalbe“ oder „Mmmmh, schöne Farbe!“, das hört man oft. Wer mit der neuen E-Schwalbe unterwegs ist, kann sich auf positive Reaktionen von Passanten einstellen. Offensichtlich ist das Kleinkraftrad aus der DDR noch immer beliebt. Zumindest im ehemaligen Ostberlin, wo unsere Testfahrt an diesem sonnigen, aber noch kalten Vor-Frühlingstag hinführt.
Auf der rechten Spur flitzen wir vom Alexanderplatz die Karl-Marx-Allee herunter, vorbei an viereckigen Wohnblöcken. Fast 1,2 Millionen Schwalben wurden zu DDR-Zeiten gebaut, kein anderes Kleinkraftrad war so erfolgreich. Mit seinen dreieinhalb PS war der Blechvogel das Alltagsgefährt für Arbeiter, Krankenschwestern, Studenten und Landwirte gleichermaßen. Heute knattert die alte Schwalbe oft durch hippe Altbauviertel, als cooles Mobil für die Sommermonate.
Drei Fahrmodi plus Kriechgang
Vom guten, alten Blech ist nicht viel geblieben. Wer die Elektro-Schwalbe näher in Augenschein nimmt, klopft auf eine Außenhaut aus Plastik. Leicht ist der Scooter trotzdem nicht. Für weniger kräftige Fahrer gibt es den Extra-Fahrgang „Crawl“, mit dem man das 120 Kilogramm schwere Gefährt im Vor- oder Rückwärtsgang rangieren kann.
Bei den Fahrmodi sind drei Stufen wählbar. Uns wird zur Eingewöhnung der Eco-Modus „Go“ empfohlen, der weniger Beschleunigung und dafür mehr Reichweite bietet. Darüber hinaus gibt es den schnelleren Cruise- und den Race-Modus „Boost“. Der bietet laut Govecs maximale Power „für unglaublichen Fahrspaß“.
Tatsächlich fährt die neue Schwalbe flott, auch wenn die Endgeschwindigkeit aus rechtlichen Gründen auf 45 km/h begrenzt ist. Beim Klassiker KR51 beträgt sie 60 km/h. Daneben bietet Govecs ab Sommer 2018 eine stärkere Version, die bis zu 90 km/h fahren darf. So oder so: Die Beschleunigung im Eco-Modus „Go“ reicht aus, um im Stadtverkehr mitzuhalten.Wer den Gasgriff bis zum Anschlag dreht, kann beim Ampelstart so manches Verbrenner-Auto abhängen. Etwas unkomfortabel: den Blinker muss man nach jedem Abbiegen manuell ausschalten. Das funktioniert nicht, ohne die Hand von der Bremse zu nehmen. Mit der „Go“-Taste kann man auf dem Display den Bordcomputer aufrufen, der mit Informationen sehr sparsam umgeht.
Ladeproblem für Innenstadtbewohner
Für unsere Probefahrt errechnet der Bordcomputer eine zurückgelegte Gesamtdistanz von 18 Kilometern. Das ist in der Berliner Innenstadt bereits weiter als viele typische Arbeitswege. Beim Start hatte das doppelte Akkupaket eine Kapazität von 88 Prozent, der Bordcomputer zeigte mehr als 100 Kilometer Reichweite an. Bei unserer Rückkehr war sie auf 61 Prozent geschrumpft. Dieser Wert sei auch dem kalten Wetter geschuldet, erklärt der Mitarbeiter am Alexanderplatz. Im warmen Showroom würden sich die Akkus rasch wieder erholen.
Das ist auch gut so, denn das Aufladen funktioniert bei der E-Schwalbe nicht so flexibel wie bei vielen anderen Elektrorollern. Die Akkus sind fest installiert, das Ladekabel befindet sich in einem Staufach unter der Sitzbank. Wer eine eigene Garage hat, kann den Scooter also bequem am Stromnetz anschließen. In 4,5 Stunden lädt ein leerer Akku dann auf, zudem gibt es eine Schnellladefunktion von 0 auf 50 Prozent in den ersten anderthalb Stunden.
Wer in einem Mietshaus wohnt und nicht über einen Stellplatz mit Stromanschluss verfügt, hat dagegen ein Problem. Deshalb lassen sich bei vielen Elektrorollern die Akkus herausnehmen, um sie in der Wohnung zu laden. Unverständlich, warum die Schwalbe-Konstrukteure darauf verzichtet haben.
Die Schwalbe im Sharing
Auch das Nachrüsten einer zweiten Batterie ist nachträglich nicht möglich – ein weiterer Punkt, den andere Anbieter besser lösen. „Überleg' Dir bitte deshalb vor der Konfiguration, ob Deine Schwalbe 63 km oder 125 km Reichweite haben soll“, empfiehlt Govecs auf der Homepage seinen Kunden. Bisher wurden nach Unternehmensangaben 3.000 Fahrzeuge verkauft.In Berlin und München kann man die neue Schwalbe L1e bereits fahren, ohne sie zu kaufen. Sie steht als Sharing-Roller beim Anbieter Emmy zur Verfügung. 2018 will Emmy seine Leihflotte um mehr als 1.000 der roten Retro-Mopeds aufstocken. Das ist natürlich im Interesse des Produzenten: Die gemeinsame Expansion auf weitere Städte steht bereits in den Startlöchern, erklärt Govecs. Auch das Akku-Problem ist den Konstrukteuren bewusst. Deshalb will Govecs ein Modell mit herausnehmbarem Speicher nachlegen.
Technische Daten: Elektroroller Schwalbe L1e
- Motor: Elektro-Motor
- Kapazität Lithium-Ionen-Akkus: 2,4 oder 4,8 kWh
- Leistung: 5,4 PS (4.0 kW)
- Getriebe: Automatik
- 0-45 km/h: 5,0 s
- Höchstgeschwindigkeit: 45 km/h (abgeregelt)
- Reichweite: maximal 63 km (mit zwei Akkus bis 125 km)
- Leergewicht: ca. 120 kg (135 kg mit zwei Batterien)
- Bremsen: Scheibe
- Beleuchtung: LED
- Länge: 1,96 m
- Breite: 0,88 m
- Stauraum: 5l
- Höhe: 1,13 m
- Preis: ab 5.390 Euro
*****
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Nunja. Halb so schnell wie das Original( ok,dem Gesetz geschuldet), reichweite ist beim benzinbetriebenen Vogel auch eine andere.
Für 5000 euro bekommt man drei bis vier restaurierte Originalexemplare. Sagen wir ich kauf mir eine restaurierte KR51/2 für 1500 Euro . Wie lang kann ich wohl mit dem Teil für ~4000 Euro durch die Gegend knattern, ohne ein Verkehrshindernis zu sein?
Im Großen und Ganzen wie beim Auto: Elektro ist hier mehr Lifestyle als Nutzen.
Ist das bei Mopeds nicht - mehr - völlig normal? Wieso geht das nicht, ohne die Finger von der Bremse zu nehmen, das sind doch normalerweise Daumenschalter (wenn's nicht die etwas merkwürdige Drei-Knopf-Bedienung von BMW ist)?
@XuQishi
Ist immer noch vollkommen normal und wie ich finde auch problemlos zu bedienen.
Vielleicht war hier der Tester nicht Zweiraderfahren? Nen Moped darf man ja auch mit dem Autoführerschein fahren.
Zum Roller:
Die Idee gefällt mir, Umsetzung und Preis weniger. Vor allem die fest verbauten Akkus sind ein deutliches Manko.
Eine schon nicht billige 50er Vespa kostet 2000€ weniger!
Der Preis, die Reichweite... 🙄
Bei dem Preis dürfte das Teil ein Ladenhüter werden, der Firma gebe ich keine 3 Jahre., mit Lifestyle läßt sich nicht alles verkloppen .
Diese Begrenzung auf 45 km/h für Kleinkrafträder ist echt Bullshit.
Schade, dass der Akku nicht austauschbar ist. Damit ist sie leider ein Wegwerf Produkt
@BigVanVader
Naja, austauschen kann man die Akkus sicher, nur eben nicht einfach zum Laden entnehmen.
Empfehle jedem sich eine originale Schwalbe mit einer schönen Patina zu kaufen und für den Rest des Geldes fett Urlaub zu machen! Der Überteuerte Elektroschrott da wäre mir nichtmal 500€ wert....
Ein glücklicher Simson Fahrer!
+ Bild 12/18
Verspielt: Die Preise starten bei 5.390 Euro, der Kunde kann aus über 240 Varianten auswählen
...ich gebe ihr keine 2 Jahre....
Beim halben Preis kann man drüber reden. Der Versuch "billig" in Polen zu produzieren scheitert gnadenlos! Der Zusatzakku ist fast pflicht, somit stehen 6200€ auf dem Plan...
Das Problem wird sich aber schnell von allein lösen. Die Konkurenz steht auf dem Feld und kann i.d.R. alles besser, sogar im Preis!
Jeden Interessenten kann man da nur BOLT empfehlen!
Ich würde das Original schon deshalb nehmen, weil die DDR-Mopeds 33% schneller sind und man damit nicht so im Weg steht. Ich hatte mal im Urlaub nen 50er-Roller gemietet, da kriegt man ja Angst mit 45 km/h. Da würde ich mir zum Pendeln oder so eher ne 125er, 250er oder ein Äquivalent kaufen.
Kommt drauf an, was die als Variante zählen. Ich schätze mal, die bauen die größtenteils in Handarbeit zusammen und wenn da jede Kombination aus Akku, Farbe, Aufkleberchen etc. als Variante zählt, ist das vom Ablauf her kein großes Ding.
Halte ich auch für eine Totgeburt. Das Hauptargument für das Fahren der Simson Mokicks ist doch, daß sie aufgrund der Übergangsbestimmungen mit Klasse M legal mit 60 km/h (real sind auch mal 70-75 mit der S51 drin) fahren dürfen, wenn sie vor 1992 erstmals in Verkehr gebracht wurden. Mit 45 km/h ist eines der Hauptargumente weg und man tummelt sich im Haifischbecken mit den großen Herstellern. Ob dann die Optik, die manche als Kult empfinden, reicht, da habe ich meine Zweifel.
Das einzige womit dieses "Ding" (Schwalbe darf man das garnicht nennen, das ist ne Beleidigung) punkten könnte wäre halt die Optik und für die, die es mögen halt der E-Antrieb. Der ist ja auch nicht schlecht, sowas geht schon ganz gut nach vorne. Aus dem Stand, wenn genug Leistung da ist macht zumindest de Anzug schon Spaß.
Aber der Preis ist einfach zu hoch, solche Fahrzeuge sollen doch in den meisten Fällen nicht als Alltagsgefährt dienen. Dann dürfen sie aber auch nicht so viel kosten wie ein guter gebrauchter Kleinwagen, der Preis steht einfach nicht im Verhältnis zum Angebot. Sie ist langsamer weil die Ausnahmeregel nicht gilt und selbst mit 2 Akkus grad mal die halbe Reichweite eine Simme. Klar ist für die Stadt gedacht, aber wenn ich zur Arbeit gefahren bin habe ich alle 1 1/2 Wochen voll getankt und gut war. Das Ding muss mindestens 1x pro Woche an die Dose.
Darüber hinaus, der Blinkerschalter ist doch immer so, das kenne ich garnicht anders. Der Akku muss auf jeden Fall noch einen Umbau erfahren, wieso man das Teil nicht rausnehmbar baut ist mir ein Rätsel. Ist das gleiche Problem wie mit E-Autos, hast du keine Garage stehst du dumm da ohne Steckdose. Die Akkus sind ja nicht mehr so schwer wie früher die Blei-Säuerlinge.
Bevor man uns das 2-Takt Fahren nicht verbietet werde ich mir so einen Rohrkrepierer sicher nicht kaufen, im Gegenteil werde ich dieses Jahr noch eine echte Schwalbe dazu kaufen. 2 Mopeds sollten reichen und ist nunmal Kult. Fehlt eigentlich noch ein Trabbi
Bildunterchrift:
Ich kann mich nicht entsinnen jemals bei einem DDR-Moped einen innen verrosteten Tank gesehen zu haben. In diesem befand sich üblicherweise ein Kraftstoff-Öl-Gemisch, was dem Rost keine Chance bot.