Mercedes eSprinter (2019) im Test: Elektro-Lieferwagen
Der Sprinter für behutsame Kurierfahrer
Mehr Strom für den Lieferverkehr: Mercedes baut ab 2019 einen Elektro-Sprinter. Der kann günstiger sein als ein Diesel, funktioniert aber nur in der Stadt. Erste Fahrt.
Hamburg – Als Privatmensch kann man sich ein bisschen Öko-Romantik leisten. Als Kurierfahrer oder Paketdienst weniger. Da muss sich auch Elektromobilität rechnen und im Arbeitsalltag funktionieren. Der Begriff „Reichweitenangst“ bekommt eine andere Bedeutung, wenn die wirtschaftliche Existenz daran hängt.
So gesehen ist es eigentlich überraschend, dass die E-Mobilität bei den Nutzfahrzeugen schon Gestalt annimmt. Die Post hat mit dem StreetScooter vorgelegt und Druck aufgebaut. Die traditionellen Autohersteller ziehen nach. Mercedes bringt jetzt nach dem eVito den größeren eSprinter.
Mercedes eSprinter: Viel Laderaum, wenig Reichweite
Während der kleinere eVito (bis 6,6 Kubikmeter Ladevolumen, 1.048 kg Nutzlast) schon bestellbar ist, lässt der eSprinter noch etwas auf sich warten. 2019 kommt der 5,93 Meter lange Elektro-Lieferwagen. Bis zu 10,5 Kubikmeter Ladung passt rein, die Nutzlast liegt bei 1.040 Kilo.
Mercedes bietet den eSprinter in zwei Varianten an. Bei der „kleineren“ Version baut Daimler drei Batteriemodiule in den Unterboden. Sie sitzen in einem gemeinsamen Rahmen, der zwei Funktionen erfüllt: Er schützt bei Unfällen vor Beschädigungen der Batterien und erlaubt eine Montage auf dem Band für Sprinter mit konventionellen Antrieben. 100 Pouch-Zellen in etwa taschenbuchgroßen Gehäusen stecken in jedem Modul, insgesamt also 300 Zellen.
Im eSprinter reicht der Drilling für eine Reichweite von 115 Kilometern. Wer mehr will, kann sich ein viertes Paket einbauen lassen. Damit steigt die Akkukapazität auf 55,2 kWh, die Reichweite wächst auf 150 Kilometer. Allerdings sinkt die Nutzlast, statt der guten Tonne bleiben noch 900 Kilogramm. Die vierte Batterie wird in einem zusätzlichen Hilfsrahmen an die bestehenden drei geschraubt. Einzeln verbaut Daimler die gleichen Batterien auch in der Plug-in-Version der S-Klasse.
Im Sprinter steckt der Antriebsstrang des Vito
Für den Antrieb setzt Daimler bei eVito und eSprinter auf das gleiche Aggregat. Der Motor verfügt über 84 kW (114 PS) und 300 Newtonmeter Drehmoment. Das langt für flotte Fahrleistungen, die leer auf ähnlichem Niveau wie bei den Diesel-Sprintern liegen. Bis zu gewissen Geschwindigkeiten. Und mit wenig Gewicht.
Wir konnten den eSprinter nur unbeladen fahren. So fährt er sich, wie sich Elektromobile eben fahren. Wobei Daimler Journalisten vorerst nur auf abgesperrtem Gelände auf dem Hamburger Großmarkt ans Steuer ließ.
Der eSprinter legt flott los, zieht bis Stadttempo gut durch und dürfte auch mit der üblichen Ladung von Zalando, eBay oder Amazon keine Probleme haben. Das ist das Schöne am Lieferverkehr: Schuhe, Unterhaltungselektronik oder Sommerkleider wiegen nicht viel, auch nicht in sicherer Versandverpackung.
Höheres Gewicht stört die Gesamtreichweite weniger als beim Verbrenner. Was beim Beschleunigen stört, hilft bei der Rekuperation. Aus hohen Geschwindigkeiten speist der eSprinter beim Verzögern mit bis zu 80-90 kW Energie zurück in die Akkus.
Variable Rekuperation und Spar-Modi
Wie viel im Stadtverkehr oder gar über Land in die Akkus wandert, lässt sich über Schaltpaddel am Lenkrad regeln. Vier Stufen stehen dafür zur Verfügung. Gestartet wird im Modus D- mit maximaler Rekuperation. Nur mit einem Pedal (wie beim Nissan Leaf) lässt er sich allerdings nicht fahren, der eSprinter „kriecht“ stets ein wenig, das soll das Rangieren erleichtern.
Bei D und D+ wird mehr gerollt und weniger rekuperiert. Bei D++ wird „gesegelt“. Sprich: möglichst widerstandslos gerollt. Beim Tritt auf die Bremse bekommt die Batterie dann doch wieder Strom. Aber nicht in gleichem Maße wie in den anderen Modi, um den Übergang zwischen Bremse und Rekuperation harmonisch zu gestalten.
Unabhängig davon gibt es zudem die drei Fahrmodi E, E+ und C. Wobei C für Comfort steht. In E wird mehr Wert auf Effizienz gelegt, bei E+ drosselt Mercedes zusätzlich die Leistung auf 70 kW und das Drehmoment auf 270 Newtonmeter.
eSprinter-Piloten sollen sparsam fahren
Für künftige elektrische Kurierfahrer sind das neue Herausforderungen. Eine sparsame Fahrweise steht in dieser Branche bisher nicht so im Vordergrund. Damit das anders wird, will Daimler später auch Lehrgänge für Flottenfahrer anbieten. Schon jetzt können Fuhrparkmanager, wie bei Verbrenner-Sprintern, die Höchstgeschwindigkeit elektronisch begrenzen lassen. 80 km/h, 100 km/h oder 120 km/h sind möglich.
Und auch in anderer Hinsicht greift Daimler eSprinter-Käufern unter die Arme. Wer elektrisch liefert, der muss schließlich die Akkus laden. Beim eSprinter geht das anders als beim eVito auch mit Gleichstrom (DC) und höherer Leistung als den gut 7 kW per Wallbox. Die meisten Flotten dürften trotzdem auf dem Betriebshof an die Dose gehen.
Doch je elektrischer die Kunden werden, desto eher kann das Stromnetz an seine Grenzen geraten. Eine große Flotte eSprinter braucht eine große Zahl an Wallboxen, die das große Akkupaket in rund acht Stunden von 0 auf 100 Prozent zu laden. Mercedes checkt schon im Vorfeld, ob die Kapazität ausreicht. Im Notfall muss aufgerüstet werden.
Smartes Lademanagement soll helfen, das zu vermeiden. Fuhrparkmanager können über den Service Mercedes Connect Pro festlegen, wann Fahrzeuge einsatzbereit sein müssen, die Ladeleistung wird entsprechend angepasst. Dann saugen nicht alle Autos mit voller Kraft, sondern nur so viel, dass sie rechtzeitig voll werden. Das schont das Netz.
Ein Elektro-Sprinter kann sich lohnen
Doch lohnt E-Mobilität überhaupt? Daimler sagt: ja. Vor allem Großkunden mit hohen Jahresfahrleistungen sollen sogar günstiger fahren können als mit Verbrennern. Energielieferanten bieten Großabnehmern schließlich günstige Preise für die Kilowattstunde, je höher die Kilometerleistung pro Jahr, desto eher rechnet sich das.
Um den Kunden den Umstieg zu erleichtern, hat Mercedes ein Tool entwickelt, mit dem Kunden ihre eigenen Rechenspiele machen können. Laufleistung, Strompreis, Wartungskosten, Versicherung, Steuern – alles eingegeben, sollen die potenziellen Kunden sehen, ob sie sparen und wenn ja, wieviel.
Mit einer weiteren App lässt sich ermitteln, ob sich die Transportaufgaben überhaupt für die E-Mobilität eignen. Per Eingabe des Fahrprofils und sogar der Außentemperatur ermittelt die „eVan ready App“, ob eSprinter oder eVito überhaupt eine Option für die anstehenden Transportaufgaben sind.
Der Diesel-Sprinter als Maßstab
Nur fürs grüne Gewissen und den Spaß an der Technik wird ein Paketdienst, ein Handwerker oder ein Kurierservice nicht auf Elektro-Lieferwagen umsteigen. Das Ganze muss sich rechnen und genauso zuverlässig und flexibel sein wie herkömmliche Technik. Da ist offenbar noch Überzeugungsarbeit notwendig.
Preise für den eSprinter nennt Mercedes noch nicht. Der eVito kostet mit 39.990 Euro rund 7.000 Euro mehr als ein vergleichbarer Vito mit 5,14 Metern Radstand. Der Sprinter startet als 311 CDI mit Vorderradantrieb bei rund 39.500 Euro. Eine ähnliche Preisdifferenz wie beim eVito ist beim eSprinter wahrscheinlich. Damit sich das lohnt heißt es: Viel fahren und einen guten Stromvertrag abschließen.
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Heißt also das ein Modul 140kg wiegt, 4 Module dann also 560kg ca.
Und das für im Idealfall 150km????
Nun gut gewisse Kompromisse muss man wohl eingehen.
Aber die hier angesprochen Großkunden mit hohen Fahrleistungen, wie soll das gehen?? Bei 8 Stunden Ladezeit.
Kommt man doch max auf 400km am Tag denke ich mal?????
Lustig.
Soll sich wirtschaftlich bei hohen Fahrleistungen rentieren, aber er bietet nur 100km Reichweite und darf dann erstmal 8h an die Wallbox... Die dann eventuell noch gedrosselt wird wenn zu viele dranhängen... Oh man, da muss sich noch sehr viel tuen.
Kruzefix..wieso schafft es Tesla Reichweiten von 400km/h anzubieten und Mercedes mit seinem Sprinter gerade mal rund 120km???
Beim Sprinter ist doch soviel Platz, da können doch 100 kw/h Akkus kein Problem sein die irgendwo unterzubringen.
Wäre halt keine Nutzlast mehr vorhanden
laut einem älteren Bericht haben die Kunden Mercedes über die tägliche Strecken informiert und scheinbar reicht den Meisten sowas aus. Technisch geht sicherlich mehr, preislich würde es dann bei den typischen Mercedes-Kosten ordentlich ansteigen.
Wo schafft Tesla 400km Reichweite bei Transportern? Meines Wissens gibt es nichtmal einen Transporter.
Und zur unteren Frage, ja es wäre wahrscheinlich kein Problem das unterzubringen, aber wenn 50km mehr Reichweite über 100kg batterie mit sich bringen muss das auch bedacht werden.
Eben der Tesla S als Limousine hat sicher wesentlich weniger Platz zur Verfügung wie der Sprinter.
Die schaffen aber die 400 km
zumindest mit gefahrenen 100 bis 120km/h
Wenn so ein Sprinter nur 300km pro Ladung kommt wäre das auch schon etwas aber 100 bis 150km?
Sehr mager.
Es würde schon reichen,wenn sie dreiphasiges Laden ermöglichen würden statt einphasigem Schnarchladen.
Damit hat man auch hier wieder den Beweis erbracht, dass Steckdosensucher absolut unwirtschaftlich und praxisuntauglich sind.
Man beachte mal die mehr als optimistische Reichweitenangabe.
Und nun stellen wir uns mal einen vollbeladenen Sprinter im Stadtverkehr vor.
Da dürften es real vielleicht noch 80km sein, bis das Fahrzeug abgeschleppt werden muss, während ein Fahrzeug mit reichweitenstarkem Dieselmotor die restlichen 300km der Tagestour übernimmt.
Schon die Post hat ja mit ihren Steckdosensuchern große Probleme. Geringe Reichweite, hohe Ausfallqoute und lange Ladezeiten.
Lieferfahrzeuge mit Diesel-Hybridantrieb wären ja noch ein wenig nachvollziehbar.
Aber als reine Elektrokrücke unverständlich, praxisfern, unwirtschaftlich und absolut unbrauchbar, wenn man es mal richtig durchrechnet.
Im lokal-regionalen Lieferverkehr sind immer noch 30-40.000 km p.a denkbar. Ich hab immer Schwierigkeiten mir vorzustellen, dass die Diesel sonderlich lange halten, wenn der Motor für Fahrstrecken von wenigen 100 m immer wieder angelassen wird. Als Konzept für den Lieferverkehr ist Elektro IMHO deutlich besser geeignet.
Interessant finde ich die elektrische Anbindung der Standorte mit Flotten von 10...20... Fahrzeugen.
Edit: Wichtig ist die Bedarfsanalyse vor der Anschaffung, Daten die beim Flottenmanagement tagesaktuell vorhanden sind.