Formel E statt DTM und WEC für Porsche und Mercedes

Die Formel E ist nicht schuld

Sven Förster

verfasst am Mon Jul 31 14:35:10 CEST 2017

Porsche verlässt die Langstrecken-WM, Mercedes die DTM. Man wird sich in der Formel E treffen. Ist das echter Motorsport? Die Frage sollte lauten: Sind es die anderen Serien noch?

Mercedes verlässt die DTM, Porsche die große Prototypen-Klasse der Langstrecken-WM. Zugunsten der Formel E. Ist die Elektro-Formel echter Motorsport? Oder ruiniert sie ihn?
Quelle: Picture Alliance & MOTOR-TALK

Berlin – Porsche wird ab Ende 2017 nicht mehr um den Sieg in der WEC mitfahren, beim Klassiker in Le Mans fehlen. Mercedes startet 2018 zum letzten Mal in der DTM. Den Rennserien kommt nicht einfach nur ein Teilnehmer abhanden. Es ist, als würde Ferrari aus der Formel 1 aussteigen: Die jeweils erfolgreichste und traditionsreichste Marke wirft hin.

Das tut den Serien weh, ihren Finanzen und ihrem Image. Vielleicht auch dem Stolz: Die Hersteller wollen in der spritlosen Formel E weiterfahren. Rennen mit viel fragwürdigem Klimbim und Autos ohne Motorsound im klassischen Sinn. Trotzdem: Die Frage ist nicht, ob die Formel E echter Motorsport ist. Sondern, ob die traditionellen Rennserien es noch sind.

Formel E: Bald sieben große europäische Hersteller

Zwei deutsche Hersteller warten schon: Audi war bislang durch ABT-Schaeffler in der Formel E vertreten, wird bald ein eigenes Team stellen. So wie BMW
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Freilich: Die Formel E mutet Motorsportfans der alten Schule viel zu. Ein Zuschauer-Voting, das den beliebtesten drei Piloten einen Energie-Boost für das Rennen einbringt. Oder der Ladezustand der Batterie als überragendes Thema. Welcher Fernsehsender berichtete beim Grand Prix von Ungarn schon auf zwei Kommastellen genau, wie viel Sprit Sebastian Vettel bei der Zieleinfahrt im Tank hatte? Und vor allem: Wen hätte das interessiert?

Wenigstens müssen die Formel-E-Piloten ihre Fahrzeuge ab der nächsten Saison nicht mehr zur Rennhälfte tauschen. Noch ist das notwendig. Das Reglement begrenzt die Batteriekapazität je Auto auf 28 Kilowattstunden. Somit reist jedes Team mit mindestens vier Autos an. Manchmal fällt es schwer zu glauben, dass diese Rennserie Stimmung für die Elektromobilität machen soll.

Den Hersteller scheint die neue Serie zu gefallen. Bald sind elf Autobauer dabei. Klammert man jene mit Start-up-Charakter oder ohne Bedeutung am europäischen Markt aus, bleiben künftig Renault, PSA, Audi, BMW, Jaguar und eben Mercedes und Porsche. Namen, die jede Rennserie gerne in der Tabelle ihrer Konstrukteursmeisterschaft hätte. Vieles kann man der Formel E vorwerfen, eines nicht: Die Anbiederung an den klassischen Verbrenner-Motorsport. Kein künstlicher Motorsound, der das unschöne Surren notdürftig überdeckt. Keine Leistungsdaten, die jene von Formel 1, DTM oder Le-Mans-Boliden übertrumpfen sollen.

Elektro als Strafe und ein Kilometer als Sensation

Langsam wird es finster in der Königsklasse der Langstrecken-Weltmeisterschaft: Porsche steigt aus. Audi ist schon weg. Peugeot scheint nicht zu kommen
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Formel-E-Autos wollen nicht archaisch sein, sondern fortschrittlich. Schließt das eine das andere aus? Vermutlich nicht. Doch wenn Leistungswahnsinn und Tradition unbedingt mit Nachhaltigkeit und Innovation gekoppelt werden sollen, wirkt das schnell lächerlich.

So zu sehen bald bei den 24 Stunden von Le Mans: Spätestens 2020 sollen die Hybrid-Prototypen der Königsklasse LMP1 bestimmte Strecken rein elektrisch zurücklegen. Zumindest die letzten Meter über die Ziellinie, häufiger wohl den ersten Kilometer nach dem Boxenstopp. Und zwar nur dann, wenn das Auto beim Stopp an der Steckdose hing. Rund 400 Elektro-PS statt bis zu 900 PS Systemleistung von der Boxenausfahrt bis zum Dunlop-Bogen. E-Antrieb als Strafe und ein emissionsfreier Kilometer als Sensation – so will man in der Langstrecken-Weltmeisterschaft Fortschrittlichkeit demonstrieren.

Zieht Porsche deshalb dem LMP1-Projekt den Stecker? Unwahrscheinlich. Aber die Posse verweist auf das wahre Problem: Viele internationale Rennserien bieten den Herstellern gemessen an den horrenden Einsatzkosten nur noch überschaubare Publicity. Für eine volle Saison in der Langstrecken-Weltmeisterschaft stehen Kosten von 100 Millionen Euro im Raum. Die Veranstalter wollen Zuseher- und Medieninteresse erhöhen. Und verrennen sich dabei in Nebenschauplätzen.

Wehleidige Prototypen statt echtem Racing

Eine DTM ohne Mercedes? Es ist, als würde Ferrari die Formel 1 verlassen - der erfolgreichste Hersteller geht
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Was für die Fans wirklich zählt? Schöne Zweikämpfe auf der Strecke. Keine Crash-Orgien, aber gerne harte Duelle. Früher bot die DTM den Zusehern hier einiges zum Staunen, heute manches zum Wundern: Wenn die Piloten von Mercedes, Audi oder BMW schon nach minimalem Kontakt im Funk über beschädigte Aerodynamik klagen, sinkt bei eingefleischten Tourenwagen-Fans das Interesse.

Die aktuellen DTM-Fahrzeuge haben weit mehr mit Prototypen gemein als mit Serienwagen. Nur die Optik entspricht Audi RS 5, Mercedes C-Klasse oder BMW M4, darunter sitzt ein Gitterrohrrahmen-Chassis mit einem 4,0-Liter-V8-Motor und vielen einheitlichen Teilen. Bei ähnlicher technischer Basis und durchwegs hohem fahrerischen Niveau sind Kleinigkeiten entscheidend. Verständlich also, wenn die Fahrer abgestreiften Spoilern nachweinen. Unbegreiflich dagegen, wieso man die DTM-Tourenwagen zu Aerodynamik-Monstern machte. Umso mehr, da die Liga mit weniger serienentfremdeten Fahrzeugen einst so populär war.

Fazit

Die Formel E wird den klassischen Motorsport nicht verdrängen. Sie ist ein netter Imagebringer für die Hersteller. Und ein dankbares Betätigungsfeld obendrein: Nur wenige Fans verfolgen sämtliche Rennen, nur wenige Massenmedien analysieren jedes Resultat. Dabeisein ist alles. Oder zumindest: ausreichend, wenn der Ruf grüner werden soll.

Dass sich die Hersteller von anderen Rennserien abwenden, ist weder die Schuld noch das Verdienst der Elektro-Formel. DTM und Langstrecken-Weltmeisterschaft haben sich aus eigener Kraft uninteressant gemacht. Beide brachen sich beim Spagat zwischen allen Stühlen den Gasfuß. Er wird heilen, wenn sich die Veranstalter auf die eigenen Traditionen besinnen.

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