VDA-Kongress 2018: Diesel, Strom und Autonomie
Ein Kongress, auf dem es nicht um Diesel gehen sollte
Während in Leipzig Fahrverbote für alte Diesel genehmigt wurden, traf sich in Berlin die Autoindustrie zum Kongress. Dort erfuhr die Branche vom Urteil.
Berlin – Den Leipziger Urteilsspruch spürte man in Berlin an einem Ort besonders: Zeitgleich zur Verkündung fand in der Hauptstadt der jährliche Kongress des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) statt. Das klingt beinahe nach einer Gegenveranstaltung. Dabei stand Diesel eigentlich gar nicht auf der Agenda, jedenfalls nicht als Thema eines Vortrags. Geplant waren Reden zu Mobilitätskonzepten, Elektroautos, Autonomie und Sicherheit im Auto.
Trotzdem interessierte viele Teilnehmer vor allem eins: das Urteil aus Leipzig. Schon zu Beginn des 20. VDA-Kongresses geriet die Tagesordnung durcheinander. VDA-Chef Matthias Wissmann entschuldigte den kommissarischen Verkehrsminister Christian Schmidt. Der müsse im Gericht anwesend sein und habe am Vorabend abgesagt. Sein Staatssekretär Rainer Bomba, ein Ingenieur und früher bei einem Zulieferer tätig, vertrete ihn.
Die Sprecher reagierten fast alle auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Viele erwähnten es. Manche nahmen es in ihren Vortrag auf, andere ordneten es ein. Die Fahrverbote zogen sich durch das Grußwort, die Randbemerkungen und die Ergänzungen.
20. VDA-Kongress in Berlin: Die Autoindustrie während des Diesel-Urteils
Als Wissmann die rund 900 Teilnehmer und Gäste begrüßte, war das Urteil noch nicht gefallen. Er startete mit leichter Verspätung – die Akkreditierung aller Besucher im Foyer des Hotels dauerte länger als geplant. So viele Gäste waren noch nie anwesend. Schon während der Auftaktrede drängelte sich der Diesel in den Vordergrund. Nicht wegen Schmidt. Sondern weil jeder im Saal regelmäßig auf das Handy schielte. Das Urteil sollte zwei Stunden später bekannt gegeben werden.Bevor sicher war, was Leipzig entscheidet, erklärte Wissmann: Schadstoffe ließen sich auf vielen Wegen reduzieren. Ein besserer Verkehrsfluss würde helfen. Digitalisierung könne unnötige Fahrten vermeiden, zum Beispiel die lange Suche nach einem Parkplatz. In Städten sei der Stickoxid-Ausstoß seit 1990 aber bereits um 70 Prozent gesunken.
Dieselmotoren sieht die Autoindustrie seit Langem als wichtiges Mittel zur Senkung der CO2-Emissionen. Nach dem Willen der alten Bundesregierung sollen nun Elektroautos übernehmen. Wissmann warnte: Elektromobilität sei ein Königsweg, aber nicht der einzige. Er begrüße das Bekenntnis der potenziellen Großen Koalition für Technologieneutralität und gegen Quoten. „Keiner kann heute sagen, welcher Technologie tatsächlich die Zukunft gehört“, befand der VDA-Präsident..
Wissmann fand in seinem letzten großen Auftritt als VDA-Chef kritische Worte. Erfolge seien kein Grund, sich zurückzulehnen, mahnt er. Und den Sprung zum Leitmarkt für Elektromobilität habe Deutschland noch nicht geschafft. Am 1. März 2018, dem Tag nach dem Kongress, löste ihn der ehemalige Ford-Deutschland-Chef Bernhard Matthes an der Spitze des Lobbyverbandes ab.
In der gleichen Rede lobte Wissmann seine Branche. Ein Drittel aller Elektro- und Hybridpatente komme aus Deutschland. Beim autonomen Fahren sei es mehr als die Hälfte. Deutsche Hersteller hätten bei der Elektromobilität EU-weit einen Marktanteil von 53 Prozent, lägen sogar in Norwegen vorn. Ein „schwerer Fehler einzelner“ könne die Branche mit 820.000 Stammbeschäftigten nicht ruinieren.
Verkehrsministerium: Elektroautos und autonome Fahrzeuge
Staatssekretär Bomba sprach direkt nach Wissmann. Er sieht die Ablösung des Verbrennungsmotors als gesetzt: „Ich glaube, das werden wir nicht aufhalten können und auch nicht aufhalten wollen“, sagte er. Und er erzählt von Fortschritten beim Ausbau der Ladeinfrastruktur. An 400 Tank- und Rastanlagen gebe es jetzt Schnellladesäulen. Die neuesten laden mit bis zu 150 Kilowatt – schneller als die Supercharger von Tesla.
Die Mobilität befindet sich im Umschwung, findet Bomba. Künftig werde nicht mehr jeder ein Auto oder gar einen Führerschein brauchen. Autonomie sei ein wichtiger Punkt in der Entwicklung. Menschliches Versagen verschulde den Großteil aller Unfälle. Mit einer guten Vernetzung würde sich zudem die Energiebilanz verbessern.
Dafür müsse die Industrie in Deutschland aber noch viel nachholen. Der Oberbürgermeister von Lima (Peru) habe 5.500 elektrische Linienbusse bestellen wollen. Kein deutsches Unternehmen konnte sie liefern. Die Hersteller vertrösteten ihn auf 2021 und boten Dieselbusse an. Der Auftrag ging ins Ausland.Der Verbrennungsmotor bleibt wichtig für die Industrie
Die Industrie sieht das ähnlich, aber auch ein bisschen anders. „Der Verbrennungsmotor hat eine große Zukunft“, sagte Peter Gutzmer, Technologie-Vorstand des Zulieferers Schaeffler. Deshalb müssten Ausbildung und Studium auf diesem Gebiet für den Nachwuchs langfristig interessant bleiben. Besonders der Bereich E-Fuels werde wichtig – hier lasse sich viel CO2 einsparen.
VW-Technikchef Ulrich Eichhorn sprach über den Zusammenhang von Elektromobilität und autonomem Fahren. Er redete als erster nach dem Bekanntwerden des Urteils, ging aber wenig darauf ein. Bei den alternativen Antrieben stimmte er Wissmann zu – ein neuer Standard sei noch nicht gesetzt.
Dennoch, schloss er ab, liege bald ein Schwerpunkt auf der Elektromobilität. Bis 2025 soll etwa die Hälfte aller verkauften Konzernfahrzeuge rein elektrisch fahren. Ein weiteres Viertel mit Stromunterstützung. Damit das klappt, bedarf es keiner Autonomie. Wenn es geklappt hat, werde es die Autonomie aber einfacher haben. Die von Bomba aufgeführten Ladestationen würden dafür nicht ausreichen.
Die Zulieferer stellten Lösungen für mehr Energieeffizienz vor. Continental will Lkws vernetzen und sie vor einem Stau ausrollen lassen. Magna setzt auf dem Firmengelände einen Elektro-Lkw ein, der automatisch an den Laderampen lädt und deshalb pausenlos im Einsatz ist. Valeo Siemens will Baukastensysteme für Elektroautos anbieten. Bosch erwartet einen besseren Verkehrsfluss durch autonome Fahrzeuge.
Diesel-Sperrung in Hamburg: Ausnahmen für Lieferverkehr und Anwohner
So richtig drang der Diesel erst gegen Ende des ersten Kongresstages ins Programm vor. Der Hamburger Verkehrsstadtrat Andreas Rieckhof erklärte die Maßnahmen seiner Stadt: Zwei Straßen sollen für Diesel eingeschränkt befahrbar sein. Auf der Max-Brauer-Allee dürfen auf mehreren Hundert Metern Strecke nur Selbstzünder ab der Norm Euro 6 fahren. Auf 1,7 Kilometern der Stresemannstraße sollen Diesel-Lkw unterhalb Euro 6 verboten werden. Sie müssten die Straßen umfahren.Rieckhof versicherte allerdings, dass es in Hamburg kein pauschales Verbot geben soll. Anwohner und Lieferverkehr mit Zielen in diesen Straßen bekämen Ausnahmegenehmigungen. Das wiederholt ein aktueller Tweet der Hamburger Umweltbehörde. Zur Kontrolle dieser Regelungen sagte Riehof allerdings noch nichts. „Die blaue Plakette ist nach unserer Einschätzung vom Tisch“, stellte er allerdings fest.
Wie andere Städte vorgehen wollen, ist bisher nicht bekannt. Verbote in so bescheidenem Umfang werden in vielen Fällen nicht zwingend nach einer Umrüstung der Autos verlangen. Zumal dann weitere Probleme auf Besitzer und Umrüster zukommen. Wissmann warnte vor einem höheren Kraftstoffverbrauch nach der Installation von SCR-Anlagen.
Das klingt kleinlich – ist es aber nicht. Für eine problemlose Genehmigung durch die Zulassungsbehörde darf der NEFZ-Verbrauch der Fahrzeuge nicht steigen. Die großflächige Umrüstung würde nach Wissmanns Einschätzung zwei bis drei Jahre dauern. Bis dahin könne der NOx-Ausstoß durch die Zulassung neuer Diesel ohnehin signifikant sinken.
*****
In eigener Sache: Wir verschicken unsere besten News einmal am Tag (Montag bis Freitag) über Whatsapp und Insta. Klingt gut? Dann lies hier, wie Du Dich anmelden kannst. Es dauert nur 2 Minuten.
Juchu 😊
Die Jungs werden gejubelt haben ... nicht! 😊
Ich sehe es nicht so schwarz wie das Ganze gemalt wird.
Bisher war immer nur von 25% rein elektrisch die Rede, oder täusche ich mich hier?
Ein Paradigmenwechsel, krass.
Natürlich haben die gejubelt. Was gibt es denn für Autohersteller und Zulieferer besseres als Fahrverbote?
Damit werden ohne Ende neue Autos gekauft, zumindest jedoch alte in den Markenwerkstätten mit Zuliefererteilen umgerüstet.
Und bis auf VW haben alle saubere Hände: Die Abgasreinigung entspricht nach derzeitigem Stand den gesetzlichen Anforderungen. Man kann die Hersteller nicht ernsthaft zur Rechenschaft ziehen, denn sie haben innerhalb des gesetzlichen Rahmens gehandelt.
Trotzdem dürfen wir uns freuen, dass es demnächst sicherlich wieder einen Diesel-Gipfel geben wird. Der wird schöne Bilder erzeugen und schöne Worte, aber wie vormals am Problem nichts ändern.
Wie man sieht, werden dem Volk immer weiter Märchen erzählt, wenn ich mir zum wiederholten Male die gefeierte NOx-Emissionsreduktion ansehen muss. Das Jahr 1990, direkt nach der Wende als Ausgangspunkt zu nehmen ist natürlich ein bequemer Weg. Damals gab es in Schwarze Pumpe ein einziges Kraftwerk, das so viele Schadstoffe in die Luft pustete, wie heute die gesamte Bundesrepublik...
Eine seltsame Welt, da soll so ein Elektrokarren mit 150 kW geladen werden? Ist denn den "Fachleuten" klar, was für Leitungen da zu einer Ladestation gelegt werden müssen? Das sind rund 50 Haushaltssteckdosen. Nur für eine Ladestation. An einer "Tankstelle" oder an einer Raststätte wird man eine Vielzahl von solchen Übergabestationen benötigen, von der Zahl der Stellplätze mal ganz abgesehen. Leute kauft Kupferaktien. Oder müssen dann alle zum Laden direkt ans Kernkraftwerk oder den Kohlemeiler ranfahren?
Wissmann, Dobrindt, Schmidt und Co wollten sich wohl selbst feiern, das ging jetzt aber ordentlich in die Hose. Kein Konzept, außer, dass man zur "Motorschonung" nur in einem richtig kleinen Temperaturfenster die Abgasreinigung beim Diesel arbeiten lässt. Es ist im Sommer schon eine Zumutung, als Zweiradfahrer hinter einem Diesel herfahren zu dürfen, manche Typen stinken widerlich nach Stickoxiden, aber in der kalten Jahreszeit wird es einfach unerträglich. Da stinken nicht nur die Großvolumer, nein auch die kleinen Allerweltsdiesel stoßen Brechreiz aus, schon bei minimaler Last, bei Windstille sind die bereits lange im Voraus auszumachen. Wie früher die einzelnen Trabi und Wartburg auf der BAB.
Man kann über die Stickoxid-Diskussionswelle durchaus geteilter Meinung sein, betrachtet man die Grenzwerte im Abgas und den MAK-Wert im Büro neben dem Drucker/Kopierer, aber einfach die Reinigung abschalten aus welchen Gründen auch immer geht garnicht. Warum sträuben sich die Autler denn so gegen eine Hardware-Nachrüstung? Immerhin kosten Autos in der Herstellung zwischen 10 und 15% des geforderten Listenpreises, da sollte - auch in Anbetracht der Milliardengewinne einiger Hersteller - ein Nachrüstung mit einem funktionierenden SCR-System drin sein. Immerhin haben die Kunden in gutem Glauben ein "sauberes" Auto erworben, dass nun aber doch nicht so sauber ist. Wenn es technisch nicht möglich sein sollte, die Grenzwerte wirklich und unter allen Betriebsbedingungen einzuhalten, dann ist das eben das Ende des Dieselmotors im PKW.
Jetzt schielen alle auf den Diesel, aber was ist mit dem Feinstaub beim DI-Benziner? Was halten die Filter von den ultrafeinen Rußpartikeln denn zurück? Da bahnt sich vielleicht der nächste Skandal an. Was dreht man dem Kunden an? Alle vier Jahre eine neue Blechpressung und ein paar Assistenten mehr? Nice to have, aber wirklich nötig? Wann braucht man einen - meist unzuverlässigen - Spurhalteassistenten? Wer die Spur nicht halten kann.... Einen Verkehrsschildleseapparat? Wer es nicht mehr lesen kann, oh je...
Die automobile Zukunft, man wird sehen, was am Ende so auf den Straßen rollt. Benziner bestimmt noch eine geraume Zeit, Diesel eher weniger, akkubetriebene E-Wagen vielleicht, Brennstoffzellenantrieb mit Methanol oder Wasserstoff als Treibstoff bestimmt auch. Es ist spannend, mal sehen, wie der Kongress so tanzt.
re
Kongress der Dinosaurier. Fazit: keine Ideen, keine Lösungen, nur sinnloses Geschwafel.
Wer finanziert eigentlich diesen Kongress? Ach ja, wir alle!
mal schauen wie Herr Mattes in seinem "ersten" (f.d.VDA) Fernsehaufritt so macht.
Scheint eine Menge Zündstoff drin ob der ilustren Gästeschaar...Gerade der Resch erlebt jetzt den massiven Gegenwind der Automächtigen, denn, das Fass was er aufgemacht hat, ist kein Kindergeburtstag - denkbar und wäre möglich, dass bald Personenschutz vonnöten ist😉
Diesel ausgebremst – kommen jetzt die Fahrverbote?
"maybrit illner" mit dem Thema "Diesel ausgebremst – kommen jetzt die Fahrverbote?" am Donnerstag, den 1. März 2018, um 22:15 Uhr im ZDF. Die Gäste: • Barbara Hendricks (SPD), amtierende Bundesumweltministerin • Bernd Althusmann (CDU), … Onkel Jürgen und New Präsi vom VDA Bernd M. und noch zwei...😆
https://www.zdf.de/politik/maybrit-illner
Aber hier auf MT gibt es immer noch genügend, die von E-Karren - es würde sich eh nie durchsetzen und alle Probleme seien unlösbar.
Meine Rede. Für viele ist scheinbar das E-Auto die Lösung auf all unsere Probleme. Hoffentlich wird das nochmal was mit den Wasserstoff-KFZs. Große Hoffnungen habe ich aber leider keine mehr.
„Dafür müsse die Industrie in Deutschland aber noch viel nachholen. Der Oberbürgermeister von Lima (Peru) habe 5.500 elektrische Linienbusse bestellen wollen. Kein deutsches Unternehmen konnte sie liefern. Die Hersteller vertrösteten ihn auf 2021 und boten Dieselbusse an. Der Auftrag ging ins Ausland.“
In Deutschland läuft die Produktion langsam an:
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/...-4468-b5ea-85c718af4988.html
Die Nachfrage ist sicher global da. Daimler hätte aber dem Markttrend durchaus voreilen können. So wird etwas hinterhergeeilt - aber vielleicht sind die Daimlerbusse technologisch besser. Dann kann durchaus der Rückstand aufgeholt werden. Es reicht heute nicht mehr in Verbrennertechnologien führend zu sein. Das bringt keinen Auftragsschub im eBereich.
So ist das eben mit den alten Leuten.
Früher war eben alles besser 😊.
Mein Gott, dieser Herr Wissmann.
Bin ich froh, wenn ich dem sein Geschwätz nicht mehr hören muss.
Der hat in seiner Lobbykarriere so viel Quark geplappert, nicht zu ertragen!
Zum Glück ist diese unmögliche Person die ein Gesicht wie ein Buch hat also noch-VDA-Chef Matthias Wissmann endlich weg!
Danke für den Hinweis! Und ich dachte schon: heute kommt gar kein Kabarett mehr im TV.
Vergesst euer Popcorn nicht =)