Classic Driving: Das Dreißigerjahre-Strand-Rennen von Römö
Einmal im Jahr bebt der Sand vom Römö
Einmal im Jahr findet in Dänemark ein Oldtimer-Rennen der besonderen Art statt. Dann treten am Strand von Römö Hunderte eine Zeitreise in die Vergangenheit an.
Römö/Dänemark - Staf Skov steht in den Dünen am Strand von Römö und kann selbst kaum glauben, was er sieht. Dabei ist er für das ganze Spektakel hier mitverantwortlich. Doch dass mitten im Nationalpark einmal zehntausend Petrolheads eine PS-Party feiern und sich oft bis zur Unkenntlichkeit getunte Autos und Motorräder aus den 1930ern auf dem betonharten Sand erbitterte Rennen liefern würden, war nicht abzusehen. Eigentlich wollten er und ein paar Kumpels mit ihren Hotrods nur ein bisschen Spaß am Strand haben. Genauso, wie vor fast 100 Jahren, als ein paar Rennfahrer, Privatiers und Hasardeure den Strand der Nachbarinsel Fanö als Rekordmeile auserwählten.
„Das war damals die schnellste Strecke der Erde“, erinnert sich Staf an die Berichte von den berühmten Strandrennen, die 1919 begonnen hatten: „Rennstrecken gab es zu dieser Zeit noch nicht, die Straßenkurse waren zu verwinkelt und zu kurvig für hohe Geschwindigkeiten und in Daytona oder Bonneville waren sie noch nicht auf den Geschmack gekommen.“Zu den Stars jener Zeit gehört auch Carls Jörns, der als Werksfahrer für Opel hinterm Steuer sitzt und in Fanö mit einem ganz besonderen Auto an den Start geht: Dem „Grünen Monster“, einer riesigen Rennzigarre, die aus kaum etwas anderem besteht als aus vier hüfthohen Rädern und einem Motor, der zwar nur vier Zylinder aber dafür 23 Liter Hubraum hat. Das größte Triebwerk, das in Rüsselsheim je gegossen wurde, leistet rund 260 PS und bringt Jörns bei den Strandrennen von Fanö zahlreiche Siege und einen Rekord ein: Er jagt mit 228 km/h über den Strand und darf sich als schnellster Autofahrer der Welt feiern lassen.
96 Jahre nach dem letzten Rennen in Fanö steht das Grüne Monster auf der Nachbarinsel wieder am Strand und ist der Star beim dritten Römö Motor Festival. Denn aus der Schnapsidee für Stafs Clique aus US-Car-Fans ist mittlerweile eines der spektakulärsten und charmantesten Motorsportevents im europäischen Oldtimer-Kalender geworden.
Nur Fahrzeuge mit Baujahr vor 1939 erlaubt
Nach jahrelangen Verhandlungen mit den Behörden haben Staf und seine Kumpels mitten im Naturpark die Genehmigung für ein Rennen bekommen: Was mit vielleicht 30 Fahrzeugen klein angefangen hat, ist mittlerweile eine Großveranstaltung mit zwei Tagen Konzert und Party geworden, die trotzdem ihren Charme bewahrt hat. Mehr als 100 Fahrzeuge – je etwa zur Hälfte Autos und Motorräder – aus elf Ländern sind an den Strand gekommen, um auf der Rennstrecke gegeneinander anzutreten.
Drumherum auf den Parkplätzen steht mehr amerikanisches Alteisen als bei jedem anderen Autotreffen. Denn seit Ford nach dem ersten Weltkrieg ein Montagewerk erst für das Modell T und dann für das Modell A in Kopenhagen eröffnet hat, schwärmen die Skandinavier vor allem für US-Autos. Diese Liebe leben sie bei Events wie dem Motorfestival in vollen Zügen aus. Also stauen sich auf dem schmalen Damm zur Insel in diesen Tagen Hotrods und Heckflossen, Musclecars und Pick-ups, als hätte jemand die Zeit zurück gedreht und die Welt eine halbe Umdrehung nach Westen gerückt.Zu sehen sind am Strand Harley Davidsons und Indians und vor allem Hotrods auf Basis amerikanischer Oldtimer. Dem Reglement nach vor dem zweiten Weltkrieg gebaut und mit Teilen getunt, die den Stand von 1947 oder früher haben. Sie scharren mit ihren Speichenrädern im Sand, daneben skurrile Eigenbauten und mächtige Maschinen wie das Grüne Monster.
Bis der Boden bebt
Manche sind Rostlauben, die ihre Besitzer für 3.000, 4.000 Euro zusammengeschraubt haben, sagt Staf. "Aber viele sind hohe sechsstellige Summen wert." Geschont werden sie trotzdem nicht: „Wir gebrauchen und missbrauchen die Oldtimer genau dafür, wofür wir sie monatelang gehegt und gepflegt haben,“ sagt Staf lachend: „Um damit unseren Spaß im Sand zu haben.“
Sobald die Startflagge schwingt, lassen sie alle die Kupplung schnalzen und gehen mit Vollgas auf die Strecke. Anders als früher in Fanö ist die zwar nur eine Achtelmeile oder rund 200 Meter lang, so dass hier sehr zur Freude der ziemlich gelangweilten Rettungskräfte niemand auch nur annähernd seine Höchstgeschwindigkeit erreicht. Doch auf 70, 80 bisweilen sogar 100 Sachen kommen sie hier allemal.Und es gibt bei Oldtimerrennen nicht nur was für die Augen, sondern auch für die Ohren und die Nase. Wenn Autos wie der American LaFrance mit seinem 27 Liter großen Flugzeugmotor über die Startlinie donnern, dann kann man die Kraft sogar mit den nackten Fußsohlen im Sand spüren, so stark lässt er den Boden beben.
Das Grüne Monster hat zu viel Sand gefressen
Das Publikum, meist in Rock’n’Roll-Uniform, Harley-Shirts oder alter Mechaniker-Verkleidung, ist begeistert und quittiert jeden Gasstoß mit einem tiefen Raunen. Nur Jens Cooper ist traurig. Denn Cooper ist der Oldtimer-Spezialist aus dem Opel-Werk und sollte den Fans eigentlich das Grüne Monster präsentieren. Beim Training an den Tagen zuvor hat er die wenigen Zuschauer ahnen lassen, welche Urgewalt hier am Werk ist: Donnernd laut, mit einer meterhohen Sandfontäne im Schlepp und einer Wolke aus Ruß aus dem glühenden Auspuff ist er durchs Watt gepflügt. Jetzt steht er still in der Boxengasse.
Ausgerechnet jetzt, wo zehntausend Zuschauer in den Dünen hocken, macht der Motor keinen Mucks mehr. Sand im Getriebe – das kann man in diesem Fall fast wörtlich nehmen. Kieselsteine würden zwar durch die offene Kulisse der außen angeschlagenen Schaltung kullern, ohne dass es mit der groben Messing-Mechanik ein Problem gäbe. Doch es war offenbar der feine Flugsand vom Vortag, der in den Vergaser geraten ist und der Diva die Laune verdorben hat.
Nächstes Jahr wird das 100. Jubiläum gefeiert
Staf hat an diesem Samstag alle Hände voll zu tun: Er muss die Boxengasse frei bekommen, den Rettungsdienst bei Laune halten, der sich in den letzten drei Jahren durchgehend gelangweilt hat. Er muss regelmäßig die Mädels mit den Startflaggen auswechseln und er muss schauen, dass niemand ohne zeitgemäßes Kostüm in den Bereich unmittelbar um die Rennstrecke kommt. Aber immer wieder zieht es ihn hinauf in die Dünen, wo er sich einen Überblick verschafft und sich jedes mal selbst kneifen muss.
Und dann lässt er seine Gedanken wandern und beginnt im Kopf schon mit den Planungen fürs nächste Jahr. Da jährt sich das erste Rennen am Strand von Fanö zum 100. Mal und Staf hofft auf ein ganz besonderes Event – vielleicht sogar mit einer längeren Strecke und entsprechend mehr Speed. Bei Opel werden sie das gerne hören. Denn bis dorthin läuft das Grüne Monster sicher wieder.
Quelle: Sp-x
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Oh, hoffe nicht das die "Aktivisten" aus dem Hambacher Forst demnächst Strandhütten statt Baumhäuser bauen 😉
Eine tolle Veranstaltung, schön wenn altes Kulturgut gelebt und gefahren wird und nicht nur in einer Sammlung verstaubt!
Wieviel Öl da wohl im Sand versickert... ?
Sicherlich weniger als von der Nordsee angespühlt wird....
"Rennstrecken gab es zu dieser Zeit noch nicht"
blödsinn, das erste indy500 fand schon 1911 statt. 🙄
@enrgy
Stimmt, die Rennstrecke gibt es sogar schon seit 1909, Brooklands 1907.
Aber das Angebot an permanenten Rennstrecken war damals schon recht mau.
Endlich normale Leute......
Kann den Spaß verstehen, selbst die erlaubten 30kmh +-10 brachten mir im Sommer ein Grinsen ins Gesicht. Wären doch nur in DE die Strände breiter... 🙁
Ich finde diese Autos unglaublich faszinierend. Kutschenräder, Motoren wie aus Flugzeugen ausgebaut, dürre große Lenkräder, Holz trifft Metall, alles massiv und robust...
Dazu ein Sound, der einem durch die Haut geht. Kaum ein modernes Auto übt eine solche Strahlkraft aus, wie diese alten Kisten aus den Anfangszeiten, als von den Petrolheads noch unbedingt Schrauberkenntnisse erwartet wurden....
Ja, es passt nicht in die Zeit mit strengen Umweltauflagen, aber toll ist es trotzdem...
So ist es.😎
Gibts in Dänemark keine Grünen oder anderweitige Umweltaktivisten ? Nichtmal einen spassbefreiten Anwohner ?
Hier würde sowas glatt zum Politikum.
Faszination der alten Technik - genauso geht es mir bei qualmenden und lärmenden Dampflokomotiven bei einer Sonderfahrt oder klassischen Flugzeugen, wenn dort mit viel Getöse und Abgas die Kolbenmotoren gestartet werden...
4 Zylinder, 23 Liter Hubraum, 260 PS. Und heute meckern Leute, die einen 2.0 L 115 PS fahren, über die 1.0 L Dreizylinder Turbos mit 125 PS. 😆
Und das grüne Monster hatte 12,3 Liter Hubraum und nicht 23 Liter.
Und 1922 stellte der Carl Jörns einem Rekord von 194km/h auf. Die 228 km/h erreichte er 1924.
Und im Jahre 1911, also 13 Jahre vor der Opel Fahrt, stellte Bob Burman schon einen Geschwindigkeitsrekord von 228,1 km/h mit Blitzen Benz in Daytona Beach auf. Soviel zu Opels Rekord und keine Rennen in Daytona.
Und 1919 stellte Ralph depalma mit Packard 905 einen Rekord von 240, 2 km/h auf (wird aber von der Fia nicht Anerkannt)
Und 1924 (also im Jahr wo der Opel 228 km/h erreichte) stellte René Thomas mit delage La torpile einen rekord von 230,47 km/h auf.
Und ebenfalls 1924 (6 Tage später) stellte Ernest Eldridge mit Fiat Mefistofele von 234,98 km/h auf.
Somit war das grüne Monster niemals das schnellste Fahrzeug der Welt.
War schon 2 Mal in Römö. Außer den den 10km breiten Strand gibt es nix.
Einfach nur Klasse mit Buggy und Kite drachen oder Vollgas über den Sand mit Auto oder Enduro.
Hoffentlich bleibt das so.