Gutachten: Hardware-Nachrüstungen von Dieselfahrzeugen
Experten: Diesel-Nachrüstungen sind teuer und unwirksam
Hardware-Nachrüstungen könnten alte Diesel sauber machen. Ein Gutachten im Auftrag des Verkehrsministeriums zeigt jetzt: Der Aufwand wäre enorm.
- Keine schnelle Aufrüstung von Dieselfahrzeugen möglich
- Nachrüstsysteme nicht wirkungsvoll
- Kosten höher als vermutet
- Eingriffe in die Fahrzeugelektronik nötig
Berlin – Diesel-Abgase müssen sauberer werden. Viele Fahrzeuge stoßen im Alltag mehr Schadstoffe aus als von den Herstellern angegeben. Die Stickoxid-Belastung in den Städten sinkt zu langsam, es drohen Fahrverbote und Strafzahlungen an die EU.
Autobauer wollen mit neuer Software die alten Autos umweltfreundlicher machen. Politiker und Umweltschützer fordern dagegen Hardware-Updates. Konkret geht es um die Nachrüstung von SCR-Katalysatoren, wo bisher keine sind. Der Stickoxid-Ausstoß wird mit so einem System durch die Harnstofflösung „AdBlue“ reduziert. Eine Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) überprüfte, ob solche Umrüstungen wirtschaftlich und technisch umsetzbar sind.
Die Universitätsprofessoren Roland Baar, Michael Bargende, Christian Beidl, Thomas Koch und Hermann Rottengruber verfassten die Kurzstudie „Wissenschaftliche Untersuchungen hardwareseitiger NOx-Reduzierungsmöglichkeiten im Pkw-Bereich und im Segment der leichten Nutzfahrzeuge“ im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums.
Das Dokument ist nun beim Ministerium in voller Länge online verfügbar. Auf gut 150 Seiten diskutieren die Verfasser alle bekannten Möglichkeiten zur Stickoxid-Reduktion durch SCR-Katalysatoren. Wir haben die Ergebnisse zusammengefasst.
Hersteller und Zulieferer könnten umrüsten
Die Professoren unterscheiden zwischen drei möglichen Herangehensweisen. Einen großen Teil ihrer Arbeit widmen sie Nachrüstlösungen von Zulieferern. Firmen wie HJS oder TwinTec wollen autarke Systeme anbieten, die universell in betroffenen Fahrzeugen einsetzbar sind. Die Kosten dafür sollen laut der Nachrüster bei 1.300 bis 1.600 Euro pro Fahrzeug liegen.Die zweite Gruppe enthält Fahrzeuge, die ohne SCR-Kat ausgeliefert wurden, aber prinzipiell mit einer solchen Abgasreinigung verfügbar waren. Bei ihnen ließe sich mit Originalteilen ein besseres System nachrüsten.
Zusätzlich geht es um die Möglichkeit der Hersteller, für bestimmte Fahrzeuge nachträglich ein SCR-System zu entwickeln. Für alle Fälle bewerteten die Verfasser die Kosten, den Aufwand, den Entwicklungsstand und den tatsächlichen Nutzen für die Umwelt.
Neuentwicklung für Hersteller unwirtschaftlich
Das schnellste und klarste Urteil fällt bei der dritten Variante. Allerdings nicht positiv. Die Hersteller müssten einen vollständigen Entwicklungsprozess durchlaufen. Falls Komponenten aus anderen Fahrzeugen verfügbar sind, könne in drei Jahren mit Ergebnissen gerechnet werden. Die Beschaffung der Teile für die Serienproduktion ist nicht mit eingerechnet. Sie dauere ebenfalls einige Monate.
Der hohe Entwicklungsaufwand bedeutet hohe Produktkosten. Möglicherweise sind die vorhandenen Motorsteuergeräte nicht in der Lage, die komplexeren Systeme zu verwalten. Solche Bauteile sind besonders teuer. Immerhin: Die mögliche Effizienz dieser Variante beurteilen die Professoren als „sehr hoch“.
Kritisch für die Hersteller: Sie müssten viele Entwickler mit dieser Aufgabe beschäftigen. Dadurch würde die Entwicklung neuer Motoren oder Fahrzeugmodelle ins Stocken kommen. Das würde deutliche Nachteile für die Autobauer bedeuten. In der Gesamtbewertung kommt die Neuentwicklung von SCR-Systemen durch Fahrzeughersteller am schlechtesten weg.
Nachrüsten mit vorhandener Hardware: Ebenfalls zu teuer
Besser wird es bei Systemen, die prinzipiell bereits vorhanden sind. Einige Fahrzeugmodelle wurden je nach Markt oder Motorisierung mit und ohne SCR-Katalysator ausgeliefert. Der Bauraum und passende Bauteile sind also prinzipiell vorhanden, die Integration in die Fahrzeugelektronik ebenfalls.
Die Professoren betonen allerdings, dass solche Systeme nicht fertig im Regal liegen: „Der Rückschluss, der oft in der Presse gezogen wird, dass die notwendigen Teile für eine SCR-Nachrüstung bereits fertig entwickelt und verfügbar sind, ist falsch und unseriös.“ Man müsse Teile und Software anpassen.
Die Kosten solcher Anpassungen sind nicht Teil der Studie. Dafür aber die Kosten der Umrüstungen. Sind alle Teile vorhanden, ließe sich ein BMW 320d mit der Abgasnorm Euro 5 für 11.035,67 Euro aufrüsten. Ist bereits ein NOx-Speicherkat im Fahrzeug eingebaut, sinkt der Preis auf 8.973,69 Euro.
Günstiger wird es bei Fahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 6b. Am Beispiel eines BMW X3 rechnen die Professoren vor: Die SCR-Nachrüstung kostet rund 6.500 Euro. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings, dass die Lichtmaschine die zusätzlichen Aufgaben verkraftet und die Anzeigen im Tacho ausreichen.
Die Professoren schätzen, dass diese Lösung in 12 bis 18 Monaten serienreif wäre. Sie beurteilen die Effizienz mit „sehr hoch“. Die hohen Kosten sprechen allerdings dagegen.
Modelle mit SCR-Kat als Option
MOTOR-TALK hat bereits eine ähnliche Möglichkeit geprüft. Einige Hersteller boten identische Motoren mit zwei Abgasnormen an. Den VW Passat 2.0 TDI mit 140 PS rüstete VW seinerzeit optional mit einem SCR-System aus. Gleiches gilt für den Mercedes GLK 220 CDI. Beide Autos sind Sonderfälle, für die tatsächlich alle Bauteile vorhanden sind.
Das Ergebnis der Recherche deckt sich ungefähr mit dem der Studie: Der Fahrzeugbesitzer müsste etwa 8.700 Euro (VW) bzw. 11.000 bis 15.000 Euro (Mercedes) für bessere Abgase bezahlen, wenn sie Originalteile beim Hersteller kaufen. Hinzu käme die Eintragung bei TÜV oder Dekra. Diese Summen übertreffen in vielen Fällen den Fahrzeugwert. Der Preisunterschied zu den Euro-6-Versionen liegt deutlich niedriger.
Umrüster: Systeme nicht ausgereift
Es bleiben also die Umrüster. Sie versprechen saubere Abgaswerte für wenig Geld. Ihre Herangehensweise: Die Systeme greifen nicht in die Motorsteuerung ein, sondern verlassen sich auf eigene Messungen. Die geringe Komplexität und eine hohe Verbreitung könnten Kosten sparen.Die Professoren befürchten allerdings, dass solche Systeme ohne Eingriff in die Motorelektronik nicht genau genug regeln können. Wenn sie zu viel AdBlue einspritzen, stoßen die Autos schädliches Ammoniak aus. Die Lösung dafür: Eine konservative Einspritzstrategie, also lieber zu wenig als zu viel. Daraus folgt aber ein niedriger Wirkungsgrad. Alternativ müsse ein Ammoniak-Sperrkatalysator eingebaut werden.
Die Professoren halten fest: „Aus technischer Sicht ist (…) klar festzuhalten, dass im Sinne einer einwandfreien und dauerhaft abgesicherten Funktion eine fahrzeug- und motorseitige Anpassung unverzichtbar ist (…).“ Der Hersteller müsste also helfen, validieren und freigeben. Solche Prozesse würden mindestens zwei Jahre dauern.
Zu wenig Mehrwert in der Stadt
Der Hintergrund: SCR-Katalysatoren arbeiten erst ab einer Temperatur von etwa 180° Celsius zuverlässig. Moderne Fahrzeuge halten diese Temperatur durch eine spezielle Einspritzstrategie. Das ist ohne Zugriff auf die Motorsteuerung nicht möglich. Die Professoren schlussfolgern: „Es muss davon ausgegangen werden, dass gerade im Niedriglastbetrieb (Stadtfahrt) nur eine geringe Wirksamkeit gegeben ist.“ Genau dort wäre eine hohe Wirksamkeit unabdingbar für die Sinnhaftigkeit der Nachrüstung.
Ebenfalls kritisch bei nachgerüsteten Systemen: Der Kraftstoffverbrauch. Ein höherer Staudruck in der Abgasanlage würde zum Beispiel den Verbrauch anheben. Das müsste durch Verbesserungen in den Schalldämpfern ausgeglichen werden – was zusätzliche Kosten bedeuten würde. Zusätzliche Stromverbraucher, zum Beispiel eine Katalysatorheizung, würden den Verbrauch ebenfalls negativ beeinflussen.
Die Studie führt weitere Unklarheiten auf. Darunter die Diagnosefähigkeit der SCR-Systeme, die Belastbarkeit der serienmäßigen Abgasanlagen und die Abstimmung der einzelnen Abgasreinigungsysteme. Die Professoren kommen zu dem vernichtenden Urteil: „Die bekannten und im Rahmen dieser Studie diskutierten Hardware-Nachrüstlösungen befinden sich nach realistischer Einschätzung durchweg noch nicht in einem Stadium der Serienreife.“
Fazit
Die Studie bestätigt: Rein technisch wäre eine Hardware-Nachrüstung bei vielen Dieselfahrzeugen machbar. Aber finanziell und zeitlich wäre sie in keinem Fall sinnvoll umsetzbar. In allen Modellen gibt es Nachteile bei Kosten, Umsetzdauer oder Wirksamkeit.
Die Preise für Nachrüstlösungen schätzen die Professoren zudem deutlich höher als angeben ein: „Die häufig zitierten 1300 bis 1600€ sind für eine tatsächliche Serienlösung unseres Erachtens nicht realistisch.“ Komplette Systeme werden ungefähr 4.000 Euro teurer. Es sieht also schlecht aus für die Hardware-Umrüstung alter Diesel.
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Nun ja, die Wachtmeister Studie ging ja auch davon aus, dass man die Modelle einfach umrüsten könnte, die auch mit der entsprechenden Ausrüstung in die USA exportiert worden sind. Desweiteren ging man davon aus, dass diese Modelle ansonsten technisch identisch seien.
Eine pure Annahme seitens des Autors und von den Herstellern ja auch dementiert.
Heißt also, was sich nicht nur per Software machen lässt, ist also nicht machbar. Damit bleibt nur noch die massenhafte Verschrottung der bösen Autos und ein Neukauf von mind. Euro 6d-TEMP-Fahrzeugen, was unter dem Strich noch größerer Blödsinn bedeuten würde.
Lösung: Vorhandene Fahrzeuge so wenig wie nötig, aber so lange wie möglich nutzen und irgendwann sind sie durch sauberere Neuwagen ersetzt. Und genau so mache ich das auch, weil es die einzige sinnvolle Option ist.
tja - hätte man gleich Nägel mit Köpfen gemacht und nicht arrogant geschlafen, wäre man jetzt nicht in dieser Lage ...
Der eine sagt so, der andere sagt anders. Und ein altes Sprichwort sagt "wes Brot ich ess, des Lied ich sing". Gibt jetzt die Nachrüstindustrie beim anderen Experten ein Gutachten in Auftrag, so könnte das ganz anders aussehen.
Wieviel Schmiergeld das den Autobauern wohl gekostet hat?
Die reiben sich jetzt die Hände und lachen.
Und unsere Politik ist aus dem Schneider, brauchen keine Entscheidung mehr zu treffen, ob die Autobauer den Umbau bezahlen müssen.
Alle haben dadurch wiedereinmal gewonnen, nur der Bürger soll wieder alles ausbaden und bezahlen.
das war doch abzusehen... alles andere würde die Autoindustrie und somit den Standort Deutschland in den Keller ziehen ...
Warum soll ich meinen Diesel so wenig wie möglich nutzen. Das Ding (Eu 4) hat eine gültige ABE und deshalb ich fahr die Karre wann immer es mir beliebt. Ansonsten geb ich Ihnen aber in allem recht.
Ich habe kein Vertrauen zu unseren Industrienahen CSU-Verkehrsministern.
Die sind sich einfach zu nah...
Wenn schon keine Nachrüstung erfolgt, dann sollen die Betrüger jedoch ihren Geschädigten Kunden einen Ausgleich zahlen. Das die jetzt mit ihrem Schaden und ihren Problemen sitzengelassen werden, darf nicht sein!
Zu den anderen Ministern hast du aber Vertrauen 😆 😆 😆???
Hat Bosch nicht gerade erklärt, das mit vorhanden Teile ein Diesle 10x sauberer als Euro6d sein kann?
Hat nicht ein Unternehmen einen Euro5 Passat Diesel mit Teilen aus dem VW Regal ind einen Euro6 diesel gemacht?
Das einzige was stimmt, eine Nachrüstung auf Herstellerkosten, kommt die Hersteller teuer.
Aber unwirksam sind sie definitiv nicht.
Die Hersteller wollen bloß lieber neue Diesel verkaufen, anstatt die alten nachzurüsten.
Zuerst einmal sollte man sämtliche Diploma der Professoren prüfen, weil ich glaube einfach, die haben keine Ahnung. Vorallem, haben die Herren bei der Berechnung auch berechnet, das ein System das in Masse produziert wird, unmöglich die Kosten haben kann, welche die Herren angegeben haben? Wenn ich jetzt versuche einen 320d mit SCR-Kat auszurüsten, dann kostet das wohl 11.000 €. Habe ich aber 2 Mio. BMWs die sowas bekommen, wird das am Ende eine echt günstige Nummer. Zudem ist es auch egal, weil die Hersteller haben sich ja in diese Situation gebracht und haben nachzubessern. Nur weil es teuer ist, kann man nicht sagen, wir lassen es so. Ich verstehe überhaupt nicht, was es da zu diskutieren gibt. Jeder Bürger der einen Fehler macht, wird zur Rechenschaft gezogen. Wie möchte man bitte erklären, das Betrug im großen Stil dann in Ordnung ist???
Wer von Flüchtlingen fordert, das sie sich an die Werte der Gesellschaft zu halten haben, sollte vielleicht damit anfangen und sich selbst an seine Werte halten. Alles andere ist einfach nicht akzeptabel.
Nö, das bedeutet, dass man aus Euro 5 Autos nicht einfach Euro 6-Autos machen kann.
Dann sollen die uns doch endlich in Ruhe lassen. Ein paar Jahre mehr mit diesen Dieseln macht die Luft auch nicht schlechter als vor zehn Jahren. Die nächsten Jahre und die kommenden Diesel sind "sauber". Der Rest ist Geschichte. Ich lasse nicht an der Software manipulieren und auch nicht an der Hardware schrauben. Die paar Tage an Fahrverboten stehen wir doch alle durch, mal ehrlich!
Eben doch!
https://www.auto-motor-und-sport.de/.../