Oldtimer-Lack-Restaurierung: Patina wichtiger als Hochglanz
Fräulein Gundulas Gespür für Lack
Gundula Tutt ist die vielleicht bekannteste Restauratorin Deutschlands, ganz sicher die ungewöhnlichste: Von Hochglanz will sie nichts wissen, von Technik auch nicht.
Vörstetten - Kostbare Oldtimer auf einem schicken Golfplatz und jedes Fahrzeug glänzt wie am ersten Tag: Bald blicken Oldimer-Fans aus aller Welt wieder hinüber nach Kalifornien zum wichtigsten Schönheitswettbewerb für klassische Automobile. Beim Concours d`Elegance in Pebble Beach wird eine Größe der Szene demonstrativ wegschauen: Gundula Tutt ist vielleicht die berühmteste Oldtimer-Restauratorin in Deutschland. Ungetrübten Glanz wie bei den Concours-Ausstellungsstücken haben Autos nach der Behandlung in ihrer Werkstatt in der Regel nicht zu bieten. Gundula setzt auf Patina statt Politur. Und ihre Meinung hat in Fachkreisen Gewicht.
Am Anfang stand ein beschädigter Bugatti
„Diese Patina ist es, die aus einem in größeren Stückzahlen hergestellten Automobil ein individuelles Einzelstück und damit erst ein Original macht“, beschreibt Tutt ihre Philosophie. Wichtiger als Glanz und Gloria seien Echtheit und Authentizität. Dabei darf der Lack auch mal stumpf oder blass wirken.
Vergleichbares hört man von Restauratoren selten. Ganz allgemein redet Gundula den Car-Guys nicht nach dem Mund: Ein Fahrzeug sei für sie ein Fortbewegungsmittel, von der Mechanik selbst will sie dezidiert nichts wissen.
Ungewöhnlicher Blickwinkel, untypischer Werdegang: Die Stuttgarterin erlernte ihr Handwerk in den Kellern von Museen und Kirchen, nicht in der Werkstatt. Bis in die frühen 2000er Jahre trug die studierte Kunstrestauratorin wochenlang Farbschicht um Farbschicht von alten Meisterwerken ab. Dann war plötzlich der Bugatti eines Kollegen interessanter als Gemälde und Wandmalereien. Das Auto hatte einen gravierenden Lackschaden. „Nach damaligem Wissensstand war der Wagen nicht zu reparieren und hätte neu lackiert werden müssen“, erinnert sich Tutt.Doch der Kollege wollte den echten Lack retten und packte Tutt bei der Ehre: „Wenn wir im Studium nach 800 Jahre alten Rezepten die Goldfarben herstellen konnten, mit denen Mönche damals ihre Bibeln ausgemalt hatten, dann sollte das doch auch mit 80 Jahren alten Auto-Lacken gelingen“, sagte sich Tutt. Sie schloss sich im Studierzimmer ein, wälzte alte Bücher und experimentierte so lange, bis sie den einstigen Lack nachgemischt hatte.
Bleche statt Bilder in der Werkstatt
Die Zusammensetzung nach altem Muster kollidierte mit der damals neu eingeführten Lösemittelverordnung. Tutt stritt so lange mit den Behörden, bis es für Oldtimer die gleiche Ausnahmeregelung gab wie für Bilder und Kunstwerke. Der Bugatti-Besitzer war begeistert, die Geschichte in der Szene bald eine Legende. In Tutts Werkstatt hingen nun öfter Bleche statt Bildern, irgendwann spezialisierte sie sich mit ihrer Firma "Omnia" gänzlich auf Automobile.
Und weil Blech nicht das einzige ist was einen Oldtimer zusammenhält, hat Tutt längst auch andere Oberflächen des Fahrzeugs in Behandlung: Zierkonsolen, Armaturen und Leder. Kabel der ganz frühen Fahrzeugelektrik ummantelt sie mit den gleichen Stoffen, wie sie hundert Jahre zuvor die Hersteller einsetzten. Nur von der Mechanik und dem Motor lässt sie auch weiterhin die Finger.
Gemälde und Autos, beide behandelt sie bei ihrer Arbeit wie Kunstwerke. Öfter als mit Schleifscheibe und Sprühpistole sieht man sie mit Pinzette und Pipette am Lack, häufig nimmt sie die Lupe zur Hilfe. Tutt untersucht Anbauteile wie ein Spurensicherer am Tatort. Vor dem Reparieren steht das Studieren, und Tutt muss erst einmal mühsam ergründen, welchen Lack das Original getragen hat. Wie er beschaffen war, wie er hergestellt wurde. Nach über zehn Jahren am rostigen Objekt hat sie mittlerweile mehr als 600 Reagenzgläser mit Materialproben in ihren Regalen. Die große Basis erleichtert die Arbeit. Doch zu Beginn hing sie oft tagelang über dem Mikroskop, bis sie einen Farbcode dechiffriert hatte, erinnert sich die Restauratorin.„Und nur weil man weiß, welcher Lack damals verwendet wurde, hat man ja noch lange keinen Nachschub“, sagt die Expertin. Also wird ihre Werkstatt immer wieder zur Alchimistenküche. Mit selbst entwickelten Maschinen rührt sie die Lacke jener Zeit an. Ehe der Lack aufs Auto kommt, wird er am Garagentor auf Verwitterung getestet.
Die Detailarbeit hat ihren Preis
Erst eine komplette Anamnese des Fahrzeugs samt Gutachten und Restaurierungskonzept, dann wochenlange Lackanlaysen, immer neue Materialproben und Verwitterungstests und am Ende die penible Restauration unter der Lupe: „Natürlich ist es billiger, einen Oldtimer einfach neu zu lackieren“, sagt Tutt und schätzt, dass die Arbeit bei ihr mindestens ein Drittel teurer ist als bei Kollegen mit etwas konventionelleren Ansichten.
Doch seitdem sich der Klassiker-Markt verändert und Originalität wieder wichtiger werde als der schöne Schein, sei dieses Geld gut angelegt: „In der Regel schlägt sich der Mehrpreis bei der Restaurierung doppelt und dreifach in der Wertentwicklung des Autos nieder“. Kein Wunder, dass Omnia mittlerweile gut zu tun hat. Firmenchefin Tutt fliegt mit ihren Werkzeugkoffern und Materiaproben regelmäßig zu Sammlern in aller Welt, immer wieder kommen auch Übersee-Container mit Oldtimern an.
Die Mitt-Vierzigerin fährt Panda statt Porsche, hat ruinierte Fingernägel und sitzt in einer kleinen Werkstatt zwischen Schwarzwald und Vogesen. Aber sie hat es geschafft: „Es hat ein bisschen gedauert, bis eine junge Frau in der von Männern dominierten Welt der Klassiker anerkannt und akzeptiert worden ist. Erst recht mit solchen unkonventionellen Ansichten und Methoden“, erinnert sich Tutt an die Jahre des Aufbaus. Mittlerweile gibt es lange Wartelisten.Tutt perfektionierte ihre Methoden so weit, dass selbst Experten die restaurierten Lackflächen kaum mehr von originalen unterscheiden können. Deshalb baut sie mittlerweile ganz bewusst Patzer ein, mischt neumodische chemische Bestandteile in ihre historischen Lacke: Für das Auge unsichtbar, aber mit Messgeräten sofort nachzuweisen. Das sollen verhindern, dass zwielichtige Sammler den restaurierten Lack als Original ausgeben.
So perfekt die Autos am Ende aussehen, einen Wunsch kann Gundula ihren Kunden nicht erfüllen: „Sie bekommen den Zustand, der tatsächlich original vom Band gerollt ist, natürlich nicht wieder. Denn eine Zeitmaschine habe ich auch nicht.“
Quelle: SP-X
Dann hat Sie sich echt gut gehalten... für gute 1.800 jahre.....
Toller Bericht, auch die AMS von 2010 gelesen?
Sollte sofort geschlossen werden der Laden, da werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor durch Erhalt gefördert! Der Klimawandel steht vor der Tür, die globale Erwärmung wird die Menschheit vernichten wenn nicht sofort Deutschland auf Elektroautos umsteigt!
Ja wirklich. Unerhört!
Wenn denn irgendwann mal das Neuzulassungsverbot für Verbrenner kommt, werde ich sicher ein dankbarer Kunde bei dieser Zunft. 😆 😉
😆😆😆
Tolle Sache! Ich fand das immer schade, dass durch die starke Lobby der traditionellen Lackierer eine Reparatur von Autolacken nicht erfolgt. Auch die Lackdoktoren sind im Kern wilde Teillackierer nach alter Fasson.
Gut, das hier ist eine echte Spezialistin, die für viel Geld an teuren Objekten arbeitet. Respekt vor ihr und ihrer Arbeit. Ich kenne einen frühen unrestaurierten 356, der auf ähnliche Weise optimiert wurde.
Was fehlt, sind gut ausgebildete echte Lackreparierer, die per Airbrush oder Pinsel mit Geschick und feiner Hand auch wenige Jahre alte Gebrauchtfahrzeuge noninvasiv aufarbeiten. Und die auch im schleifen und aufpolieren Fähigkeiten haben.
So richtig erschließt sich mir Ihre Arbeit gegenüber einem Handwerklich sehr gut geschulten Lackierer nicht.
Macht sie jetzt alles auf alt , so wie der Rest des Autos ?
Beispielbilder vorher / nachher wären hier mal schön gewesen.
@benutzernameschon vergeben.
Ja es ist wirklich unglaublich.
Alle reden von Elektroautos. Doch keiner denkt darüber nach, das an jedem Gramm Lithium für die Akkus Blut klebt!
Schon einmal darüber nachgedacht, unter welchen Bedingungen dieser Rohstoff von sehr armen Menschen unter Einsatz ihres Lebens ohne große Sicherheitsmaßnahmen gefördert wird. Ausserdem kommt das Lithium auch aus der Erde, genau wie das Rohöl!!! Denkt mal nach! Und jetzt?Verbrennen oder Elektro, Pest oder Cholera?
Die haben noch nichts von "Renumax" gehört. Einfach drüberstreichen, bissl warten, et voilà: alles weg, wie neu! Da braucht's keinen Lackierer oder Restaurator mehr. So geht das im 21. Jahrhundert.😉
Sagt zumindest die bescheuerte Werbung dazu.😆😆😆
Die Bewertungen hier
https://www.amazon.de/.../B01CAHM96S
sind besser als jede Kabarettnummer. Die Werbespots im TV drehen die anscheinend unter Drogeneinfluss. Normalerweise müsste man die Vertreiber von dem Zeugs einsperren.
Gruß
electroman
OK schreiben kannste, wie sieht es mit vorher Denken aus? 🙄
Litium an dem Blut klebt... 🙄
Na ja, der geschulte Lackierer macht die alte Farbe runter, mischt die neue Farbe an und trägt sie perfekt auf.
dann hast du einen Oldtimer in Showlack, da könnte man auch gleich einen Flop-Lack drauf pissen..
SIE findet erst einmal heraus WIE die Original-Farbe hergestellt wurde, WELCHE Pigmente verwendet wurden, und WIE der Lack damals verarbeitet wurde, dann versucht sie genau so einen Lack herzustellen, wie damals zu verarbeiten und dem Lack den gleichen Alterungszustand wie der Rest vom Originallack zu verpassen.
Der Vergleich ist tatsächlich so wie der Vergleich von einem Restaurator der in der Sixtinischen Kapelle die Fresken von Michelangelo Buonarotti restauriert und einem Maler der Dein Wohnzimmer neu streicht.
Ich habe großen Respekt für ihre Arbeit.
Ich würde sie mit der Arbeit eines Bilderfälschers vergleichen.
Ein Fälscher möchte ja nicht nur die Optik kopieren, sondern auch die Techniken, Materialien und Hilfs und Grundstoffe. Selbst der Staub am Bilderrahmen muss authentisch sein.
Einen Autolack heutzutage aussehen zu lassen wie original ist kein Problem, aber einen Originallack "nachzubauen" stelle ich mir erheblich schwerer vor.
Und ich glaube das dass I-Tüpfelchen einer guten Restaurierung der Originallack sein kann.
Respekt! Mehr muss man glaube ich nicht sagen.