Handel mit Führerschein-Punkten: Legal oder illegal?
Hauptberuf: Führerschein-Sündenbock
Websites bieten die Übernahme von Punkten in Flensburg und Fahrverboten an - in dem sie einen anderen gegen Geld zum Sündenbock machen. Rechtlich ist das möglich - noch.
Berlin – „Ich übernehme Ihre Punkte und Ihr Fahrverbot“ prangt in großen Lettern auf Rene Meiers Homepage. Auf seiner Domain landen Autofahrer, die um ihren Führerschein fürchten. Weil der Punktestand in Flensburg nah am kritischen Wert von acht Zählern liegt – und das Radar unlängst erneut blitzte. Oder weil es zu einer einmaligen, aber maßgeblichen Ordnungswidrigkeit kam - die den Verlust des Lappens für ein bis drei Monate bedeutet.
In beiden Fällen gilt: Wenn nun offiziell Herr Meier am Steuer saß, ist der eigentliche Täter aus dem Schneider. Und Herr Meier lässt stattdessen sein Auto stehen. Warum der eine Übertretung zugeben soll, die er gar nicht begangen hat? Weil es sich um ein lukratives Geschäftsmodell handelt. Autofahrer bezahlen vierstellige Summen, um so rechtlichen Konsequenzen zu entgehen. Herr Meier ist nicht alleine. Weder im Unternehmen (er dürfte die Strafen zum Großteil an weitere bezahlte Strohmänner dirigieren) noch auf dem Markt. Im Internet finden sich mehrere Agenturen, die einen ähnlichen Service anbieten.
Geld gegen Sündenbock, ist so etwas legal? Darüber sind sich die Juristen und Gerichte nicht einig. Im Allgemeinen sieht es so aus, als läge hier ein rechtliches Schlupfloch vor – noch. Verkehrsminister der Länder wollen die Praxis nun unterbinden. MOTOR-TALK fragte zwei Verkehrsrechts-Experten, wie groß die Chance auf ein Ende der bezahlten Punkteübernahme stehen.
1.030 Euro statt zwei Monaten Fahrverbot
Gleich vorweg: Es geht den Kunden solcher Agenturen ausschließlich darum, den Führerschein zu behalten. Günstiger als die Strafe kommt die Übernahme durch einen Dritten garantiert nicht. Wir tippen eine Geschwindigkeitsübertretung von 50 km/h innerorts in Rene Meiers Preisrechner – regulär wäre die Übertretung mit einem Bußgeld von 200 Euro (plus 30 Euro Verwaltungskosten) sowie zwei Monaten Fahrverbot belegt. Der Preisrechner zeigt eine Gebühr in Höhe von 1.030 Euro für das Geständnis des Sündenbocks. Das Bußgeld wäre bereits enthalten.
Laut Brancheninsidern wählen die Agenturen als Ersatzschuldige einen Führerscheinbesitzer gleichen Geschlechts und im ähnlichen Altersbereich wie der tatsächliche Verkehrssünder. Bei zu großen Unstimmigkeiten mit der auf dem Radarfoto abgebildeten Person würde die Sache sonst nicht klappen.
Der Sündenbock muss Schreiben
Es handelt sich ja schließlich um eine glatte Lüge. Der Geständige befand sich nicht einmal in der Nähe des geblitzten Autos. Beachten Agentur und Kunde ein paar Details, haben sie rechtlich wenig zu befürchten - selbst dann nicht, wenn der Schwindel auffliegt. Am Wichtigsten: Den Anhörungsbogen (das Formular mit den Angaben zum Fahrer) muss der Strohmann ausfüllen und einsenden, nicht der tatsächliche Schuldige. Wer jemanden fälschlich einer Ordnungswidrigkeit (wie einer Geschwindigkeitsübertretung) beschuldigt, macht sich strafbar. Doch eine Selbstbezichtigung bleibt mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Folgen, sie wäre nur bei Straftaten problematisch (Vortäuschung einer Straftat).
Freilich ist das Kraftfahrt-Bundesamt mit der Praxis nicht einverstanden. Wer sich freikaufen kann, hat wenig Motivation, sich an die Regeln zu halten. Autofahrer, die andere durch überhöhten Speed gefährden, bleiben dem Straßenverkehr so erhalten. So etwa die klassische Argumentation. Die macht auch aus Sicht der meisten Juristen Sinn.
Weder Betrug, noch Urkundenfälschung
Doch bislang klappte es dennoch nicht, den Punktehandel zweifelsfrei als illegal zu erklären. Der Tatbestand des Betruges wäre nur gegeben, wenn das KBA als Folge nicht zu seinem Geld käme – der Sündenbock zahlt allerdings die geforderte Summe. Der Vorwurf der Fälschung öffentlicher Urkunden greift ebenso wenig – unter anderem, weil das Punktezentralregister des KBA nicht öffentlich einsehbar sei, erklärt Rechtsanwalt Arndt Kempgens gegenüber MOTOR-TALK. Allenfalls sei wegen "falscher Verdächtigung in mittelbarer Täterschaft" eine Strafe zu befürchten. Doch es ist nur ein Fall (aus 2015) bekannt, in dem ein Gericht so entschied. Man könne sich in derartigen Fällen nicht an der Logik orientieren, sondern nur am Wortlaut des Gesetzes.
Eine Schwierigkeit, mit der sich Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf in nächster Zeit auseinandersetzen will. Es sei nicht mehr hinnehmbar, dass Behörden an der Nase herumgeführt würden und dies oft auch noch sanktionslos bleibe, erklärte er gegenüber den Stuttgarter Nachrichten. Und fordert, den Punktehandel im Internet unter Strafe zu stellen.Wie viele Punkte und Fahrverbote in der Praxis von Dritten übernommen werden, lässt sich nicht sagen. Kurioserweise entflammte die Kritik aufgrund eines Falles, der nicht nach dem typischen Modell ablief: Ein Strohmann gab den Namen einer nicht existierenden Person an. Als der Schwindel aufflog, war das Verkehrsvergehen bereits verjährt.
Wie der Punktehandel illegal wird
Wollen Minister Wolf und das KBA die „klassische“ Punkte-Übernahme unmissverständlich für illegal erklären, braucht es eine Gesetzesänderung. Keine tiefgreifenden Neuformulierungen, aber ein paar Ergänzungen. So könnten Ordnungswidrigkeiten in die Regelungen zur Selbstbezichtigung mit aufgenommen werden, stellt Verkehrsrechts-Fachanwalt Uwe Lenhart im Gespräch mit MOTOR-TALK fest. Man müsse jedoch stets bedenken, was sich der Gesetzgeber bei der ursprünglichen Formulierung gedacht habe. Die Änderungen hätten schließlich auch Auswirkungen auf Bereiche außerhalb des Straßenverkehrs.
Ein absolutes Aus der Punkte-Übernahme könnten derartige Maßnahmen nicht garantieren, sagt Lenhart. „Mord gibt es ja auch noch, obwohl er verboten ist.“ Doch Internetauftritte wie jenen von Rene Meier würde es dann wohl nicht mehr geben. Der langjährige Punktehändler heißt im wahren Leben übrigens ganz anders. So richtig überzeugt von der Legalität ihres Treibens scheinen die Punktehändler also nicht. Die gewinnträchtige Grauzone dürfte trotzdem noch eine Zeit lang Bestand haben. Die nötigen Gesetzesänderungen würden rund drei Jahre in Anspruch nehmen, schätzt Arndt Kempgens.
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Warum man für eine derartige Gesetzesänderung 3 (!) Jahre benötigt, kann ich nicht nachvollziehen.
Tja, aber trifft natürlich nur arme Familienväter welche ohne ihren Job Haus+Familie verlieren....
Schade dass die Voraussetzungen eine FahrERLAUBNIS zu bekommen so verdammt niedrig sind, aber die Hürde des Ding für immer zu verlieren so verdammt hoch. Sollte man mal umkehren.
Kann ich dir sagen. Ich war vor kurzen auf Einladung im Deutschen Bundestag.
38 Abgeordnete waren früh da. Zur Beratungssitzung (Kitaausbau, Behindertenrecht) später waren 289 Abgeordnete da.
Ich habe mehr Lobbyisten (blaue Karten am Revers) gesehen als Abgeordnete. Es standen auch die Firmen darauf woher sie kommen.
Meine Freundschaft aus Canada war entsetzt.😕
So läuft deutsche Politik. Keiner ist da und kümmert sich mehrheitlich um andere Aufgaben.
Welche? Fraglich.
Gruß aus Berlin
Wieso soll nur der bestraft werden, der den Zettel ausfüllt?
Nicht nur das Feilbieten, sondern natürlich auch der Erwerb einer solchen (sittenwidrigen?) Dienstleistung sollte unter Strafandrohung stehen.
MfG
Sowas soll´s geben, und das kann verdammt schnell ghen. Da muss man nicht einmal groß über die
Stränge schlagen. Einmal zb. beim Abstand nicht aufgepasst und schon is man den Lappen für einige Zeit los.
Klar, den Gott Gleichen Autofahrern hier im Board passiert sowas natürlich nicht.
Warum sittenwiedrig? Ich finde diesen Handel an und für sich gar nicht so verkehrt. Es gibt ja auch das System der Kaution. Wenn jemand seinen Führerschein zum leben benötigt, ist es nur gut, wenn es das Angebot gibt. Denn auch der vierstellige Betrag kann als Strafe gewertet werden, denn ich persönlich möchte und kann den nicht am laufenden Band berappen, natürlich zuzüglich zu den Knöllchenkosten. Also warum Menschen das Leben kaputt machen, wenn man sie durch Geldstrafe ähnlich hart bestraft, wie einen, der den Füherschein als "Luxusgut" benutzt.
Ich wüsste nicht, wie einem das passieren kann, wenn man sich beim Fahren auch mit dem Fahren beschäftigt.
Das Problem ließe sich im Übrigen mit einer Halterhaftung lösen. So kann beim ersten Vergehen eine relativ hohe Geldstrafe, vorzugsweise in Tagessätzen (die der Halter sich dann selber eintreiben kann), und ein Fahrtenbuch angeordnet werden. Bei den nächsten Vergehen hat der Halter dann das Fahrtenbuch vorzuweisen oder er ist wieder selber dran. Das ganze kann man z.B. nach 5 Jahren verjähren lassen.
Und wie schützt man dann die Allgemeinheit dann vor den eigentlichen Problemfällen?
Was hat die Allgemeinheit davon, wenn z.B. ein Raser weiterhin rast und dafür nicht aus dem Verkehr gezogen wird?
Zumal sich die Frage stellt, wo dort die finanzielle Gerechtigkeit bleibt, wenn der Reiche sich eher freikaufen kann als der Arme.
Und wie kann man mal beim Abstand nicht aufpassen? Wenn man permanent am Radio rumspielt oder wie?
Und die einzigen denen dieses System wirklich nützt sind die welche es schlicht nicht juckt!
Jemand dem sein Führerschein wichtig ist, der fährt gar nicht erst wie ne besenkte Sau, und um den zu verlieren muss man schon EINIGES vorzuweisen haben!
Wieder rum die Leute welche des aus der Portokasse bezahlen, sowieso zu jedem Termin mit 200+ Rasen, für die is des keine Strafe, die machen des wahrscheinlich noch als Werbungskosten irgendwo geltend!
...............dann könnte er sich einfach an die StVO halten, FS Entzug gibt es nicht bei geringen Verstößen!
Dieses Argument wird zwar gerne vorgetragen, aber es gibt nur wenige Fälle, in denen das wirklich der Realität entspricht.
Eine Limited mit Sitz auf den Seychellen und einem Außenbüro in Zürich 😆. Sachen gibt's.... 🙄😆
Sorry,Halterhaftung geht gar nicht! Schon mal an einen Autovermietung gedacht? Carsharing? Nö, Halterhaftung geht gar nicht. Schon mal von hinten geblitzt wurden? Mein Auto ja,als ein Käufer ne Probefahrt gemacht hat. Ohne Zeitnachweis und korrekten Daten des Fahrers,muss der Halter zahlen.
Schützen,ganz einfach, bei jeden Vergehen den Fahrer bestrafen. Viele Gegenüberprüfung der Bilder werden nur nicht richtig gemacht. Es gibt Richter,die ziehen sich das Passbild des Personalausweis. Sobald die Haarfarbe passt,bist du der Täter. Es gibt nun mal solche Sachen wie 3D Gesichtsabgleich. Sehr einfach,muss nur in die Blitze gebaut werden. Kann selbst ein EiPhone.
Dass man dieses Geschäft unterbinden sollte, darüber sind wir uns glaub ich alle einig. Was mich mal interessieren würde, ist wer die Sündenböcke sind. Wenn man gar kein Auto hat und voraussichtlich nicht so schnell fahren wird, lohnt sich der Verkauf der "weißen Weste". Ansonsten allerdings würde ich nicht mal freiwillig 2 Punkte auf dem Konto versilbern, da man sich dadurch der Gefahr aussetzt, vor Gericht Glaubwürdigkeit einzubüßen. Wenn man in einen Unfall verwickelt ist und Punkte hat, schenkt das Gericht unbescholtenen Fahrern in der Gegenaussage mehr Glauben und auch eine evtl. Strafe könnte höher ausfallen, in ganz blöden Fällen sogar dramatisch. Ob die Vermittler die Verkäufer darüber auch ausreichend aufklären? Kommen die angeblichen Fahrer dann überhaupt aus Deutschland? Mich wundert, dass die Internetseiten zwar alle Kunden ihre Produkte anbieten, aber nicht nach der Gegenseite suchen.
Wow, das ist ja total geil. Das sollte unbedingt legal bleiben.
Das kommt drauf an. Wenn man den Lappen verlieren und eine MPU machen müsste, dann ist es allemal einfacher UND billiger, einen Sündenbock zu bezahlen. Von den beruflichen Ausfällen mal ganz abgesehen, man müsst ja sonst mit dem Taxi zur Arbeit oder einen Fahrer anstellen usw. Das rentiert sich sofort. echt eine tolle Sache, sowohl für den Sünder als auch für den Sündenbock. Gerade für Leute, die ihren Lappen eh nie benutzen, weil sie in der Stadt leben oder zu alt zum Fahren sind, eine schöne Zuverdienstquelle.