mobile.de Fundstück: Ford Granada 2.0 L (1983)
Mariannes Granada sucht den zweiten Frühling
Auf manchem Händler-Kiesplatz stehen besondere Fundstücke. Diese Autos stellen wir Euch auf MOTOR-TALK vor. Diesmal: Ein Ford Granada mit karger Ausstattung aus erster Hand.
Von Haiko Prengel
Berlin - „Sechs sells“ - so dachte man einst bei Ford, als man in Europa die meisten Autos mit Sechszylindern verkaufte. In den Siebzigern und Anfang der Achtziger Jahre war das, als Hubraum alles war und Downsizing noch ein Fremdwort.
Ein besonders volksnaher Vertreter aus dieser Zeit steht gerade in Berlin zum Verkauf. Basisausstattung, Ruhrgebietsvergangenheit, Rost und Moos als Patina. Im Schatten einer kahlen Betonwand wartet ein Granada 2.0 L auf seinen zweiten Frühling. Prunkstück: ein stattlicher V6 unter der Haube, der allerdings nur 90 PS mobilisiert.
Die Ausstattung des kantigen Hecktrieblers hält sich ebenfalls in Grenzen. Das L am Stufenheck könnte für „Light“ stehen, denn viele Extras hat dieser Fast-Buchhalter-Granada nicht an Bord, wenn man mal vom Radio oder der heizbaren Heckscheibe absieht. Das Kürzel könnte aber auch für „large“ stehen. Denn Platz biete der Granada enorm viel, schwärmt Händler Mathias Krtschil. von der "Auto-Centrale" in Berlin-Pankow: „Ein absolutes Reiseauto.“
Also auf zur Probefahrt. Die roten Kennzeichen hat Krtschil fix anmontiert. Der V6-Zweilitermotor braucht dagegen einen Moment. Nach ein paar Sekunden Anleiern springt das zwei Liter große Aggregat mit sonorem Brummen an.
Später V6 aus der R4-Zeit
Ja, das waren noch Zeiten. 1972 stellte Ford den Granada vor. Der war praktisch Luxus fürs Volk: Die Platzverhältnisse großzügig, der Radstand von knapp 2,80 Meter beinahe auf S-Klasse-Niveau. Auch bei der Leistung konnte Ford mit dem Granada Mercedes-Benz und BMW Konkurrenz machen. Gerade die kultivierten V6-Motoren fanden großen Anklang, für die schmächtigen Vierzylinder entschied sich nur ein Bruchteil der Kunden.
Die Spitzenmotorisierung boten die 2,8-Liter-Maschinen (nach der Ausmusterung des 3,0-Essex-Motors), die zwischen 135 PS (Vergaser) und 160 PS (Einspritzer) boten. Der Berliner Granada ist ein Exemplar der zweiten Generation, nach dem großen Facelift 1982, mit wenig Chrom und viel Plastik. Zu seiner Erstzulassung 1983 wurde der kleine 2.0 V6 schon nicht mehr so oft bestellt. Denn der modernere 2.0 OHC bot bessere Fahrleistungen und war überdies weniger durstig.
Die Karosserielinien indes bestechen immer noch: ein klares, schnörkelloses Design. Klassisches Stufenheck. Im Innenraum: Sitze wie Wohnzimmersessel, Mittelarmlehne und ein knochiges Schaltgetriebe mit Viergang-Menü. Gemütlich schaukeln wir über den Asphalt, die 90 PS verpuffen irgendwo in der schnorchelnden, aber unverwüstlichen Mechanik. Neue Zündkerzen könnte der ehrliche Kölner mal gebrauchen.
Marianne steht noch auf dem Heck
Zuletzt rollte der Wagen vom Ruhrgebiet in die Hauptstadt. Händler Krtschil hat sich auf besondere Klassiker spezialisiert, privat fährt der Oldtimerfan einen Mercedes 500 SL (R129). Den Granada spürte er in Duisburg auf und kaufte ihn einer älteren Dame ab, aus erster Hand. Marianne heißt sie, der Name steht noch auf einem Aufkleber an der Heckklappe.
Ehemann Herbert hatte den Granada 1983 erworben. Nach seinem Tod vor einigen Jahren wurde der Wagen nur noch wenig bewegt, stand lange Zeit in einer Garage. Bis Händler Krtschil ihn nach Berlin holte. Mit abgelesenen 35.149 Kilometern auf der Uhr. Der Tacho misst allerdings nur fünfstellig. Der Innenraum suggeriert eine Null hintendran.
Das mit den neuen Zündkerzen geht natürlich klar, verspricht Verkäufer Krtschil. Überhaupt würden vor Verkauf alle Betriebsflüssigkeiten erneuert. Die Reifen sind in gutem Zustand, die Pneus sind Markenreifen von 2014. Ein gutes Zeichen. Ein Problem kann die Teileversorgung werden. Ford kümmert sich nicht besonders um den Erhalt seiner Klassiker. Aber die Traditionsmarke hat eine rührige Fanszene, die gerne bei der Teilesuche hilft.
4.900 Euro möchte der Händler für seinen Ersthand-Granada haben. Das ist ein stolzer Preis, denn das Auto hat einige Mängel und als Nullausstatter sind die Limousinen nicht sonderlich begehrt. Wäre der Granada ein Turnier, wäre er vermutlich längst vom Hof.
Granada rosten gern
Beim Berliner 2.0 L ist der vordere rechte Kotflügel durchgerostet. Außerdem hat ein HU-Prüfer bei einem Vor-Check die defekte Warnblinkanlage und den „unsachgemäß“ befestigten vorderen Stoßfänger moniert. Die häufig angegriffenen A-Säulen und der Heckscheibenrahmen sehen dagegen sauber aus. Auch im Motorraum ist kein Rost zu erkennen. Häufig gammelt es beim Granada hier an der Stehwand hin zur Schraubkante des Kotflügels.
Händler Krtschil verspricht, die vom Kfz-Prüfer monierten „Kleinigkeiten“ in seiner Partnerwerkstatt beheben zu lassen, wenn ihm jemand den Klassiker abkauft. Ein neues HU-Siegel und H-Kennzeichen-Abnahme seien dann inklusive. Classic Data notiert den Marktwert des Granada II mit 2.0 V6 übrigens bei 6.800 Euro im Zustand zwei. Im Zustand drei wird er mit 4.600 Euro gehandelt.
Schön wäre es ja, wenn Mariannes und Herberts Schätzchen bald wieder auf die Straße kommt. Als die „letzten Straßenkreuzer aus Köln“ bezeichnete der Autor Bernd Tuchen einmal den Granada und sein Schwestermodell Consul. Bis Produktionsende 1985 rollten über 1,5 Millionen Exemplare vom Band. Davon sind heute nicht mehr viele übrig, vor allem Rost hat den Bestand arg dezimiert. Die Granada-Fangemeinde ist überschaubar geworden. Noch gibt es aber einige Autos auf dem Markt. Eines eine alle Granada, meint Händler Krtschil: „Für wenig Geld gibt es eine Menge Auto.“
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Technische Daten Ford Granada 2.0 V6 (1977-1985)
- Motor: V-Sechszylinder-Benziner
- Hubraum: 1.999 cm³
- Leistung: 90 PS (66 kW),
- Getriebe: Viergang-Schaltgetriebe
- 0-100 km/h: ca. 15 s
- Höchstgeschwindigkeit: 160 km/h
- Verbrauch: ca. 11 l/100 km
- Leergewicht: 1.550 kg
- Länge: 4,680 m
- Breite: 1,719 m
- Höhe: 1,416 m
- Radstand: 2,770 m
*****
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Das Beste ist der Aufkleber! 😊
...damals haben sich die Leute noch "getraut"... 😆
Also wenn ich Autos verkauft habe, dann habe ich die stets gereinigt fotografiert und den Interessenten gezeigt...
Großartig. Ein Armaturenbrett mit echten Ablagen. Und das in einer Zeit lange vor Handies.
Und wann haben wir das letzte Mal in der Mittelklasse Fenster gekurbelt?😎
Das waren schöne Reisewagen. Richtig!
Ich hatte von 1989 -1990 auch einen 2.3 Liter Granada mit 108 PS. 78er Model also Vorfacelift MK2 und 120000km. Oder waren es schon 220000? 5 stelliger Tacho.
Kaufpreis 1500 DM mit 2 Jahren HU neu (und das obwohl er unten schon recht knusprig war)
Ein Blender! Das wusste ich als junger Mann ohne Ahnung da natürlich noch nicht.
Ausstattung war auch nur L, aber Schiebedach, AHK und Drehzahlmesser waren vorhanden.
Und das Besondere war: Es war nur ein 2 Türer mit riesigen Türen links und rechts.
Farbe: Gold metallic. Wichtig war die AHK, da ich damit unser Motorboot ziehen konnte.
Und das konnte der Granada sehr gut.
Doch der Rost und machte dann dem Fahren damals, dann schnell ein Ende. Somit wurde der Blender nach weiteren 40000km für 450DM mit 2 Monaten Rest HU verkauft.
Für mich war das trotzdem ein gutes Geschäft da er in den fast 2 Jahren außer Öl, Reifen und ein Radlager nichts an Reparaturen brauchte.
Viel billiger konnte man so einen 6 Zylinder nicht fahren...
LG Holger
Äh, bei fünfstelligen Tachos fehlt nicht die Zahl hinten dran, sondern vorne. In dem Fall vermutlich eine 2. 😉
Hier ein Händlervideo - schönes zeithistorisches Dokument:
https://youtu.be/27yT9_bM-h0
Dazu fällt mir nur eins ein , "Rollender Schrott" !
Der Preis dafür ist nur was für besoffene Liebhaber !
Sorry für meine offene Meinung , aber das L steht bei Ford eigentlich für "Null Ausstattung" !
Mit 2,0 V6 darf man im Granni nicht wirklich viel erwarten , Bleifrei zb. ist im Granada bei allen Motoren ein Fremdwort , immerhin gab es beim 2,8er in der Zeit schon ein 5-Gang Getriebe .
Das Teil hier wird viel Blech und Argon Gas verbrauchen , wenn der wieder gut da stehen soll .
Ein guter Test dafür ist den original Wagenheber mal ringsrum testen , da wo das Auto noch mit hoch geht , besteht noch Hoffnung .
Die Aufkleber, Aschenbescher hinten (bin selber Nichtraucher), die scheinbar selbst aus Teppich zugeschnittenen Fußmatten. 😆 Erinnert mich alles an meinen Opa.
Mit dem Motor werden die Serpentinen nach Italien aber endlos lang.
Wir hatten den damals in der Firma als 6-Zylinder Kombi. Er lief total ruhig, wie ein Uhrwerk. Auf einer Fahrt von Stuttgart nach München hat mein Kollege erst ganz zuletzt gemerkt, daß es auch noch einen 5.Gang gab, so sanft schnurrte der Motor.
Was aber nun wirklich kein Problem darstellt: Einfach Bleiersatz im Mischungsverhältnis 1:1000 zum Kraftstoff geben.
So ein 250ml Fläschchen kostet von Liquid Moly etwa € 7,- und reicht für 250l Sprit und das bedeutet einen Mehrpreis von € 0,028 pro Liter Kraftstoff. Von anderen Herstellern bzw. je nach Anbieter gibt's das Zeug sogar für unter 5,- Euro / 250ml, was den Liter Kraftstoff um glatte € 0,02 verteuern würde.
Sehe ich auch so. Für 500.-€ geschossen, nix dran gemacht und dann einfach den Preis verzehnfacht. Dabei hätte man mit ein wenig Arbeit durchaus einen 3er aus dem Wagen machen können. Kritisch ist auch der Treffer an der vorderen Stossstange, da hilft nur Ersatz. Zumindest aber waschen, saugen, Aufkleber entfernen und ein wenig aufbereiten hätte der Händler den Wagen durchaus mit überschaubarem Aufwand können. Wenn ich beim Anblick der Bilder schon ein pelziges Gefühl im Mund und Grummeln im Darmtrakt bekomme, dann ist das zumindest für mich ein K.O. Kriterium.
Ich weiß ja auch nicht, wie das beim Granada ist, aber Rost an der Stelle am Kotflügel bedeutete beim zeitgenössischen W123 Daimler meist eine knusprig A-Säule.....
"Der Tachostand ist nur abgelesen. Vermutlich kann man noch eine Null hinten anhängen Der Tachostand ist nur abgelesen. Vermutlich kann man noch eine Null hinten anhängen."
Das Auto würde zumindest von innen dann ganz passabel aussehen für über 350.000km. Ich denke, dass man eher eine 1 vor dem Tachostand setzen könnte.
Ich verstehe es bis heute nicht, warum Autos bis zur Jahrhunderwende (bspw. Ford Escort) mit nur fünfstelligen Kilometerzählern ausgeliefert wurden.
Man hat ja oft mal so leicht verscheommene Erinnerungen. Aber wir hatten damals einen 1981er Granada mit dem 2,0 Liter 101 PS 4 Zylinder als L Ausstattung.
Meine Erinnerung geht immer noch dahin, dass mein Vater viel geflucht hat über dieses Auto, der Vergaser war nie gut eingestellt, der Wagen ruckelte teilweise ganz enorm, bei feuchtem Wetter musste mein Vater die Zündanlage mit einem Fön trocknen, weil er sonst nicht ansprang und dann der Rost. 3 Jahre für den Auspuff war schon gut, dann bröselte er einfach weg. Ich kann mich noch erinnern, wie mein Vater den auf Urlaubsfahrten provisorisch mit Bierdosen und Bindedraht abgedichtet hat, weil es einfach zu laut war, wenn er mal wieder an einer Roststellen gebrochen war.
Als wir ihn nach 7 Jahren verkauft haben, hatte er faustgroße Löcher in den hinteren Türen und Radläufen. Der Kofferraumboden war auch am Ende, weil dort ständig Wasser eingedrungen ist.
Ansonsten hat er uns zuverlässig nach Spanien, Italien oder auch gesamt Skandinavien gebracht, teilweise mit dem Faltboot auf dem Dach.
Aber von diesem Auto zu schwärmen wäre eine falsche Romantik, die es sicher nicht wirklich gab.
Den 2.0 R4 gab es auch schon im Consul / Granada MK I .... und Lebensdauer war von dem Ding nicht zu erwarten. Trockengelaufene Nockenwelle im Bereich Zylinder 3 + 4 waren nicht selten, außerdem war das Ding insgesamt nicht so der Kracher. Und je nach Baureihe ab 9 bis 15 PS mehr bei nur etwas weniger Gewicht machten auch keine Rakete aus einer Wanderdüne.
Es hatte schon seinen Grund, dass bei den Mitbürgern aus der Türkei, die alljährlich nach Hause fuhren, damals der 2.0 und 2.3 V6 die beliebtesten Antriebe waren: Die waren nahezu "unkaputtbar" und anspruchslos. Und während heutzutage Probleme mit Steuerkette oder Zahnriemen auch gerne mal einen Motortotalschaden hervorrufen, blieb der "olle" V6 bei abgerubbelten Stirnrädern einfach stehen. Stirnräder wechseln war nicht einmal eine Samstag-Nachmittags-Aufgabe ... und dann brummte der V6 wieder, als ob nichts gewesen wäre.