Mercedes AMG 300 CE 6.0 The Hammer: Fahrbericht
Mit diesem Benz gelang AMG der Durchbruch
Lahme Limousine und gemütliches Coupé? Dieser Mercedes 124er ist anders. Mit dem AMG „The Hammer“ gelang AMG der Durchbruch in den USA. Unterwegs mit V8 und 350 PS.
Affalterbach – Breite Backen, tiefer Frontspoiler und ein dezenter Heckflügel. Rundum schwarz lackiert, sogar der Kühlergrill, und von allen Seiten klobig. Schon im Stand sieht dieses Mercedes-Coupé der Baureihe 124 böse aus. Typisches 1980er-Jahre-Tuning, könnte man meinen – ein Auto wie Rieger Breitbau oder Koenig Specials.
Doch dieser Benz ist keine Bastelhütte, sondern ein AMG. Nicht irgendeiner, sondern ein AMG 300 CE 6.0, genannt „The Hammer“. Mit diesem Coupé gelang dem Tuner aus Affalterbach der große Durchbruch in den USA. Der Start einer Erfolgsstory. Am 1. Juni begeht die heutige Mercedes-Tochter ihr 50-jähriges Jubiläum. Grund genug, mit diesem Meilenstein des Unternehmens ein paar Runden zu drehen.
Nach einem kurzen Dreh am Zündschlüssel erwacht das achtzylindrige Triebwerk unter der Haube mit einem tiefen Grummeln, spuckt ein paar Kondenswasser-Tropfen aus dem Doppelauspuff und macht es sich im ruhigen Leerlauf gemütlich. Die Ventile schnattern, die Benzinpumpe treibt zischend den Sprit nach vorne. Ein 6,0-Liter-V8 mit 350 PS war 1988 im 124er neu, der E 500 kam erst 1990 auf den Markt. Jener stärkste Serien-124er leistete auch nur 220 PS.
350 PS: Muss reichen
Der Grundmotor M117 stammt von der S-Klasse, wurde aber von den AMG-Ingenieuren verfeinert. Sie steigerten die Leistung, statt zwei sorgen vier Ventile für einen besseren und schnelleren Gaswechsel. Hinzu kommen ein großer Kühler für den guten Temperaturhaushalt und ein verstärktes Getriebe. Anfangs setzte die E-Klasse auf einen Hubraum von 5,0 Litern, dann 5,6 und schließlich 6,0 Liter mit bis zu 385 PS. In diesem Coupé von 1988 arbeitet laut Fahrzeugschein ein 6,0-Liter-V8 mit Katalysator, deshalb „nur“ 350 PS und 550 Newtonmeter Drehmoment. Muss reichen.
Schalter auf D ziehen und leicht Gas geben. Sofort liegt der erste Gang an und schiebt das Coupé nach vorne. Für einen 124er federn die Sitze ungewohnt straff, bieten einen guten Seitenhalt und viel Gefühl zum Auto. Die Lenkung arbeitet deutlich direkter und härter als beim normalen 124er. Auch am Fahrwerk spürt man das Tuning deutlich: Kürzere und dickere Federn, straffere Dämpfer und 17-Zoll-Räder lassen den Benz härter und lauter abrollen. Die Mischbereifung von vorne 235/45 ZR17 und hinten 265/40 ZR17 überträgt jede Bodenwelle. Mit der sänftenartigen Serien-Limousine oder dem Kombi hat dieser 124er nichts gemein.
Mitte der 1980er war das eine Sensation: eine Powerlimousine oder ein großes Coupé mit viel Komfort und Platz für vier Personen, aber mit straffem Fahrverhalten und der Höchstgeschwindigkeit eines Porsche Turbo. Statt manuellem Schaltgetriebe wechseln die Gänge ganz lässig automatisch. Die Umbauarbeiten hatten allerdings ihren Preis. Fahrzeuge mit 5,6-Liter-V8 kosteten damals rund 260.000 Mark, für den 6,0-Liter-V8 verlangte AMG 335.000 Mark.
Zum Vergleich: Ein VW Golf mit 55 PS kostet Mitte 1987 gerade einmal 15.265 Mark. In einer Zeit, in der ein Porsche 911 Turbo (G-Modell, 131.000 Mark) gerade einmal 300 PS mitbrachte und eine harte Hand am Steuer verlangte, war der Benz mit seiner Leistung und seinem Fahrverhalten etwas Besonderes. Statt Wackel-Dackel auf der Hutablage baumelten Tuning-Würfel oder Miniatur-Boxhandschuhe am Innenspiegel, statt Cordsakko trugen die Fahrer Lederblousons oder Ballonseide.
Abgeregelt wird nicht
Ein bequemes Outfit hat auch heute noch Vorteile in diesem Auto. Mit einem Tritt aufs Gaspedal schießt der AMG in nur sechs Sekunden auf Tempo 100. Wäre die Bahn frei, wären bis zu 289 km/h drin. Freiwillige Selbstbeschränkung bei 250 Sachen? Warum? Der V8 dreht mit dem Vierventil-Kopf schnell und zornig hoch wie ein Sportmotor und lässt an das träge Ansprechverhalten des Serientriebwerkes mit Zweiventil-Kopf keinen Gedanken aufkommen. Die fetten 265er-Reifen an der Hinterachse beißen sich in den Asphalt. Mit einem harten Ruck haut das Getriebe den zweiten Gang rein, der dritte folgt kurz danach. Kurz senkt sich die Drehzahl, gibt dem Motor aber kaum Zeit zum Blubbern. Stattdessen brüllt der V8 ungeniert seine Leistung heraus.
Vor der ersten engen Kurve packen die Bremsen (vorn 300 Millimeter Durchmesser, hinten 278 mm) giftig zu, tauchen den Vorderwagen jedoch nur minimal, ohne das Heck leicht zu machen. Sauber austariert. Schnell wieder aufs rechte Pedal, Kick-down, und das rund 1,6 Tonnen schwere Coupé schießt wieder nach vorne. Die brutale Beschleunigung und dieses V8-Fauchen sind es, was den AMG 300 CE 6.0 ausmacht. Kein Wunder, denn V8-Motoren sind die Spezialität der kleinen Firma aus Affalterbach. Und das nun schon seit 50 Jahren.
Vom Daimler zum Daimler
Gegründet wird AMG von den ehemaligen Daimler-Ingenieuren Hans-Werner Aufrecht und Erhard Melcher. Ihre Liebe zum Rennsport bringt sie zusammen, bei Mercedes am Prüfstand. Als sich Mercedes aus dem Motorsport zurückzieht, basteln die beiden privat an Rennmotoren weiter. Ihre Antriebe haben nicht nur mehr Leistung als andere, sondern sind auch noch haltbar. Das spricht sich in der Szene herum und sorgt für Aufträge.
1967 kündigen die beiden deshalb bei Daimler und gründen ihre Firma namens Aufrecht-Melcher-Großaspach, dem Geburtsort von Aufrecht. International bekannt wird die junge Firma 1971 mit dem Zweiten Platz beim 24-Stunden-Rennen in Spa. Mit einer rot lackierten, schweren Mercedes-Limousine fährt AMG die Konkurrenz auf den Geraden in Grund und Boden. Es folgen weitere Rennmotoren, Rennautos und die ersten Serienumbauten.
1976 zieht die stetig wachsende Firma nach Affalterbach um – noch heute ihr Standort. Mit dem modifizierten V8 im W124 gelingt AMG dann Mitte der 1980er-Jahre der Durchbruch in den USA. Mercedes schaut nun aufmerksamer auf den kleinen Tuner, ab 1988 baut man gemeinsam Rennwagen für die DTM.
Seit 2005 gehört AMG komplett zu Daimler. Mit dem SLS AMG entwickelte die Tochter 2009 das erste eigenständige Fahrzeug, die Rückkehr des Flügeltürers. Vor drei Jahren folgte mit dem GT als Coupé und Roadster das zweite Modell. Aus dem Zwei-Mann-Betrieb ist in diesen 50 Jahren ein Unternehmen mit mehr als 1.500 Mitarbeitern geworden.
Ein paar davon bewegen regelmäßig dieses Coupé. Denn „The Hammer“ ist kein Museumsstück, davon zeugt ausreichend Patina an Lack, Leder und Holz. Das kleine Sportlenkrad ist leicht abgegriffen, auf den Sitzwangen gibt es Kratzer. Sie erzählen von heißen Ritten durch enge Kurven und von schnellen Fahrten auf der Autobahn. Kein Sportwagen konnte damals mithalten, wenn das Coupé die Zylinder mit Sprit flutete. Damals, vor fast 30 Jahren.
Immer noch ein extremes Auto.
Es liest sich an einer Stelle, als hätte der 500E nur 220Ps gehabt, natürlich waren es 326. Oder es ist der 3.0 24V gemeint, der aber ja auch erst ´89 kam.
50 Jahre - und kein bisschen leise! Bin mal auf das Hypercar/Projekt 1 gespannt, das auf der IAA präsentiert wird.
Schon krass was da so Ende der Achtziger für 300'000 Mark über den Ladentisch ging. Keine Frage, das war wohl damals ein Benchmark. Ganz klar sieht man da aber die Weiterentwicklung in der Fahrzeugindustrie enorm. Heute ist ja nicht alles nur schlecht.
Insbesondere die Anbauteile, Spaltmasse und die verwendeten Materialien etc. wären aus heutiger Sicht nicht mal Ansatzweise akzeptierbar und wirken extrem billig. Das war wohl damals bei jedem Hersteller mehr oder weniger der Fall weil man(n) es wohl einfach damals noch nicht besser konnte. Ganz gut zu sehen wie man heute eigentlich fast ein bisschen zu verwöhnt ist und wohl deshalb auch kleinlich geworden ist.
....nach vorne. Ein 6,0-Liter-V8 mit 350 PS war 1988 im 124er neu, der E 500 kam erst 1990 auf den Markt. Jener stärkste Serien-124er leistete auch nur 220 PS.
Blödsinn.
Der Serien E 500 / 124 leistete keine 220 PS sondern 320/326 PS wie die 500er SL, S usw.
LG sedi 16😊😉
Ich mag diese Exoten,auch wenn heutzutage dieses Hubraum/PS-Verhältnis niemanden mehr in Begeisterung versetzen wird und aktuelle V8-Diesel ohne Weiteres mit diesem "Hammer" mithalten können.
Schaut Euch mal den Motor an. Ein Blick auf den Luftfilter wäre ratsam.
Das ist der alte 2-Ventil V8 Motor. Der 560er hatte 279 PS (300 PS ohne Kat) und der 500er hatte 220 PS.
Im Text steht doch, dass auf einen 4-Ventil Kopf umgebaut wurde.
Der 4-Ventil V8 mt 326 PS wurde im SL (R129) erst 1989 vorgestellt und im W140 erst 1991.
VG
Laut Text soll der E500 aber erst 1990 auf den Markt gekommen sein. Der stärkste E soll 1988 220 PS geleistet haben. So verstehe ich das. Ob es stimmt weiß ich nicht. Bin in der Mercedes Historie nicht so bewandert.
Sie erwähnen den E 500 und schreiben dann im nächsten Satz: Jener leistet... damit beziehen sie sich auf den E500...
Ich fand die 124er schon immer gruselig, mein Schwiegervater hatte einen 300D... allein dieses potthässliche Taxi-Cockpit und das Lastwagenlenkrad. Auch den AMG fand ich nie schön, sah schon damals arg nach Milieu-Schleuder aus.... Glücklicherweise hat AMG deutlich an Stil zugelegt...
Auf jeden Fall 1000x schöner als die Präubertären BMW Cocpits die siech ja so dem Fahrer zuwenden. Einfach Peinlich...
W124 ist Innen wie Aussen eine Stilikone!
Der W124 war eines der Fortschrittlichsten Autos seiner Zeit, zudem bot er eine Legendäre Ausstattungsvielfalt. Der AMG ist einer der ersten ernsthaften Sportmodelle auf Serienbasis...
Dazu kommt dass der W124 der häufigste Youngtimer in Europa ist was für seine Qualität und Beiebtheit spricht. BMW aus der 5-er Parallelwelt sieht man sogut wie nie. Warum? 😉
Eine E Klasse mit Preisen oberhalb eines Ferrari Testarossa, das hört sich echt ganz schön teuer an. Der W124 gefällt mir ohnehin sehr gut, auch Brabus hatte diesbezüglich super Umbauten gemacht. Ich danke AMG für die Autos, die sie entwickelt haben, i. d. R. schön anzusehen und natürlich anzuhören. Auf das "Geburtstagsgeschenk" zum 50. in diesem Jahr zur IAA bin ich auch schon sehr gespannt, besonders motortechnisch wird es wohl wieder eine Innovation.
Mag Deine Meinung sein, für mich waren die Dinger so sportlich wie ein Passat Diesel... und Du hast recht, Mercedes zielte eher in die andere Richtung als "präpubertär"...😆
Zugegeben, die Qualität und Haltbarkeit der Motoren war recht gut.