Honda Civic Type R (2017): Erster Test, Fahrbericht

Nicht schön, aber schön schnell

Constantin Bergander

verfasst am Thu Jun 08 13:21:11 CEST 2017

Der schärfste Honda Civic bekommt das, was schon seinen Vorgänger schnell machte: Einen heißen Turbobenziner und viel Flügel-Plastik. Erste Fahrt im neuen Type-R.

Erste Fahrt im Honda Civic Type-R: Der heißeste Kompakte wird ein gutes Stück schneller
Quelle: Honda

Lausitzring – Mit einem normalen Civic hat der Type-R nicht mehr viel zu tun. Ja, seine Karosserie stammt weitestgehend vom Basismodell. Aber für die Top-Version ändert Honda fast alles. Die Kotflügel werden breiter, die Haube bekommt eine Hutze und das Heck einen riesigen Flügel. Viele Blechteile sind geklebt, nicht geschweißt. Keine Show, verspricht Honda. Alles hat einen Zweck. Sogar das etwas eigenwillige Auspuff-Design.

Die Dreifaltigkeit am Heck macht den Civic Type-R leise. Kein Scherz: Es muss das erste Mal in der Geschichte sein, dass ein zusätzliches Endrohr die Geräuschkulisse drosseln soll. Doch genau hierfür zwängt Honda ein dünnes zwischen die beiden dicken Rohre in der Heckschürze.

Im Mittelrohr entsteht ab 3.000 Touren Unterdruck. Dort pustet der Type-R dann keine Abgase nach draußen, sondern saugt Umgebungsluft ein. Dieser Luftstrom arbeitet gegen unschöne Resonanzen, die sonst bis in den Innenraum vibrieren würden. Das Ergebnis: Der heißeste Civic dröhnt nicht. Er klingt.

Honda Civic Type-R: Ring-Renner mit viel Flügel-Plastik

An der Dachkante richten kleine Spoiler-Steine den Luftstrom auf den Flügel
Quelle: Honda
Und wie er klingt! Kernig, wild und drehfreudig. 7.000 Touren Höchstdrehzahl schüttelt sein Turbobenziner ganz locker aus den Pleueln. Dabei pfeift und zischt die Turbine frech unter der Motorhaube. Man hört den Ladedruck deutlich, der ab 2.500 Touren mit voller Kraft in die Brennräume presst. Die digitale Anzeige im Cockpit ist eigentlich überflüssig.

So richtig ernst meint es Honda mit dem „leise“ auch im übertragenen Sinn nicht: Der Civic Type-R liegt, wie sein Vorgänger, irgendwo zwischen D&W-Parkplatz und Nordschleife. Das kommt vor allem vom Geflügel an Front, Heck und Flanken. Und daher, dass Honda vieles vom Vormodell übernimmt.

All das muss man nicht schön finden. Aber es funktioniert. Wie schnell der neue Civic Type-R fährt, hat Honda bereits gezeigt. Ein Prototyp mit dem Gewicht des Serienautos umrundete die Nordschleife des Nürburgring in 7:43,8 Minuten. Der Vorgänger fuhr auf der gleichen Distanz sieben Sekunden langsamer. Das ergibt einen Vorsprung von gut 300 Metern nach einer Runde. Schneller fuhr bisher kein Fronttriebler durch die Grüne Hölle.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die Reifen. Die Rekordfahrt absolvierte der Civic mit Semislicks von Michelin. Ob es die (optional) in Deutschland gibt, steht noch nicht fest. Serienmäßig stecken Continental SportContact 6 mit einer speziellen Gummimischung auf dem Type-R. Honda sagt, die kommen den Rennreifen sehr nahe. Den Eindruck können wir nach einigen schnellen Runden auf dem Lausitzring bestätigen.

Detail-Veränderungen zum Vorgänger

An die Box muss er häufiger: In den Tank passen nur 46 Liter. Auf der Rennstrecke nimmt der Turbobenziner problemlos 30 Liter auf 100 Kilometer
Quelle: Honda
Am Motor ändert Honda im Vergleich zum Vorgänger mechanisch nichts. Der neue Type-R fährt mit dem 2,0-Liter-Turbobenziner des Modells von 2015. Eine größere Abgasanlage macht ihn zehn PS stärker, das Auto 2 km/h schneller. Ergibt 320 PS und 272 km/h Spitze. Die Achsübersetzung des Getriebes wird etwas kürzer. Nicht so sehr, dass es im Autoquartett auffallen würde. Jenseits der 100 km/h zieht der Neue aber zackiger.

Eine Mehrlenker-Hinterachse beruhigt das Heck des Type-R. Vorn bekommt er neue Querlenker, rundum adaptive Dämpfer mit breiter Spreizung. Honda stimmt das Fahrwerk neutral und präzise ab. Der Civic lässt sich wunderbar in Kurven hineinbremsen und perfekt positionieren. Untersteuern geht nur mit viel Gewalt, trotz der schweren Nase.

Ebenfalls wichtig: Die Aerodynamik. Der neue Civic baut flacher. Frontlippe und Seitenschweller bekommen zusätzliche Flaps, der Heckflügel eine schlankere Form. Insgesamt sinkt der Luftwiderstand. Trotzdem generiert er mehr Abtrieb als der alte Type-R. Bei 200 km/h hat Honda 30 Kilogramm zusätzlichen Druck auf den Achsen gemessen.

Besonders beeindruckend: Allradantrieb hat der Civic so nötig wie eine zweite Hinterachse. Sperre, Software (Bremseingriff am kurveninneren Rad), Achsgeometrie und Aerodynamik wirken auf die 245er Contis wie Pattex auf Papier. Natürlich kann der Civic ordentlich Gummi verdampfen. Wer ihn mit Verstand fährt, bekommt aber keine Traktionsprobleme.

Fazit: Der aktuell heißeste Kompakte

Sehr gut: Enge Sportsitze, griffiges Lenkrad und eine präzise Schaltung
Quelle: Honda
Abseits der Strecke gönnt Honda dem Type-R sogar eine weiche Seite. Seine Dämpfer entspannen sich im Alltagsmodus, die Lenkung arbeitet leichter. Wären da nicht die engen Sportsitze und das automatische Zwischengas beim Runterschalten, es könnte fast ein normaler Civic sein. Schade: Das Infotainment ist immer noch unnötig kompliziert. Liegt nicht am Type-R, sondern am Civic allgemein.

Zwischen dem aktuellen Type-R und seinem Vorgänger liegen nur zwei Jahre. Fahrerisch liegen beide Autos dicht beieinander. Der Neue macht aber wichtige Details besser. Im Alltag gefiel uns vor allem der Federungskomfort. Auf der Rennstrecke punkteten die harmonische Hinterachse und die neuen Reifen. Besser fährt kein aktueller Kompakter auf der Piste.

Honda Civic Type-R: Technische Daten

  • Motor: 2,0-l-Vierzylinder-Turbobenziner
  • Leistung: 320 PS (235 kW) bei 6.500 U/min
  • Drehmoment: 400 Nm bei 2.500 bis 4.500 U/min
  • Antrieb: 6-Gang-Handschaltung, Frontantrieb, Sperrdifferenzial
  • 0-100 km/h: 5,7 s
  • Geschwindigkeit: 272 km/h
  • Normverbrauch: 7,7 l/100 km
  • CO2-Emission: 176 g/km
  • Länge: 4,56 m
  • Breite: 1,88 m
  • Höhe: 1,43 m
  • Radstand: 2,70 m
  • Kofferraum: 414-1.209 l
  • Gewicht: 1.380 kg
Der Honda Civic Type-R ist der schnellste Fronttriebler auf dem Nürburgring
Quelle: Honda
Dank Sperre, Aerodynamik und guter Achsgeometrie funktionieren im Civic 320 PS und Frontantrieb ausgezeichnet
Quelle: Honda
An die Box muss er häufiger: In den Tank passen nur 46 Liter. Auf der Rennstrecke nimmt der Turbobenziner problemlos 30 Liter auf 100 Kilometer
Quelle: Honda
Ähnlich wie beim Vorgänger: Das Spoilerwerk kommt uns bekannt vor
Quelle: Honda
An der Dachkante richten kleine Spoiler-Steine den Luftstrom auf den Flügel
Quelle: Honda
Starke Bremse: Vierkolben-Sättel mit 350er-Scheiben und überarbeiteter Belüftung vorn
Quelle: Honda
Das Cockpit des Civic wird endlich übersichtlich. Nur das Navi ist zu kompliziert
Quelle: Honda
Sehr gut: Enge Sportsitze, griffiges Lenkrad und eine präzise Schaltung
Quelle: Honda
Highlight am Honda Civic Type-R: Die engen, aber bequemen Sportsitze
Quelle: Honda
Der Schwerpunkt des Civic Type-R sinkt um 1,5 Zentimeter. Eine neue Hinterachse macht ihn harmonischer
Quelle: Honda
Die breiten Kotflügel dienen der Aerodynamik: Sie verhindert Verwirbelungen vor den Rädern
Quelle: Honda