Jaguar XK 140 (1955): Fahrbericht, Daten, Geschichte
Rennwagen mit Schiffssteuerrad
Was 1955 als Supersportler durchging, ist auch nach heutigen Maßstäben noch schnell, irgendwie. Und aus Fahrersicht extrem fordernd. Testfahrt mit dem Jaguar XK 140.
Spa – Der Jaguar XK 140 kommt serienmäßig mit zwei Le-Mans-Siegen am Heck. Winner 1951 und 1953 steht auf einem Emblem am Kofferraumdeckel. Errungen hat er keinen davon: Der einzige Le-Mans-Auftritt des XK 140 ist legendär, war aber nicht ruhmreich. Heute fahren wir auch nicht in Le Mans, sondern zur Rennstrecke von Spa Francochamps. Zielort: Hotelparkplatz, nicht Start-Ziel-Gerade. Und stellen schnell fest: Der Supersportwagen von 1955 verlangt dem Fahrer schon bei zivilem Tempo genug ab.
Mehr oder weniger 210 PS. Eher mehr
Wer braucht schon das Begrüßungsritual moderner Fahrzeuge, wenn er das hier haben kann? Der XK 140 schüttelt sich zu Beginn jeder Fahrt wie ein junger Hund, der sich freut. Sympathisch. Das leichte Wanken um die Längsachse kommt vom längs eingebauten Sechszylinder-Reihenmotor, während er sich in Bewegung setzt. Läuft das 3,4-Liter-Aggregat einmal, verhält es sich erstaunlich ruhig. Wenngleich die Leerlaufdrehzahl von Mal zu Mal variieren kann: Der XK 140 kommt über Vergaser zu seinem Benzin-Luft-Gemisch. Sie reagieren auf Umgebungstemperatur und Luftfeuchtigkeit stärker als heute gängige Einspritzanlagen. Bei frühlingshaften Temperaturen in der Eifel spricht der Motor geringfügig anders an als bei Regen und 11 Grad in den Ardennen.Mit ein Grund, warum sich die Frage nach der Leistung des Jaguar XK 140 in mehreren Buchkapiteln beantworten ließe. Wir versuchen es kürzer: Grundsätzlich gab Jaguar beim Marktstart des XK 140 im Jahr 1955 eine Höchstleistung von 190 PS an. Auf dem Motor unseres Testwagens sitzt jedoch der Zylinderkopf des Rennwagens Jaguar C-Type. Das macht diesen XK 140 weder zum Einzelstück noch zur Bastelbude. Der Kopf stand regulär in der Mehrausstattungsliste und sollte die Leistung auf rund 210 PS heben. Jedoch nicht nach aktuellen Messverfahren: Im England der 50er-Jahre spannte man die Motoren ohne kraftraubende Nebenaggregate auf die Motorprüfstände. Also doch weniger Leistung? Glaubt man den Jaguar-Technikern, wären bei geschickter Einstellung der Vergaser Werte im Bereich von 230 PS korrekt – und dabei sprechen wir von Pferdestärken im heutigen Verständnis.
Disqualifikation in Le Mans
In jedem Fall kommt der Sechszylinder im unteren Drehzahlbereich ausnehmend gut zurecht, schon knapp unterhalb der 2.000 Umdrehungen bietet er viel Vorwärtsdrang. Ab rund 3.000 Umdrehungen zieht der Jaguar richtig an, bis in den oberen Drehzahlbereich. Wobei: Oben ist relativ. Wesentlich höher als 5.500 Umdrehungen pro Minute geht es für die Kurbelwelle nicht.
Traditionell sind sportliche Jaguar aus dieser Zeit keine Drehorgeln. Späteren Modellen wurde das im Rennbetrieb zum Verhängnis, sie sahen gegen die hochtourig kreischende Sportwagen-Konkurrenz aus Italien und den USA kein Land. In den 50er-Jahren lief es für den britischen Hersteller dagegen noch ausgezeichnet, vor allem bei den 24-Stunden-Rennen von Le Mans. In der Bauzeit des XK 140 errang man drei Gesamtsiege, jedoch keinen einzigen mit diesem Modell. Die Show gehörte dem kompromissloseren Sportprototypen D-Type.
Der XK 140 war werksseitig nur im Jahr 1956 am Start und wurde noch vor Ende des Rennens disqualifiziert - fälschlicherweise. In den Motorsport-Chroniken ist ein Vergehen beim Tankstopp vermerkt. Angeblich wusste damals beim Rennen niemand so genau, warum der XK 140 plötzlich von der Strecke sollte. Als sich die Disqualifikation als Fehler der Rennleitung offenbarte, war das Fahrzeug schon im Transporter.Das Emblem am Heck des XK 140 verweist auf Siege, die Jaguar mit Rennversionen des Vorgängers errang. Das ist schon zulässig, irgendwie. Schließlich trennt XK 120 und XK 140 nicht viel. Den 3,4-Liter-Motor übernahm der XK 140 weitestgehend vom Vormodell. Außen dienen vordergründig die breiteren Stoßstangen als Unterscheidungsmerkmal – ein Zugeständnis an den damals wichtigen US-Markt. Motor und Getriebe wanderten weiter nach vorne, um für mehr Platz im Innenraum zu sorgen.
Es braucht Geduld, starke Arme und schlanke Füße
Der Schalthebel führt direkt ins Getriebe. Durch das Längskonzept von Motor und Antrieb sind praktisch keine Umlenkungen notwendig. Dennoch gehören Gangwechsel zu den großen Herausforderungen auf der Fahrt im XK 140. Und das nicht nur, weil wir in einem von weniger als 100 gefertigten Rechtslenkern sitzen. Der zweite Gang legt sich häufig quer, der dritte gelegentlich. Gewalt wäre eine Lösung, doch das damit verbundene Krachen zerreißt jedem Car-Guy das Herz. Wir probierten es stattdessen mit sanfteren Tricks: Zwischengas beim Hochschalten, Vorgas beim Herunterschalten, kurz Einkuppeln, während der Ganghebel im Leerlauf ist. Hilft alles nur bedingt, im Endeffekt erweist sich Geduld als probates Mittel. Viel Geduld.
Ein mehr als 60 Jahre alter Oldtimer fährt sich eben nicht wie ein Neuwagen. Auch nicht wie ein Gebrauchtwagen aus den 80ern. Die Lenkung ist weitaus schwergängiger als bei Youngtimern ohne Servo-Unterstützung. Deshalb das große Lenkrad. Mit der vorbildlichen Dreiviertel-Drei-Lenkradhaltung kommt man da nicht immer weiter. Und das Umgreifen scheint eine Erfindung der Neuzeit, das opulente Steuerrad schiebt man in engen Kurven eher wie ein Schiffskapitän weiter.Der Jaguar XK 140 verlangt vom Piloten einen vernünftigen, vorausschauenden Fahrstil. Für abrupte Stopps in letzter Sekunde sind die vier Trommelbremsen recht ungeeignet. Vorsicht ist bei Tritten auf Gas und Bremse auch aus einem weiteren Grund notwendig: Die Pedale liegen sehr eng beieinander. Nur mit Übung und schmalen Schuhen lassen sie sich einzeln treffen. Als ob das alles nicht anspruchsvoll genug wäre, sitzen wichtige Bedienelemente wie Blinker oder Wischer garantiert nicht dort, wo wir sie aus heutiger Sicht vermuten würden.
Fazit: Er verlangt viel. Und gibt viel zurück
Der Supersportwagen von einst verlangt also ungewohnt viel von verwöhnten Fahrern unserer Zeit. Aber er gibt auch viel zurück. Auf der belgischen Autobahn schwimmt man überraschend gut mit. Wenn es sein muss, auch auf der deutschen: Theoretisch sind im vierten Gang etwas mehr als 200 km/h möglich. Für gemütliche Fahrten steht anstelle des fünften Ganges dann noch eine Overdrive-Funktion bereit. Weniger Drehzahl bei gleicher Geschwindigkeit, doch der Topspeed sinkt.Wir verlassen die Autobahn für einen Abstecher auf die gewundenen Landstraßen der Ardennen. Und stellen fest: Egal, wie groß das Lenkrad oder wie veraltet die Technik von Bremse und Fahrwerk (Blattfedern an der Hinterachse) sind: Der Jaguar XK 140 lässt sich mit seinem Gewicht von weniger als 1.400 kg überraschend exakt und zügig bewegen. Er mag sich mit Le-Mans-Siegen schmücken, die er nicht selbst errungen hat. Doch wie unbedeutend sind schon zweimal 24 Stunden im Vergleich zu 62 Jahren?
Heute macht die Limousine einfach keinen Sinn mehr. Anders sieht es mit der offenen Version aus: Da passt das notwendig langsame Fahren, da stören weder die dank der Kraft des Motors nur selten nötigen lange dauernden Gangwechsel noch die Bremsen, die den Wagen eher ausrollen lassen als wirkungsvoll zu verzögern. Da fährt man einfach in einem traumhaft schönen Auto - und das macht den Reiz von XK 120 und XK 140 aus.
Gruß Michael
Was für eine Linousine!? Das ist ein FHC. Fixed Head Coupe. Anders als das DHC, Drop Head Coupe (was das Dach bezeichnet).
Zum Thema
Den XK140 durfte ich mal als Beifahrer miterleben. "lahm" fühlt sich anders an. Und der Wagen stammt aus einer Zeit, als Autos für den Normalbürger mal eben nur knapp 40 ps hatten - in der guten Ausführung...
Der XK ist etwas "tricky" von seiner Handhabung, aber es ist beherrschbar... Ausser man hofft zu sehr ESP und ABS würden helfen... Aber damals konnte man Fahrwerke bauen, wie es sein sollte. Das ging alles bis heute bei Jaguar. Schaltet man noch immer die Traktionskontrollen (wenn möglich) ab, ist die Kiste immer noch fein beherrschbar. Nicht wie manch "Premium Sportlimousine" mit "Fortschritt durch Ingeneursarbeiten" 😉 Haha...
ich versuche mir immer vorzustellen wie es es damals war, mit einem 200ps wagen mehr als 5x soviel leistung zu haben wieder otto normalverbraucher mit einer 40ps motorisierung. und der xk140 war noch einer mit "wenig leistung" im vergleich zu anderen... heute hat ein beliebiger kombi 200ps und ein vergleichswagen hätte dann schon 1000ps
Es gibt gängige und weniger gängige Bezeichnungen. Der durchschnittliche Amerikaner würde z. B. von einem Convertible und nicht von einem Drophead Coupé sprechen. In Deutschland ist die etablierte Bezeichnung einer geschlossenen Karosserie Limousine. Als Unterkategorien der Limousinen gibt es unter anderen die Coupés. Die aber trotzdem Limousinen sind. Spezielle zwar, aber dennoch Limousinen.
Dass Hersteller dazu neigen die Karosserieformen anders als ihre Mitbwewerber zu bezeichnen hat schlicht Marketinggründe, ändert aber nichts an der Unterscheidung zwischen Autos mit einem festen Dach und solchen, die man öffnen kann. Ich denke, mein Beitrag wird für die allermeisten Leser verständlich gewesen sein. Vermutlich auch für Dich Trottel2011, aber manche Zeitgenossen fühlen sich besser, wenn sie ein wenig herumätzen können. Wenn Dich das glücklich macht - bitte sehr.
Gruß Michael
Genau so muss man sich das im Verhältnis anschauen. Als mein XJ-S raus kam, einst 1975, waren 300 ps in einem Serienauto welches in Massen produziert wurde extrem neu! Zumindest in Europa. Das konnte sonst nur Ferrari oder Lamborghini... Die Amis waren da mit deutlich mehr Hubraum unterwegs... Aber back to XJ-S (welches sogesehen der Nachfolger des Nachfolgers des Nachfolgers war... Wenn man den XK150 mit betrachtet)... 300 ps in 75 in einem Sportflitzer. Da hatte einst der größe Motor im Capri vielleicht 130 ps. Bei Mercedes war der R107 (SL) kam mit maximal 230 ps klar... Als der Durchschnittswagen vielleicht 50 ps hatte (Golf, Passat und Käfer usw.) oder in GB knapp 40 ps! Die Relation dazu ist gewaltig und dieses muss man immer mit dazu betrachten...
Zumal 200 ps in 1955 sich so anfühlten wie 700 ps heute. Es passiert eine Menge und man muss sein Popometer schnellstens eichen, wobei das heute nicht mehr notwendig ist dank ESP, ASR, Burtout Hilfe, Drift Hilfe, Launch Control, Torque Vectoring, usw. 😉
Endlich einmal genug Fotos !
Schön zu lesen, dankeschön. 😊
Lieber Redakteur! Schöner Bereicht, nur man merkt dass Du noch nie ein unsynchronisiertes Getriebe gefahren bist. Vorgas gibt man um die Schwungradscheibe auf Drehzahl der Kupplungsscheibe zu bringen, ausgekuppelt. Beim hochschalten gibt man kein Zwischengas, sondern KUPPELT zwischen um das Vorgelege abzubremsen. Beim runterschalten gibt man Zwischengas um das Vorgelege auf die Drehzahl der Getriebehauptwelle zu bringen. Dass sich der Jag so schlecht schalten lässt, liegt an der mangelnden Sperrsynchronisation, das heisst, man synchronisiert solange man den Ganghebel andrückt und im richtigen Augenblick, legt man den Gang ein. Mit zwischenkuppeln und Zwischengas gehts schneller.
Bevor man pöbelt, der 1. Gang ist der einzige Gang im Moss Getriebe, welches nicht synchronisiert ist. Alle anderen Gänge (außer Rückwärts aber das ist ja wumpe) sind als "Synchromesh" ausgeführt...
Die Moss SL und JL Getriebe sind bekannt dafür schwer zu schalten zu sein...
Schöne Kurven. 😎
Der XK 150 hat fünf Titel aufm Heck. 😉
VG myinfo
Naja also ich würde sagen eine Limousine ist 4türig, das zweitürige und vor allem zwei- (oder 2+2) sitzige verstehe ich als Coupe... seit Mercedes 4 türige angeblich Coupe-Limousinen baut ist eh alles im A... :-)
Wer pöbelt? Aber beim raufschalten ist Zwischengas geben schlicht weg falsch!
So viel ich weiß, verfügen die Moss Getriebe nicht über eine Sperrsynchronisation, sprich wenn der Synchronisationsvorgang noch nicht abgeschlossen ist, kann man den Gang einlegen, nur es kracht halt. Ist das richtig?
Klar, Zwischengas beim Hochschalten macht kein Sinn, außer man wartet zu lange mit dem Schaltvorgang (moderne Autos halten die Drehzahl ja von alleine - wenn man das gewohnt ist...). Dann ist ein kleiner Gasstoß tatsächlich hilfreich.
Das Mossgetriebe ist tatsächlich normal synchronisiert mit Ausnahmen 1. und R Gang. Ansonsten kracht da nichts. Kracht da etwas, ist da was im Getriebe defekt.
Das Moss-Getriebe hat zu Unrecht einen schlechten Ruf.
Es ist ausserordentlich zuverlässig und robust. Selbstverständlich am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig.
Oft wird es durch ein 5-Gang Betrag Getriebe ersetzt. Neuerdings kann auch eine Servolenkung eingebaut
werden. Beides verändert meiner Meinung nach aber den Charakter dieses Fahrzeugs
Fahre seit rund 20 Jahren ein DHC und geniesse jede Fahrt aufs Neue.