Die Geschichte der Minivans
Vom ersten Multipla zum Ende des Pragmatismus
Vom Transporter mit Fenstern über den Auto-Modetrend bis zum Trend-Ende unserer Tage: Wir blicken zurück auf die Geschichte der Minivans.
Von Arild Eichbaum
Früher galt: Wer viel zu transportieren hatte, ob nun Personen oder Güter, fuhr einen Kombi. Wer noch mehr zu transportieren hatte, fuhr einen Kleinbus oder Kastenwagen. Und wer viel zu transportieren hatte, aber weder einen Kombi noch ein unkomfortables Nutzfahrzeug fahren wollte, stand dumm da.
Das galt bis in die frühen 1980er-Jahre. Ideen, Familien viel Raum auf wenig Platz zu verschaffen, gab es trotzdem schon früher. Umgesetzt wurden indes die wenigsten, der gemeinsame Nenner eines mehr oder minder ausgeprägten Onebox-Designs blieb.
Die Transportfrage kam direkt nach dem zweiten Weltkrieg auf, denn es gab viel zu aufzubauen. Größere Onebox-Lieferwagen wie Peugeot D3, Citroën HY oder auch VW T1 und Ford FK waren zwar vorhanden, aber passten nicht unbedingt zu jedem Privathaushalt. Etwas Kleineres, wesentlich Erschwinglicheres musste her. Kein Problem für Fiat: Der 1956 präsentierte Multipla auf Basis des 600 brachte auf 354 Zentimetern Länge bei 220 Zentimetern Radstand sechs Insassen unter. Der 720 Kilo leichte Heckmotor-Zwerg mit 29 PS genehmigte sich zwischen 6 und 8 Liter. Bis zu seiner ersatzlosen Einstellung 1967 überzeugte der Fiat 600 Multipla rund 240.000 Kunden.
Eine Studie auf der IAA 1965
1965 stellte Motorjournalist Fritz B. Busch auf der IAA eine gemeinsam mit dem Deutschen Michael Conrad und dem Italiener Pio Manzù ersonnene Studie eines Stadtwagens vor. Der in nur einem Exemplar hergestellte „Autonova Fam“ – „fam“ für familiare – diente als Gegenentwurf zu den damaligen Pkw. Die Modelle der Automobilindustrie waren in den Augen Buschs „unzweckmäßig“ und „nicht verkehrsgerecht“.
Der Kombiwagen mit Pkw-Fahrwerk maß 3,50 Meter in der Länge und jeweils 1,50 Meter in der Breite und Höhe. Das ganz auf ideale Raumnutzung konzipierte Fahrzeug mit einer Karosserie der italienischen Firma Sibona-Basano nahm fünf Personen samt Gepäck auf und zeichnete sich durch einen Wendekreis von nur 8,40 Metern aus. Vier Türen und eine nach US-Vorbild waagerecht geteilte Heckklappe vereinfachten Einstieg und Beladung des Fam.Eines der zahlreichen Highlights war die mit einem unten abgeflachten Lenkrad versehene Lenkung, die mit ansteigendem Einschlag immer direkter übersetzte. Futuristisch wirkte das Armaturenbrett mit bloß einem Instrument, gleichfalls die komplett am Lenkrad positionierten Bedienhebel oder die Beschleunigung per Knopf am Steuerknüppel.
Am Boden des Innenraums gab es nur ein Bremspedal. Die Variomatic aus den holländischen DAF-Pkw ersparte ein Kupplungspedal. Die komplette Auflistung aller Finessen würde den Rahmen sprengen. Es blieb leider bei der Studie. Allerdings konnte sich das kantige Gefährt auf die Fahnen schreiben, einer ganzen Generation von Minivans als Vorbild gedient zu haben.
Vom Minimax zum Voyager
Szenenwechsel: In den USA war der Appetit auf große Motoren noch nicht vorbei. Die gab es in den 1970er-Jahren aber zunehmend nur noch in Nutzfahrzeugen. Die Van-Abteilungen der Großen Drei – Chrysler, GM und Ford – kamen diesem Trend ein Stück weit mit komfortableren Versionen ihrer Lastesel entgegen. Doch waren die großen Vans auch nach Überarbeitung durch einen Custom-Betrieb immer noch ungeschlachte Nutzfahrzeuge mit primitivem Fahrwerk.
Mustang-Vater und Ford-Präsident Lee Iacocca hatte deshalb den Konstrukteur Hal Sperlich einen modernen Minivan mit dem Projektnamen Minimax kreieren lassen. Dessen Prototyp gefiel dem Patriarchen Henry Ford II gar nicht. Kurz darauf entließ er die beiden. Die Fachkräfte wechselten zu Chrysler.
Chrysler selbst stand das Wasser Ende der Siebziger bis zum Hals, Missmanagement und veraltete, kaum gefragte Modelle waren Schuld. Iacocca warb eine Milliardenbürgschaft vom Kongress ein und schaffte es, den Konzern mit neuen, zeitgemäß sparsamen und vergleichsweise kompakten Fahrzeugen in die Gewinnzone zurückzuführen.
Sperlich konnte nun an der Minivan-Studie weiterarbeiten. Aus der Minimax-Idee wurden Ende 1983 Plymouth Voyager, Dodge Caravan und Chrysler Town& Country - hierzulande besser bekannt als Chrysler Voyager. Das Rezept: Ein Pkw-Fahrwerk mit Frontantrieb unter einer selbsttragenden, für amerikanische Verhältnisse kompakten Karosserie. Der Erfolg des Modells war gigantisch. Allein 209.895 Einheiten wurden im ersten Jahr in Nordamerika verkauft.
Espace: Französisch für Raum
In Europa hatte Matra seit 1978 an einer Großraumlimousine getüftelt. Ursprünglich sollte das Fahrzeug den Ende 1983 eingestellten Talbot-Matra Rancho beerben. Markeneigner PSA sah für das Modell allerdings keinen Markt und plante ohnehin nicht mehr fest mit Talbot.
Der Konkurrent sah es anders: Renault erkannte das Potenzial des Konzepts und übernahm das Projekt, inklusive des fast fertig entwickelten Vans. Beinahe unverändert kam der Entwurf als Renault Espace auf den Markt. Bemerkenswert am Espace war zunächst das Raumkonzept mit sieben Sitzen. Davon waren fünf einzeln herausnehmbar, was bis zu drei Kubikmeter Stauraum schuf.Ebenso spektakulär war der von Matra entwickelte, mehrschichtige Polyesteraufbau auf einer tragenden Struktur aus galvanisiertem Stahl. Hierdurch konnte das Gewicht des 4,25 Meter langen Espace auf dem Niveau eines Mittelklasse-Pkw gehalten werden. Der Espace wog nur 1.200 Kilogramm. Ab 1984 fand der Franzose zahlreiche Fans.
Japan: Wenig Raum, kleine Autos
In Japans Metropolen entstanden deutlich winzigere Vans. Platz ist rar, deshalb schossen die vielfach in Abmessungen und Motorisierung limitierten Autos in die Höhe. Gänzlich unkonventionell in diesem Aspekt war der schon 1982 eingeführte Nissan Prairie mit vorderen Klapp- und hinteren Schiebetüren – ohne B-Säule. Seit Februar 1983 produzierte Mitsubishi den Space Wagon. Kantig, praktisch und sehr kompakt, nahm er die Voyager-Silhouette ebenso vorweg wie das Pkw-Konzept des Espace, mit vier konventionellen Türen.
Die wichtigen Automärkte USA und Europa waren aufnahmefähig für die neuen Konzepte. Das zeigte sich am Erfolg der Minivans von Chrysler und Renault. Dass die kompakten Vans nie zum Statussymbol taugten, kam dem Absatz diverser japanischer Angebote zugute. Deren Wertschätzung war in Europa damals nicht extrem hoch. Nun konnten die Importeure jedoch mit praktischen Vorteilen auftrumpfen.
Die Hochphase
Die 1990er- und 2000er-Jahre wurden zur Van-Hochphase. Asiaten, Amerikaner und Europäer bauten ihr Angebot ohne Unterlass aus. Egal, ob auf Kleinwagen-, Kompakt- oder Mittelklassebasis, ob Neueinführung oder Nachfolgemodell, ob Fronttriebler oder Allrad: Für jedes Bedürfnis gab es ein passendes Fahrzeug.
Lieber einen Kia Carnival, Nissan Vanette, Toyota Previa, Mitsubishi oder einen Mazda5? Oder doch einen europäischen Renault Scenic, Opel Zafira, Ford C-MAX, S-Max oder den aufsehenerregenden Fiat Multipla? Alternativ standen noch Citroën C3 Picasso, Hyundai ix20, Kia Venga, Lancia Musa, Nissan Note oder Renault Modus zur Wahl.
Um pragmatische Kunden bewarben sich auch Pontiac Transport, Ford Aerostar und Nachkommen, Chrysler Pacifica, Mercedes R-Klasse oder Audi A2. Um den Profit durch geteilte Entwicklungskosten zu steigern, enstanden die Eurovans Citroën Evasion, Fiat Ulysse, Lancia Zeta und Peugeot 806 gemeinsam. Gleiches galt für VW Sharan, Ford Galaxy und Seat Alhambra.
Wem aus dieser breiten Platte nichts so recht zusagte, der wurde womöglich mit einem Hochdachkombi glücklich. Ursprünglich als Nutzfahrzeug konzipiert, entstanden ab den Neunzigerjahren auch Pkw-Versionen von Citroën Berlingo, Renault Kangoo oder VW Caddy.
Ende des Pragmatismus
Die Kunden waren vor allem größerer Vans ab den späten 2000er-Jahren langsam überdrüssig. Verstärkt gekauft wurden nun Fahrzeuge mit ebenfalls großzügigen Raumverhältnissen und hoher Sitzposition, die aber mehr Prestige mitbrachten. Die Geschichte der Minivans scheint sich bei der SUV-Mode nun zu wiederholen: Kaum ein Hersteller, der ohne SUV in mehreren Größen auskommt.
Unter den Vans schrumpft unterdessen das Angebot. Einige, wie Peugeot 806, Opel Meriva oder Ford B-Max, sind bereits durch SUVs ersetzt worden. Andere wie VW Touran oder Renault Scenic erzielen noch ordentliche Absätze. Aber ihre Zahl wird weiter schrumpfen.
Den ersten Minivan in Deutschland gab es in den 1950er Jahren- von Borgward.
Ich bin gespannt was nach der SUV Ära kommen wird.
Die Hochdach Kombis sind jetzt ja schon so langsam die neuen Familienkutschen, da sie einfach sehr praktisch sind. Ich glaube, da geht noch was in Zukunft...
„Hochdach Kombi“ gemeint ist doch der „Lifestyle Lieferwagen“... oder?
Wer einen Minivan oder Kombi fährt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.
Genau. Lloyd LT 500 ab 1953: https://en.wikipedia.org/wiki/Lloyd_LT_500 (keine deutsche Seite verfügbar, peinlich).
Nicht verloren sondern geteilt.
Vans sind das in meinen Augen beste Fahrzeugkonzept ever. Wobei für mich ein Van die Dimension eines Voyagers oder Espace hat. Fahrzeuge in der Größe eines BMW 2er GT oder Mercedes B-Klasse sind hübsch anzusehen, aber keine wirklichen Vans, auch wenn sie oftmals so bezeichnet werden.
Über Formen kann man streiten. Ich hatte einen der allerersten Multipla in der Ergas Version. Der Kauf wurde seinerzeit noch von den örtlichen Stadwerken mit einer Prämie von 1.000 DM gefördert, dazu gab es ein Jahr lang dort kostenloses Tanken. Ich hatte seitdem noch nicht wieder ein derartig sparsames Fahrzeug mit einem hohen Nutzeffekt. Gut er hatte zu Anfang so seine Macken, die im Rahmen der Garantie problemlos behoben wurden. Aber er war praktisch und hatte dank seiner großzügigen Verglasung auch eine tolle Übersicht. Nach gut drei Jahren und rund 100.000 Km brachte er auch noch einen guten Preis auf dem Gebrauchtwagen Markt.
In Japan gibt es Kleinstwagen als Van die ich hier auch gerne kaufen würde. Klar ist das nichts für die Linke Autobahnspur. Aber für unsere Städte und Landstraßen reicht das vollkommen.
(Werbeclip für den Toyota Tank)
Der Toyota "Tank" ist ca. 3,7m lang und kostet so viel wie ein VW-Polo.
Alles ein Frage der Mode. Vans kamen, gingen und kommen ... langsam wieder. 2 große Modewellen zwangen die Vans in den Niedergang: Coupé und SUV. Sogar der Kombi und die Limousine wurde angekratzt. Und sogar ... die Pick Up Welle kommt erst noch. Dazu die emotionale Abstrafung der Vans als Pampersbomber wahrgenommen zu werden. Imagewerte wurde so in den Keller gedrückt. Der Van wurde als mobile Notdurft für Familien abgestraft. Wer konnte wechselte auf größere SUVS um - wer möchte schon gerne in negative Schubladen gestopft werden ?
Der Van kann wieder kommen, wenn interessante moderne Antriebe eingebaut werden und die Nutzwerte mit guten Argumenten überzeugen können. Innen muss Mode und gute Qualität einziehen ... und ... na ja ... etwas Suviger durch höheren Einstieg kann der moderne Van ja werden. Es kann sehr bequem aus- und eingestiegen werden, die Rundumsicht ist durch große Scheiben hervorragend.
Momentan tobt sich jedoch noch die SUV-Mode aus. Lediglich die T-Linie von Volkswagen hat die Modewelle der SUVs überlebt und geht sogar gestärkt daraus hervor.
In der Zukunft wird es tendenziell wohl große und kleine Autos geben. Also VANartig sehen die Fahrzeuge jedenfalls aus. Schön ist jedoch anders und das Interieur muss die Lücke schließen und wird es auch.
https://m.youtube.com/watch?vl=de&v=QnFvPCDj6UI
Ich hatte mal drei Wochen den Voyager als Mietwagen in Florida, das Teil war ungemein praktisch mit zwei Schiebetüren und entspannt zu fahren , was man heute Van nennt hat doch innen kaum mehr Platz als ein Kombi .
Man muß sich halt entscheiden was man wirklich will. Entweder den Nachbarn
beeindrucken, stets die linke Spur auf der AB nutzen oder einen Kumpel
für alle Lebenslagen und Transporte haben. Dafür ist ein Van oder HDK gut geeignet.
Würde gerne ein E-Auto oder Hybrid fahren, leider sind das bisher alles Kleinwagen
oder flache Flundern. Mehr Lifestyle als Nutzwert. Es gibt zwar schon einige
mit größerem Innenraum, aber die sind für mich nicht finanzierbar Die Optik von
verbauten Außenteilen ist für mich gegenüber nutzbaren Innenraum zweitrangig.
Das ist ein Gebrauchsgegenstand!
Als nächstes kommt der „Bus“ zurück. Dank Elektroantrieb kompromisslos auf Raumausnutzung und Komfort ausgelegt mit Platz für E-Bikes im Innenraum - natürlich mit eigener Ladestation - Rollstuhl gerecht und bei Bedarf selbstfahrend und fahrerlos selbst einparkend. Das wird noch spannend!
OpenAirFan
Wer den Nachbarn beeindrucken muss, hat auch die Kontrolle über sein Leben verloren.
In erster Linie geht es um einen selbst. Das ruhige green house einer Limousine oder eines Coupes ist eine Wohltat. Deshalb sind SUV Coupes oder künftig SUV Limousinen (siehe Maybach Ultimate Luxury) auch einem normalen SUV vorzuziehen. Leider ist das Angebot noch relativ klein und man muss auf herkömmliche SUVs zurückgreifen, wenn man ein neues Modell fahren möchte. Mit Ausnahme Q8.