Ratgeber: Rechtliche Tücken für Autofahrer in der Winterzeit
Wenn das Recht so wechselhaft ist wie das Wetter
Von „situativer Winterreifenpflicht“ bis zur Schnee-Dachlawine. Im Winter lauern einige Tücken auf Autofahrer. Auch rechtlicher Art. Ein Ratgeber.
Köln - Autofahren in den Wintermonaten ist oft anstrengend – gibt es doch beim Fahren auf Schnee und Eis einige Tücken. Mit den Tücken rechtlicher Natur müssen sich oft genug die Gerichte auseinandersetzen. Und nicht immer entscheiden sie so, wie man das als Laie erwartet.
Unfälle auf Sommerreifen im Winter
Häufiger Streitpunkt mit Versicherungen sind Unfälle mit Autos, die keine Winterreifen aufgezogen haben. Da in Deutschland seit einigen Jahren eine „situative Winterreifenpflicht“ gilt, die Bereifung also von den tatsächlichen Straßenverhältnissen abhängig gemacht werden muss, sind hier immer wieder Gerichte gefragt. Im Februar mit Sommerreifen auf eisglatter Fahrbahn ist das ein klarer Fall. Komplizierter wird es, wenn das Winterwetter nicht durchgängig ist, wenn der Autofahrer von einem plötzlichen Kälteeinbruch überrascht wurde oder die lokalen Verhältnisse unterschiedlich sind.
Das Amtsgericht Mannheim urteilte beispielsweise zugunsten eines Autofahrers, der bei Glatteis auf einer Brücke einen Unfall hatte. Unter anderem weil die Temperatur in den Tagen zuvor zweistellig war und nicht nachgewiesen werden konnte, dass sich der Unfall mit Winterreifen hätte verhindern lassen (Az.: 3 C 308/14).Um dem Autofahrer Leistungen zu kürzen, muss die Versicherung ihm grobe Fahrlässigkeit nachweisen. Das bedeutet, dass er die gebotene Sorgfalt in außergewöhnlich hohem Maß verletzt hat. Das konnte sie auch in einem vor dem Amtsgericht Papenburg verhandelten Fall nicht (AZ: 20 C 322/15). Hier war der Autofahrer an einem Januarmorgen bei knapp zwei Grad und trockener Fahrbahn mit Sommerreifen unterwegs, als er von der Fahrbahn abkam. Das Gericht urteilte, dass die Versicherung den kompletten Schaden übernehmen muss, da der Fahrer nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Auch hier ließ sich nicht nachweisen, dass der Unfall mit Winterreifen nicht passiert wäre.
Keine flächendeckende Räumpflicht
Trotz Winterreifen kann man bei Eis und Schnee ins Rutschen kommen. Grundsätzlich hat die Kommune eine Räumpflicht. Dennoch können Straßenmeistereien und Winterdienst bei Schnee und Eis nicht überall gleichzeitig im Einsatz sein. Wenig befahrene Straßen kommen erst später dran, wenn überhaupt. Wenn es dort kracht, haftet die Gemeinde deshalb nicht automatisch mit: So sah das Amtsgericht Coburg (AZ: 22 O 729/11) beispielsweise keine grundsätzliche Pflicht sämtliche Verkehrswege zu streuen, vor allem, wenn ein nur geringes Verkehrsaufkommen besteht.
Beschädigungen durch Dachlawinen
Doch nicht nur beim Fahren, auch beim Parken im Schnee sollte der Autofahrer aufpassen und sein Auto nicht unbedingt vor einem Haus mit Satteldach abstellen. Denn für Schäden durch eine Dachlawine ist er im Zweifel selbst verantwortlich.Im schneereicheren Süden der Republik ist es ausreichend, wenn der Hausbesitzer eines der üblichen Schneefanggitter angebracht hat, entschied das Amtsgericht München (Az.: 274 C 32118/13). Weitere Maßnahmen muss er nicht ergreifen. In weniger schneereichen Gebieten müssen Hausbesitzer noch nicht einmal Schneefanggitter anbringen. Das gilt laut einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf auch dann, wenn mehrere schneereiche Winter aufeinander gefolgt sind (Az.: i 24 U 217/11).
Dass es auch im Stillstand immer wieder zu Schäden kommt, die der Autofahrer selbst tragen muss, beweist auch ein Urteil des OLG Hamm (Az. 9 U 171/14): Die Richter gestanden einer auf Blitzeis in einer SB-Waschbox ausgerutschten Autofahrerin keinen Schadenersatz zu. Die Gefahr durch überfrierendes Waschwasser liege hier auf der Hand, urteilte das Gericht. Der Betreiber hätte die Kunden auf diese Umstände nicht extra hinweisen müssen.
Die Schneeflocke gilt auch ohne Schnee
Auch die auf den Winter bezogenen Verkehrsschilder haben so ihre Tücken, zum Beispiel das rot umrandete Dreieck, das eine stilisierte Schneeflocke zeigt und in Kombination mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt wird. Während ein Zusatzschild „bei Nässe“ das Tempolimit auf den nassen Straßenzustand beschränkt, kommt es bei der Schneeflocke nicht aufs Wetter an. Hier muss langsam gefahren werden, auch wenn es nicht schneit, entschied das Oberlandesgericht Hamm (Az. 1 RBs 125/14). Das Schild dient demnach lediglich der Information und wird aufgestellt, damit Autofahrer die angeordnete Geschwindigkeit besser akzeptierten.
Quelle: SP-X
Ja klar, bei 20 Grad ist die Geschwindigkeitsbegrenzung mit Schneeflocken-Symbol akzeptabler.......
Wie bekloppt sind eigentlich einige Gerichte ?????
Du musst in diesem Fall die Geschwindigkeitsbegrenzung von dem Schneeflockensymbol trennen. Soll heissen, die Begrenzung gilt immer, während das Schneeflockensymbol lediglich darauf hinweisen soll, dass mit Schnee in dieser Gegend zu rechnen ist.
Ist für mich auch nicht nachvollziehbar, da die Begrenzung mit einem -Nässe- Schild eben nur gültig ist, wenn die Strasse auch tatsächlich nass ist.
Wie sagt man immer so schön?
Vor einem deutschen Gericht und auf hoher See ist alles möglich.
Es bewahrheitet sich leider zu oft!
Das eine Schild bezieht sich eben ganz klar auf das Tempolimit: "bei Nässe"
Das andere ist "nur" ein Gefahrzeichen...
Man könnte sich allerdings fragen, ob die Geschwindigkeitsbegrenzung nach der Gefahrstelle (Brücke, Waldabschnitt) automatisch aufgehoben wird (wie bei einer "Baustellenmarkierung").
Überhaupt interessant wäre, ob es zum entsprechenden Zeitpunkt tatsächlich winterlich (kalt) war:
http://www.burhoff.de/asp_weitere_beschluesse/inhalte/2758.htm
Der Autofahrer hatte nämlich wohl mit "trockener Fahrbahn" argumentiert, nicht mit hohen Temperaturen. Es wird daher winterlich, also unter 0 °C kalt gewesen sein.
Wäre das im Sommer bei 25 °C passiert, würde das nicht auch im Urteil so stehen?
(die Tatsache, dass es zum Zeitpunkt über 15 °C hatte...)
Wäre das Urteil vielleicht anders ausgefallen?
Hat da jemand genauere Infos?
Für meine Begriffe fehlen hier Details und überhaupt sind Gerichtsurteile nicht in Stein gemeißeltes Recht (auch wenn´s ein sehr zäher Weg werden würde mit ungewissem Ausgang).
Letztlich hält man sich natürlich ans Limit. Ist sicherer und man hat seine Ruhe. Fahre selbst ohnehin meist unterhalb des Limits. Kann auch nicht verstehen warum man das nicht nur einhalten müsse, sondern noch klar und deutlich darüber.
Ich denke eher, dass der Autofahrer hier dem Irrtum erlegen ist, die Geschwindigkeitsbegrenzung würde nur bei Schnee gelten. Da die Straße trocken war, also kein Schnee lag, müsste er sich nach seinem Verständnis nicht an die Begrenzung halten.
Anders eben als bei dem Schild Nässe.
Das Schneeflockensymbol aus dem Urteil war so eines wie es das Gefahrzeichen 123 ist.
Dieses bezieht sich klar auf eine Baustelle. Ist man an dieser vorbei, wird das Limit wieder aufgehoben, es bedarf keiner gesonderten Aufhebung. Kann manchmal strittig sein wo die Baustelle endet, aber im Grundsatz richtig oder etwa nicht?
Die Argumentation, dass bei > 20 °C (als Beispiel) das Tempolimit sofort wieder aufgehoben ist, wäre doch eigentlich schlüssig, da nicht mit Glätte zu rechnen ist.
Steht irgendwo im Gesetz, dass nur Zeichen 123 ein Limit auch wieder aufheben kann, nämlich wenn man an der Gefahrstelle vorbei ist?
In diesem Sinne würde die Schneeflocke doch selbiges bezwecken, zumindest wenn eine gewisse Temperatur überschritten ist.
Eben daher meine Frage, warum in dem Urteil nur der Fahrbahnzustand "trocken" aufgeführt wird. Es wird vermutlich kalt (gar eisig) gewesen sein.
Man sollte das Urteil schon genau lesen.
Es wurde ja extra nochmal geschrieben:
Die Schneeflocke gilt auch ohne Schnee
Auch die auf den Winter bezogenen Verkehrsschilder haben so ihre Tücken, zum Beispiel das rot umrandete Dreieck, das eine stilisierte Schneeflocke zeigt und in Kombination mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufgestellt wird. Während ein Zusatzschild „bei Nässe“ das Tempolimit auf den nassen Straßenzustand beschränkt, kommt es bei der Schneeflocke nicht aufs Wetter an. Hier muss langsam gefahren werden, auch wenn es nicht schneit, entschied das Oberlandesgericht Hamm (Az. 1 RBs 125/14). Das Schild dient demnach lediglich der Information und wird aufgestellt, damit Autofahrer die angeordnete Geschwindigkeit besser akzeptierten.(Zitatende)
Und genau dieser Umstand ist unlogisch und wird daher von einem Autofahrer nicht so ausgelegt.
Das Zusatzschild mit der Schneeflocke bedeutet nicht „bei Schnee“, sondern Glatteisbildung. Ein Tempolimit mit diesem Schild gilt demnach immer, wenn die Temperaturen unter + 4 Grad sinken, weil dann schon an solchen Stellen (meist an Brücken) mit Glatteis zu rechnen ist und nicht nur wenn es schneit. Im Sommer gilt das Tempolimit nicht.
Im Winter in Deutschland sollte man einfach Winterreifen drauf haben. Wenn man das nicht hat und bei Schnee oder Eis trotzdem fährt, ist derjenige einfach dumm und daran ist nichts unklar.
" Da in Deutschland seit einigen Jahren eine „situative Winterreifenpflicht“ gilt, die Bereifung also von den tatsächlichen Straßenverhältnissen abhängig gemacht werden muss "
Was bedeutet dies eigentlich in der Realität? Die Winter bei uns im Norden sind eher nass als weiß. Temperaturen bewegen sich zwischen -5 und teilweise über 13°C. Um es korrekt zu machen, muss ich doch bei Temperaturen über 10°C (nur ein beispielhafter Wert) Sommerreifen aufziehen. Bei Winterreifen und höheren Außentemperaturen erhöht sich neben dem Verschleiß doch auch der Bremsweg. Könnte im Streitfall bedeuten, dass ich aufgrund der Winterreifen nicht mehr rechtzeitig zum stehen komme und das mit Sommerreifen gepasst hätte.
Ich vermisse hier die Gesetzeslage, dass ein Autofahrer die Schilder auf der von ihm befahrenen Straße kennen muss, um diese auch beachten, wenn sie eingeschneit sind.
Ich durfte auch neulich mit 60km/h auf die Autobahn auffahren, während andere Verkehrsteilnehmer mit teils deutlich über 100 an mir vorbeiballerten, weil die Tempobegrenzung vom Winterdienst zugeschüttet wurde.
Tja .. der Staat weiß schon, wie er sich aus der Affäre zieht und gleichzeitig noch den einen oder anderen Euro kassiert.
Den Hausbesitzern brummt man den Schaden auf, wenn man seiner Räumpflicht nicht nachkommt, aber selber stellt man einfach überall Schilder mit "Benutzung auf eigene Gefahr" oder "Eingeschränkter Winterdienst" auf. Bei Schlaglöchern ist's ja nicht anders.
Genau so ist es. Die Frage ist nur, wie man in einem solchen Fall grobe Fahrlässigkeit definieren will. Selbst bei -2 °C und trockener Fahrbahn kann ein Sommerreifen in bestimmten Situationen immer noch besser als ein Winterreifen sein und umgekehrt.
Verkehrszeichen, die nicht erkannt werden können, haben keine Gültigkeit. Da spielen Ortskenntnisse keine Rolle. Gibt diverse Urteile dazu.
Wir haben ja eine situationsabhängige Winterreifenpflicht und keine Sommerreifenpflicht (ich glaube in Italien gibt es sowas).
Man könnte also von der gesetzlichen Seite her das ganze Jahr mit Winterreifen fahren.