Im Falle eines Unfalls: Erhöhte Verantwortlichkeit bei Ortskundigen
Wer sich besser auskennt, trägt mehr Verantwortung
Kommt es zu einem Unfall, an dem beide Parteien eine Mitschuld tragen, kann dem ortskundigeren Fahrer vor Gericht eine höhere Mitschuld zugesprochen werden.
Köln - Ortskundige haben es beim Autofahren leichter. Wer die Straßenführung und Verkehrssituation kennt, kann sich darauf einstellen. Sollte er auch. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, bei dem beide Beteiligte eine Mitschuld trifft, wird dem Fahrer mit Ortskenntnis womögliche eine überwiegende Verantwortlichkeit angelastet. Das ergibt sich aus einem Urteil des Amtsgerichts Ansbach.
Nach einem Bericht der Deutschen Anwaltshotline überholte im verhandelten Fall ein Pkw-Fahrer einen Lkw. Allerdings kam es an einer Fahrbahnverengung zur Kollision der Fahrzeuge. Der Pkw-Fahrer ging vor Gericht, um vom Lkw-Fahrer seinen Unfallschaden in Höhe von rund 4.000 Euro einzuklagen. Ein vom Gericht angefordertes Sachverständigengutachten stellte jedoch fest, dass beide Parteien den Unfall hätten verhindern können.
Während der Lkw-Fahrer möglichst rechts hätte fahren müssen, hätte der Pkw-Fahrer bremsen und nach links ausweichen können. Deshalb sprach das Gericht beiden Fahrern eine Mitschuld zu. Da der Pkw-Fahrer als Ortskundiger jedoch von der Fahrbahnverengung wusste, sah das Gericht bei ihm eine überwiegende Schuld von 60 Prozent. (Az. 3 C 775/16)
Quelle: SP-X
Ich halte es für nahezu unmöglich sich hier eine differenzierte Meinung zu bilden, ohne die örtlichen Gegebenheiten zu kennen.
Im spezifischen Fall sicher nicht. Aber der allgemeine Hinweis, dass ein ortskundiger eine entsprechend höhere Mitschuld tragen kann, ist doch ganz interessant?
I'm Grunde gab es das auch schon vorher, bei zB. Tempolimit, bei welchen von Ortsansässigen trotz mangelhafter Beschilderung die Einhaltung erwartet werden kann. Naja aber, bezogen auf was nützt dieses Urteil? Bei einer Verengung ist es ggf. verständlich, da es dort vielleicht physikalisch einfach nicht passen kann. Aber was sagt uns das bezüglich Verkehrsregeln? Vielleicht Vorfahrt, vielleicht diese typischen Situationen die jeder irgendwo kennt, von denen man quasi weiß, dass sie für ortsfremde verwirrend sind...
Ich sehe eine gewisse Gefahr, dass im Zweifel zu voreilig gesagt wird "der ist ortskundig, also trägt er die eine (Teil-) Verantwortung
Ich denke das sind Einzelfälle, welche die Gerichte individuell entscheiden müssen. Aus dem Text geht ja auch hervor, dass man das maximal dann macht, wenn es um die Aufteilung der Teilschuld geht. Das kommt ja eigentlich nur in wenigen Situationen vor.
Zum Beispiel diese typischen Engstellen, oder wenn man ein Auto beim überholen streift, oder ähnliches.
Ab wann ist man denn "ortskundig"?
Auslegungssache des Gerichts...
Aha, 60 : 40 wegen der besseren Ortskenntnis. PKW : LKW, da hat der LKW die deutlich höhere Betriebsgefahr. Und demnach bekam der PKW-Fahrer einen deutlich höheren Anteil zugewiesen, als dies auf den ersten Blick zu erkennen ist.
Wie im ersten Posting schon geschrieben steht, wird man sich hier in den Kommentaren kein eindeutiges Bild von dem Unfallhergang machen können.
das muß dann wohl das nächste gericht klären.
ortskundig ist man zb. auf seinem arbeitsweg, der 5x die woche gleich ist.
dabei kann man aber schon in der ersten nebenstraße oder umleitung im ort völlig unkundig sein, weil man diesen weg noch nie benutzt hat.
ebenso kann ein rentner, der 10x im jahr zum nächsten aldi fährt, und zwischen dessen fahrten einige wochen oder gar monate liegen, durchaus "unkundig" sein, wenn baustellen, verengungen, umleitungen eingerichtet wurden.
aus dem bauch raus würde ich also sagen, daß man auf einer straße als ortskundig gilt, wenn man sie mindestens 1x pro woche benutzt. und das nicht im durchschnitt, also 25 wochen hintereinander und dann ein halbes jahr nicht mehr. denn dann kann es zu unklaren situationen bei zwischenzeitlich eingerichteten baustellen und straßenumbauten kommen.
Also wieder eine völlig wachsweiche Definition. Naja, warum auch einfach...
Betriebsgefahr und Schuld sind zwei eigenständige Sachverhalte, die man nicht miteinander vermengen sollte.
Wie schon geschrieben, kann man es ohne die genauen Umstände zu kennen nicht beurteilen. Ich vermute, dass der LKW Fahrer auch Fehler gemacht hat, weil letztlich kannte der PKW Fahrer die Verkehrsführung und überholte. Bekam aber lediglich 60 % Teilschuld, letztlich wäre er doch zu 100 % verantwortlich...
Solange es sich nicht durchsetzt, dass der vermeintlich ortskundige immer im Nachteil ist, und dies über das Kennzeichen fest gemacht wird, ist es wohl eine Ausnahme. Dafür gibt es schließlich die Verkehrsregeln.
Ich kenne bei mir 2 Stellen, wo ich noch achtsamer bin. Einmal 3 Spurig geradeaus, durch eine Kreuzung unterbrochen. Nach der Kreuzung geht es leicht versetzt weiter. Fährt man rechts alles ok. Fährt man auf der Mittelspur, kann man wenn man unaufmerksam ist da die Fahrbahnmarkierung auf der Kreuzung fehlt auf die linke Spur geraten.
Eine andere Stelle ist 2 Spurig abbiegen. Die rechte Spur wieder alles ok, wenn man der Hauptstr. folgen will. Ist man auf der linken Spur, kann man sich dann aber entscheiden, Mittelspur, linke Spur (3 spurig) oder gar auf die Linksabiegespur. Besonders kritisch, wenn jemand von ganz rechts dann links abbiegen will und somit 2 Spuren mal eben schneidet, weil nur ca. 50m Distanz.
Es gibt also schon gefährliche Stellen. Ich finde aber, dass das Sache der Stadt, Kreis ist, soetwas zu entschärfen. Was hat man sich überhaupt bei der Erstellung gedacht... Wenn es hier kracht, den Ortskundigen in Teilschuld zu nehmen finde ich ungerecht. Ausser natürlich, der hat es provoziert und absehbar den Unfall in Kauf genommen.
Wie sagt das Sprichwort so schön?
Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Sprich man weiß nie, wie es ausgeht.
"Recht" kann nie objektiv sein, sondern hängt letztlich immer auch etwas von der Auffassung des Richters ab.