Mercedes-AMG erhöht den Einsatz von 43 auf 53. Der CLS 53 4Matic+ ist der erste AMG mit R6-Benziner, 48 Volt und E-Motor. Erste Fahrt im Topmodell und dem kleinen Bruder.
Barcelona – Er bellt nicht. Beim Druck auf den Knopf rechts neben dem Lenkrad meldet sich der Motor kurz und geht ansatzlos in ein Brummen über. Unaufgeregt, gleichmäßig, kultiviert. So hörte sich bislang kein Topmodell von AMG an. Doch der CLS 53 4Matic+ bildet die Spitze des CLS-Angebots. Basis der neuen CLS-Baureihe C257 ist die E-Klasse (W213). Mercedes baut eine komplett neue Karosserie um die Technik. Der Überhang vorne wächst, damit die Nase tiefer über dem Asphalt hängen und trotzdem die Crashvorschriften einhalten kann. Hinten wächst der Überhang ebenfalls, für ein bündiges Heck ohne Stufe zur Stoßstange. Und damit kein Fließheck daraus wird, denn die flache C-Säule reicht weit nach hinten. Der Mercedes-AMG CLS 53 4Matic+ trägt eine kleine Carbon-Lippe auf dem Bürzel und die obligatorischen seitlichen Lufteinlässe vorn. Außerdem drängt zwischen den vier runden Endrohren ein Diffusor hervor. Der 53er wird der stärkste und sportlichste CLS. Einen 63er mit V8 wird es nicht geben. Vier- und Sechszylinder-Diesel kommen unterhalb des AMG ins Auto, ebenso ein Vierzylinder-Benziner mit 48-Volt-Bordnetz und etwas Elektrounterstützung. Aber dazu später. Mercedes CLS 53 (C257) 2018 Motor: 3,0-l-R6 plus E-MotorMercedes-AMG geht ein Risiko ein. Aus der 43, die zuletzt oberhalb der Kompaktklasse für den Einstieg in die AMG-Welt stand, wird eine 53. Der V6-Benziner wird gegen den neuen 3,0-Liter-Reihensechser M 256 getauscht. Die größere Nummer weckt Erwartungen. 435 PS leistet der R6, er drückt 520 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Dazu kommen kurzzeitig weitere 16 kW (22 PS) und 250 Newtonmeter per „EQ Boost“. Ein Elektromotor ist dafür verantwortlich, der vom 48-Volt-Bordnetz gespeist wird. Er sitzt zwischen Verbrenner und Neungang-Automatik. Aufgeladen wird zweifach. Bei niedrigen Drehzahlen presst ein Elektroverdichter mehr Luft in die Brennkammern. Der Vorteil: Hoher Abgasdruck, um den Turbo anzutreiben, ist unnötig. Der Turbolader übernimmt erst bei höheren Drehzahlen. Das ist keine graue Theorie, sondern erlebbar. Der Gasfuß senkt sich, der CLS 53 schiebt ansatzlos an. Er reagiert schon auf wenig Druck. Etwas mehr Gas, und der AMG Speedshift TCT 9G getaufte Neungang-Wandler schaltet ruckzuck, aber ohne rucken runter. Der CLS prescht vorwärts. Souverän, linear und ohne nachzulassen bis in hohe Geschwindigkeiten. Dem CLS 53 fehlt es an RotzigkeitWir kennen den Antriebsstrang schon aus der S-Klasse. Seit dem Facelift sitzt er im S 500. Im Sport+-Modus wird der CLS 53 lauter, der Reihensechser versucht ein Fauchen. Gas weg, runterschalten – Sprotzen aus dem Auspuff. Als würden ein paar kleine Knaller im Endrohr explodieren. Das wirkt ein bisschen bemüht, wie Sneaker zum Smoking. Dem R6 fehlt die Rotzigkeit des V6 der 43er. Er klingt kultiviert, selbst dann, wenn er bei voller Beschleunigung hochdreht. Fahrdynamisch macht er nichts falsch. AMG stimmte den CLS 53 straff ab, deutlich straffer als die Basismodelle. Dadurch geht er hart über Speedbumps und durch Schlaglöcher, sogar im Komfortmodus. Er entschädigt dafür durch eine prima Balance, durch Kurvenwilligkeit und Präzision. Das Lenkrad liegt dick und schwer (aber nicht zu schwer) in den Händen. Grip bietet der CLS 53 reichlich, soweit sich das nach der ersten Testfahrt beurteilen lässt. Temperaturen um den Gefrierpunkt, Regen und Schneefall machen eine Einschätzung schwer. Immerhin: Der vollvariable Allradantrieb 4Matic+ zieht den CLS sicher in die Spur, wenn man bei entspanntem „ESP Sport“ das Heck etwas raushängt. Es regelt fein, ohne die Leistung zu kastrieren. Das Basismodell des CLS ist ein MeilenfresserIm Innenraum ist der CLS ganz E-Klasse. Die turbinenförmigen Lüftungsdüsen aus Coupé und Cabrio lassen sich von innen beleuchten. Unser CLS 53 trug Carbon-Dekor und ein feines Leder-Alcantara-Lenkrad. Immerhin: Hier erinnert unser CLS 53 an einen E 63. Schon für die zivilen Varianten hat Mercedes das Fahrwerk überarbeitet. Die Geometrie der Aufhängung bleibt, Abstimmung und Software ändern sich. Dabei bleibt der CLS im Grunde E-Klasse: Eine komfortable Limousine für entspannte, lange Strecken. Doch der CLS verkneift sich im Komfortmodus das Schwingen. Das sänftenartige Dampfergefühl fehlt. E-Klasse-Kunden mögen das, sagt Mercedes. Uns gefiel die drahtigere Auslegung des CLS besser. Beim Fahren helfen kann er genauso. Besser sogar. Der CLS unterstützt wie die S-Klasse seit dem Facelift. Also hält er nicht nur bis 210 km/h die Spur, wechselt sie per Blinkertipp und fährt im Stau fast allein. Er passt auch die Geschwindigkeit an Tempolimits, Kurven, Kreisverkehre oder Kreuzungen an. Stressfreier kommt man kaum von A nach B. Mercedes CLS 350: Vierzylinder mit "EQ Boost"Im Vergleich zur E-Klasse trägt der CLS ein Handicap mit sich herum: Mehr Gewicht. Die Türen mit den rahmenlosen Scheiben sind etwas schwerer, die größere Karosserie wiegt mehr. Vor allem aber gibt es für alle Varianten nur eine Grundstruktur. Bei der E-Klasse leistet Mercedes sich wegen des höheren Verkaufsvolumens drei. Also fährt der schwächste CLS mit der stärksten Karosseriestruktur. Aktuell liegen zwischen E 350d 4Matic und CLS 350d 4Matic 90 Kilo, doch Technik und Ausstattung unterscheiden sich. Mercedes spricht von 30 bis 70 Kilo Mehrgewicht, je nach Motorisierung. Eine neue Motorisierung wird ab Herbst der 350. Hier kombiniert Mercedes, ähnlich wie beim CLS 53 4Matic+ oder dem CLS 450 4Matic, den Verbrenner mit einem 48-Volt-Bordnetz und einem Elektromotor im Getriebegehäuse. Statt eines integrierten Startergenerators kommt ein Riemenstarter-Generator zum Einsatz, statt eines 3,0-Liter-Reihensechsers übernimmt ein Vierzylinder mit 2,0 Litern Hubraum (M 264). Das funktioniert gut. Der E-Motor leistet zwar „nur“ 10 kW (14 PS) und 150 Newtonmeter, doch der CLS 350 fühlt sich an, als würde ein deutlich größerer Motor in ihm arbeiten. Er reagiert spontan aufs Gas und drückt den CLS leicht und locker nach vorne. Dazu klingt er auch noch kernig, wenn man ihn tritt. Tut man das nicht, läuft er unauffällig im Hintergrund. Der Motor ist für den CLS noch nicht abschließend zertifiziert. Deshalb sind die Daten noch vorläufig, doch in Cabrio und Coupé der E-Klasse leistet er 299 PS plus "EQ Boost". Mehr braucht man nicht, weniger wird man hierzulande im CLS nicht bekommen. Als Benziner, kleinere Diesel folgen noch. Wir erwarten ein ähnliches Programm wie im Vorgänger. Da bildete der 220d den Einstieg. Der wird noch auf sich warten lassen, den 300d mit 245 PS starkem 2,0-Liter-Diesel (OM 654) erwarten wir dieses Jahr. Fazit: Prima Basis und ein AMG für Technik-FansDer CLS ist ein feines Auto geworden. Er erhält die Tugenden der E-Klasse und fügt eine Spur mehr Drahtigkeit und Grandezza hinzu. Und ein bisschen Sehnigkeit im Fahrwerk. Ein komfortabler Meilenfresser bleibt er trotzdem. Selbst der CLS 53 4Matic+ verschlingt Autobahnkilometer wie nichts, das Geräuschniveau im Innenraum erlaubt leise Gespräche selbst bei hohen Geschwindigkeiten. Und dass er für ein Topmodell von AMG blutarm bleibt? Vielleicht ein Missverständnis. Der 53er soll womöglich nicht näher an die 63er rücken. Die größere Zahl steht vor allem für mehr Technik: Reihensechser, 48-Volt-Bordnetz, Elektroverdichter und E-Maschine. Der E-Motor kann als Generator fungieren und Bremsenergie rekuperieren oder kaum merklich den Motor an- und ausstellen. Technikfreaks kommen beim 53er auf ihre Kosten. Beim 350er allerdings auch. Wer es roh mag und auch ein bisschen vulgär, muss woanders suchen. Technische Daten Mercedes CLS
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