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Frage zur Abgasrückführung

VW Golf 6 Plus (1KP)
Themenstarteram 22. Juni 2019 um 20:05

Servus,

ich bin, was neue Motorentechnik angeht, leidenschaftlicher Laie, denn ich habe nach Golf 2 und dem Golani-Scirocco aufgehört an Autos zu schrauben und lasse jetzt lieber schrauben :)

Da mein 1,6 TDI aber gerade anfängt ein wenig unsauber zu laufen (bei 251 TKm) und das AGR-System ja meistens der Quell allen Übels dabei ist, tut sich in mir eine Frage auf:

Warum bitte entnimmt man die nötigen Auspuffgase nicht HINTER dem DPF, wo ja eigentlich kein Ruß mehr enthalten sein sollte, der dann alles verkoken läßt?

Hat das einen tieferen Sinn der sich mir gerade nicht erschließt?

Für fachkundige Antworten jetzt schon ein herzliches Dankeschön :)

LG Stefan

Beste Antwort im Thema

Der Abgasgegendruck ist durch den DPF/Oxikat höher was die Rückführung in das Saugrohr vereinfacht. Je nach Motorlast herrscht im Saugrohr ein Überdruck, und das Abgas soll ja ins Saugrohr, nicht die mühsam verdichtete Luft vom Turbolader in den Auspuff. Die Flussrate und auch die Druckverhältnisse im Saugrohr an der Einströmstelle können über die Abschaltklappe und das AGR-Ventil beeinflusst werden. Deswegen nennt man diese Form der AGR auch Hochdruck-AGR.

In einigen wenigen (USA?)-Varianten des EA189 (also die Diesel im G6) gibt es auch - ich meine zusätzlich - eine Niederdruck-Abgasrückführung. Dort wird dann _hinter_ dem DPF/Oxikat das Abgas entnommen und kann dann _vor_ dem Turbolader zugeführt werden. Die Menge wird dann reguliert indem eine Abgasklappe sozusagen den Auspuff mehr oder weniger stark zuhält. Dennoch ist der Druck dort so gering das man ihn nur vor dem Turbolader zuführen kann.

Problematisch bei der ND-AGR sind höhere Anforderungen an den Turbolader. Höhere Eintrittstemperatur, die Laderschaufeln werden durch sich bildende Säuren angegriffen und verharzen. Unterschreiten einzelne Gasbestandteile nach der Mischung mit der Frischluft vor dem Lader den Taupunkt entstehen Kristalle die dann wie Sand auf die Schaufeln einprasseln. Deswegen gibt es auch hier Filter (die dann irgendwann zuwachsen).

Damit der DPF schön klein sein konnte und im regulären Betrieb auch schon aus Ruß Asche macht, war man eventuell auch gar nicht so stark daran interessiert die Verbrennungstemperatur weiter absenken zu können als dies für den NEFZ zwingend erforderlich war. Denn das Funktionsprinzip der passiven Regeneration ohne Zusatzeinspritzungen bedarf eines gewissen Anteils an Stickoxiden und einer heissen Verbrennung.

Der Nachfolgemotor EA288 verfügt meines Wissens nach über eine Niederdruck-AGR und über einen Wärmetauscher der die Ansaugluft anwärmen (Warmlaufphase) und abkühlen kann. Der Motor erzeugt durch einen höheren Einspritzdruck, andere Injektoren und eine frühe Nacheinspritzung weniger Partikel so das hier mehr Spielraum gewonnen wurde um die Abgastemperatur senken zu können ohne das direkt der DPF überquillt.

Soweit es die Hardware vom EA189 hergab wurden diese Maßnahmen mit dem "Abgas-Update" auch auf den EA189 übertragen.

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Der Abgasgegendruck ist durch den DPF/Oxikat höher was die Rückführung in das Saugrohr vereinfacht. Je nach Motorlast herrscht im Saugrohr ein Überdruck, und das Abgas soll ja ins Saugrohr, nicht die mühsam verdichtete Luft vom Turbolader in den Auspuff. Die Flussrate und auch die Druckverhältnisse im Saugrohr an der Einströmstelle können über die Abschaltklappe und das AGR-Ventil beeinflusst werden. Deswegen nennt man diese Form der AGR auch Hochdruck-AGR.

In einigen wenigen (USA?)-Varianten des EA189 (also die Diesel im G6) gibt es auch - ich meine zusätzlich - eine Niederdruck-Abgasrückführung. Dort wird dann _hinter_ dem DPF/Oxikat das Abgas entnommen und kann dann _vor_ dem Turbolader zugeführt werden. Die Menge wird dann reguliert indem eine Abgasklappe sozusagen den Auspuff mehr oder weniger stark zuhält. Dennoch ist der Druck dort so gering das man ihn nur vor dem Turbolader zuführen kann.

Problematisch bei der ND-AGR sind höhere Anforderungen an den Turbolader. Höhere Eintrittstemperatur, die Laderschaufeln werden durch sich bildende Säuren angegriffen und verharzen. Unterschreiten einzelne Gasbestandteile nach der Mischung mit der Frischluft vor dem Lader den Taupunkt entstehen Kristalle die dann wie Sand auf die Schaufeln einprasseln. Deswegen gibt es auch hier Filter (die dann irgendwann zuwachsen).

Damit der DPF schön klein sein konnte und im regulären Betrieb auch schon aus Ruß Asche macht, war man eventuell auch gar nicht so stark daran interessiert die Verbrennungstemperatur weiter absenken zu können als dies für den NEFZ zwingend erforderlich war. Denn das Funktionsprinzip der passiven Regeneration ohne Zusatzeinspritzungen bedarf eines gewissen Anteils an Stickoxiden und einer heissen Verbrennung.

Der Nachfolgemotor EA288 verfügt meines Wissens nach über eine Niederdruck-AGR und über einen Wärmetauscher der die Ansaugluft anwärmen (Warmlaufphase) und abkühlen kann. Der Motor erzeugt durch einen höheren Einspritzdruck, andere Injektoren und eine frühe Nacheinspritzung weniger Partikel so das hier mehr Spielraum gewonnen wurde um die Abgastemperatur senken zu können ohne das direkt der DPF überquillt.

Soweit es die Hardware vom EA189 hergab wurden diese Maßnahmen mit dem "Abgas-Update" auch auf den EA189 übertragen.

Themenstarteram 23. Juni 2019 um 9:30

Vielen Dank, das war eine sehr gut verständliche Erklärung.

Also zusammen gefasst kommt das Problem durch zu niedrigen Abgasdruck nach dem DPF, da man mit diesen zu niedrigen Druck nicht hinter dem Turbo einblasen kann, und die Abgase durch die (vermutlich Schwefelsäure?) die

Ladeschaufeln des Turbos angreifen würden. Soweit verstanden.

Evtl. wären hier aber Zusatzaggregate sinnvoll, um den Abgasdruck des gereinigten Abgases zu erhöhen, welche man auch noch mit leichter zugänglichen Filtern ausrüsten könnte, die man dann im Intervallservice tauscht?

Lieber kleinere Kosten regelmäßig, als irgendwann die Horror-Rechnung, oder?

Gemacht wird aber der ganze Mist doch dafür, um die Verbrennungstemperatur zu senken und damit die Bildung von NOx zu minimieren? Nun lese ich aber in der Wikipedia einen Artikel zu NOx, in dem steht, das gerade bei höheren Temperaturen weniger NOx entsteht als bei kälteren Temperaturen:

Zitat 1 Wikipedia:" Stickoxide (auch Stickstoffoxide[1]) ist ein Sammelbegriff für zahlreiche gasförmige Oxide des Stickstoffs. Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) werden als NOx zusammengefasst." Ende Zitat 1

Zitat 2 Wikipedia:"NO2 entsteht bei der Verbrennung fossiler Energieträger, wie Gas, Kohle und Öl, und ist daher unter anderem Bestandteil des Abgases von Kraft- und Luftfahrzeugen, von Öl- und Gas-Heizkesseln sowie von Gas- und Kohlekraftwerken. Es entsteht aus Stickstoffmonoxid, wobei die Konzentration von Stickstoffdioxid mit steigender Temperatur abnimmt. Bei Temperaturen von 700 bis 1700 °C liegen bei der Reaktion von Stickstoffmonoxid mit Sauerstoff nur 0,15 bis 1,8 ppm als Stickstoffdioxid vor. Erst unterhalb von 600 °C bildet sich Stickstoffdioxid in nennenswertem Umfang. Bei Verbrennungsmotoren liegt die maximale Stickstoffdioxidbildung im Temperaturbereich von 200 bis 300 °C.[8]" Ende Zitat 2

Nun bräuchte ich leider nochmal eine Erklärung, warum man die Verbrennungstemperatur mit Hilfe der AGR senken will, wenn doch die NOx´e bei höheren Temperaturen weniger werden?

Eigentlich sollte man dann doch eher die Temperatur erhöhen statt sie zu senken?

Sorry, ich versteh´s gerade nicht ^^

Zitat:

@Worff schrieb am 23. Juni 2019 um 11:30:38 Uhr:

Vielen Dank, das war eine sehr gut verständliche Erklärung.

Also zusammen gefasst kommt das Problem durch zu niedrigen Abgasdruck nach dem DPF, da man mit diesen zu niedrigen Druck nicht hinter dem Turbo einblasen kann, und die Abgase durch die (vermutlich Schwefelsäure?) die

Ladeschaufeln des Turbos angreifen würden. Soweit verstanden.

Evtl. wären hier aber Zusatzaggregate sinnvoll, um den Abgasdruck des gereinigten Abgases zu erhöhen, welche man auch noch mit leichter zugänglichen Filtern ausrüsten könnte, die man dann im Intervallservice tauscht?

Lieber kleinere Kosten regelmäßig, als irgendwann die Horror-Rechnung, oder?

Ja, primär Schwefelsäure, aber eben nicht nur. Der Turbolader ist doch eine Gasdruckerhöhungsmaschine und die ist schon da :-) das was Du willst hat man quasi beim Nachfolgemotor mit der Niederdruck-AGR umgesetzt.

Zitat:

Nun bräuchte ich leider nochmal eine Erklärung, warum man die Verbrennungstemperatur mit Hilfe der AGR senken will, wenn doch die NOx´e bei höheren Temperaturen weniger werden?

Eigentlich sollte man dann doch eher die Temperatur erhöhen statt sie zu senken?

Sorry, ich versteh´s gerade nicht ^^

Du möchtest ja eigentlich nicht das die ganze Kraft die in deinem Brennstoff steckt in Wärme umgesetzt wird, sondern Du möchtest das hier Vortrieb entsteht. Ein Diesel hat einen besseren Wirkungsgrad als ein Ottomotor (je nachdem wer mit welchem Interesse und welchen Randbedingungen rechnet liest man da auch mal das Gegenteil), er setzt also bei gleicher Leistung auch weniger Abwärme frei und die Abgase sind kühler. Beim Diesel sagt man - im maximum zwischen 500..600°C, im Mittel liegen sie eher weit darunter. Also dort wo es einen guten Wirkungsgrad gibt und einen geringen Verbrauch gibt es dummerweise auch Stickoxide.

Hier mal ein Temperaturprofl vom NEFZ https://www.dieselnet.com/tech/images/diesel/exh/temp_nedc.png

Wenn Du den Wirkungsgrad künstlich verschlechterst, kannst Du die Abgase auch kälter oder heisser machen. Dem sind aber auch wieder Grenzen gesetzt, beispielsweise wären dann Abgasturbolader und die Materialien im Oxikat/DPF wieder aufwendiger da sie dann weitaus höheren Temperaturen standhalten müssten. Deswegen versucht man die Abgastemperaturen eher unter den o.g. Bereich zu drücken da dann die Stickoxidproduktion wieder abnimmt.

Im wesentlichen versucht man einen Kompromiss zu finden zwischen Rußproduktion, Stickoxidproduktion und Verbrauch. Weniger Ruß und einen geringeren Verbrauch gibt es bei höheren Temperaturen, dann nehmen aber die Stickoxide zu - noch höhere Temperaturen schaffen die weiteren Komponenten nicht (kannst mal nach Ruß-Nox-Schere googeln, Flammen und Abgastemperatur nicht verwechseln).

Den Ton geben beim Diesel die Flottenkunden an, und da wird mit spitzem Bleistift gerechnet. Wartungen mögen die gar nicht - also wird das so ausgelegt das die Fahrzeuge in der Dauer wie sie bei den Flottenkunden in der Regel laufen nur geringe bis keine Wartungskosten anfallen. Ich würde mir auch wünschen es gäbe hier und da eine Serviceklappe wo ich mal "feucht durchwischen" kann um mir teure Reparaturen zu sparen, oder ein Staubsaugeranschluss zum Ascheabsaugen aus dem DPF oder sowas :-) aber da interessiert die Kunden in der Regel nicht. Du würdest überigens anfangen zu weinen wenn Du die Preise sehen könntest die ein großer Flottenkunde bekommt - das muss alles billig sein, sonst verdient VW da nix mehr dran.

Ich stelle mir gerade vor, dass man für Einsatzzwecke ausschließlich außerhalb der StVO den AGR Kühler außer Betrieb setzt. Das erreicht man, indem man die Bypassklappe dauerhaft auf "Kühler umgehen" stellt, so wie es in der Warmlaufphase sowieso umgesetzt wird.

Die zurückgeführten Abgase werden nicht gekühlt und damit versottet auch nichts mehr. Soweit ich weiß, wird die Bypassklappe auch nicht OBD überwacht und nur über Unterdruck angesteuert.

Ich würde sagen die Ausfälle lagen eher im AGR-Ventiltrieb bedingt durch Verkokungen im Ventilschaft, weniger an zugewachsenen Kühlern. Ich würde davon ausgehen das bei einem überbrücken des Kühlers die dann geringere Luftdichte einfach dazu führt das der Luftmassenmesser eine höhere Frischluftmasse feststellt als laut Kennfeld vorgesehen und der Regler für die AGR das AGR-Ventil einfach stärker öffnet.

Die Folge wäre dann ein größerer Zündverzug durch mehr Abgas in der Verbrennungsluft, mehr Ruß und Motorleistung dürfte dabei dann auch flöten gehen. Will man das?

Es gab auch viele Ausfälle aufgrund des auswandernden Stiftes als "wahre" Ursache.

Der Fehler wird ausgelesen und dann mitgeteilt, das Ventil kann nicht mehr fahren, wegen Verkokung. Aber wer analysiert das anhand des Altteiles?

https://www.youtube.com/watch?v=B-ODTo8kWz0

https://www.youtube.com/watch?v=Fe98bVt3V2c

Nuja, die sagen ja selber, sie wissen nicht, ob das Typisch ist, sie kannten bisher nur Problem mit Verkokung

Weils erst ersichtlich wird, wenn man das Teil zerlegt.

Themenstarteram 24. Juni 2019 um 7:20

Hallo alex1234567890,

ich brauchte noch einen Tag um alle Quellen zu studieren und das geschriebene umzusetzen, aber ich denke das ich es nun zumindest in groben Zügen verstanden habe.

Im Grunde kann man die komplexen Vorgänge ja nur als Chemiker komplett verstehen.

Das war von dir jedenfalls eine super Erklärung der Problematik. Ich wünschte, das es auch in den Schulen viel mehr Lehrer gäbe, die ein Thema so erklären können (und noch wollen) ^^

Vielen Dank dafür!

Zu den Flottenkunden: Diese Bauweise ist aus Sicht der Hersteller möglicherweise rentabel, aus Sicht der Endkunden ist das allerdings extrem übel.

Die Frage bleibt nun:

Verdienen die Hersteller auf Dauer mehr an den Flottenkunden oder an den Endkunden?

Oder wäre es evtl. sinnvoll, Autos für die beiden Kundenkreise unterschiedlich zu bauen? Und wie lange kaufen Kunden noch Autos der Marke xyz, wenn man genau weiß, das bei diesen Fahrzeugen immer nach x-Tsd. KM teure Reparaturen anstehen und die Fahrzeuge meist auch für mehrere Tage in der Werkstatt stehen.

Ein Endkunde würde gewiss auch einige Euro mehr ausgeben, wenn er dafür ein Fahrzeug erhält das wesentlich wartungsfreundlicher gebaut wurde. Wie z.B. der von dir als Beispiel genannte "Staubsaugeranschluss am DPF", oder evtl. einen zweiten, kleineren und säurefesten Turbo, um besser gekühlte und ordentlich gereinigte Abgase doch wieder auf Hochdruck zu bringen und hinter dem eigentlichen Turbo einzubringen um die Verkokung zu verhindern, oder, oder, oder... Die Liste der möglichen Verbesserungen würde wohl sehr lang sein.

Aber man zahlt nun mal lieber bei der Anschaffung den Preis, als nachher in der Unterhaltung.

Am Besten holt man sich eine alte Dreckschleuder wie Golf II, die noch ordentlich schwarze Wolken beim beschleunigen auswerfen, macht ein H-Kennzeichen drauf um Steuer zu sparen und verdreckt unseren Kindern einfach die Erde noch etwas mehr. Oder vielleicht besser noch einen 30 Liter saufenden Ami-Oldtimer, da wurde auf solchen Mist wie AGR verzichtet und man kommt auch an alle Teile für gewöhnlich gut ran ohne sich die Finger zu brechen.

Schade das unsere Kinder dann die Zeche dafür bezahlen müssen :(

Nun gut, besorgen wir uns halt einen alten DPF, machen ihn leer und schonen unseren guten Filter derweil bis wir ihn für den nächsten Tüv mal wieder kurzzeitig einbauen ;-) Die AGR bekommt dann eben einen netten Blechdeckel in den Schlauch usw. usw. Irgendwie kann ich die Menschen inzwischen verstehen die solche, völlig idiotischen, Dinge tun.

Schade das unsere Kinder auch dafür dann wieder die Zeche bezahlen müssen :(

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