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Kurven fahren...
Wie ich in einem anderen Fred schon erwähnt hatte, macht für mich das Kurvenfahren den Reiz des Motorradfahrens aus. Und zwar das Kurvenfahren mit ausgeprägter Schräglage. Hier geht es nicht darum, wann das erste Kurventraining sinnvoll ist, sondern einmal zu erzählen, was beim Motorradfahren das Salz in der Suppe ist.
Dazu gibt es einen wunderschönen Text von Johannes Riegsinger mit dem Titel "Kniet nieder!".
Der ist zwar ein wenig auf die Supersportfahrer gemünzt, da es da hauptsächlich ums Knieschleifen geht. Daher will ich noch ein kurzes Vorwort schreiben:
Das (posingfreie) Knieschleifen auf dem Supersportler dient dem Fahrer dazu, die aktuelle Schräglage einzuordnen, den Grenzbereich zu "erfühlen" und fördert ein wenig das Kurvenfahren durch den Reibungswiderstand im Kurveninneren, was das Mopped etwas leichter einlenken läßt. Supersportler haben i.d.R. mit Strassenreifen und auf öffentlicher Strasse keinen erreichbaren Grenzbereich, der sich durch Aufsetzen z.B. der Fussraste ankündigen würde. Daher dient das Knie auch der Anzeige von "schnell genug".
Tourer wie meiner und andere "normale" Motorräder setzen vor Erreichen der Reifenhaftgrenze mit einer Raste bzw. den "Angstnippeln" auf. Diese ersetzen quasi das Knie und zeigen somit ebenfalls "schnell genug" an. Deshalb ist das Knieschleifen auf solchen Motorrädern auch eher sinnfrei. Wenn man also im nachstehenden Text das "Knieschleifen" durch "Rastenschleifen" ersetzt, ist der Text auch für "normale" Motorräder gültig.
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Kniet nieder! (von Johannes Riegsinger)
Das waren noch Zeiten. Als das Frühjahr noch nicht unter dem Titel begann: "Sicher durch die Saison - sanfte Trainingseinheiten für Wiedereinsteiger". Sondern unter: "Machs geil wie Kenny - Knieschleifen in zwei harten Stunden". Ach ja. Seufz.
Heute muß man sich am Bikertreff "Sonnenblume" wortreich für allzu verantwortungslose Schräglagenwinkel in der Zitterkurve vor dem Lokal - einst hieß das ja noch Applauskurve - entschuldigen. Früher wurde man ohne signifikant angeschliffene Kniepads noch mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Aber da hieß das Restaurant auch noch nicht "Sonnenblume". Damals stand"Zum rotäugigen Benzinbruder" überm Eingang.
Dabei wissen die sicherheitsbewußten Motorradfahrer des neuen Jahrtausends ja überhaupt nicht, was ihnen entgeht: Es gibt ja sowieso nichts Schöneres, als eine elegant, mit Dampf durchzirkelte Kurve. Die Kurve in all ihren Variationen ist die Krönung des Motorradelns, egal ob lang gezogen oder eng. Entscheidend ist allerdings - wie beim Austernessen das kräftige Kauen - daß man die Kurve auch spürt. Wer mit zusammengekniffenen Hinterbacken und Schräglagengrusel durch die Gegend schleicht, kriegts nicht mit. Motorradfahren ohne Schräglage ist wie Weintrinken mit Cola-Verdünnung. Wie Horror-Thriller mit Augenzuhalten. Ach was. Schlimmer! Völliges Banausentum! Zumal sich die Schleicherei ja gerne mit der Moral der Verantwortlichkeit, des Sicherheitsbewußten ziert.
Alles Fehlanzeige. Von der panikartigen Angst vor der fühlbaren Dynamik des Einspurgeräts bis hin zur enthemmten Raserei ist es ein weiter Weg. Den müßte der Verschreckte erst mal überwinden. Wer will bestreiten, daß unsichere und langsame Fahrer viel eher Gefahr laufen, auf die Nase zu fallen? Und wenn, dann wissen sie nicht einmal, warum es plötzlich dahinging. Sie erklären das dann mit dem immergleichen, selbigen, einzigen Grund: Ich war zu schnell.
Dabei ist Zu-schnell kein Maß. Es ist eine Relation. Zu schnell für die Kurve? Oder zu schnell für die hilflos am Anschlag zuckende Panikschaltung des Stammhirns? Zu schnell für Rollsplitt, Kuhmist oder Gegenverkehr hat auch nichts mit objektivem Zu-schnell zu tun. Eher mit subjektivem Erleben und Reagieren. Früher hat man das so gesehen: Wenn ein anderer in derselben Ecke noch am glitschenden Rinderdung vorbei kam, dann war er Genau-richtig. Und Du einfach blind. Zu schnell? Was'n das?
So basisphilosophisch eingenordet sollten wir uns dem Wesentlich widmen: Der Lust. Der Kurvenlust.
Absolutes Anfängerprogramm, aber immer wieder prima: Enge Ecken mit ordentlich Zug am Hinterrad und in Schräglage gedrücktem Motorrad durchzuschlenzen. Schafft einen wunderbaren Kraftbogen. Dann das genüßliche Verkosten der Schräglage an sich: In harmonischer Linie mit der Silhouette des Bikes sich neigen, spüren, wie die Reifengummis souverän den Asphalt abtasten, Grip, Fliehkraft, Leichtigkeit, In-sich-ruhen - Motorradfahren ist Meditation, Sensibilität. Gegen diese Fortbewegung ist Autofahren wie Fernsehen. Motorradfahren - es gibt nichts Besseres. Punkt.
Und damit sind wir auch schon bei der Schräglage. Runter mit dem Bock. Tiefer. So lange bis das Gehirn um Hilfe ruft, die Muskeln in Beinen, Rücken, Armen sich verhärten, alles ganz gezwungen und furchtsam wird. An diesem Punkt sind schon ganze Motorradclubs von ambitionierten Sportfahrern umgestiegen aufs Tourenfahren oder gar Choppern. Und ranzen nun eifersüchtig die "Schräglagenwixer" an. Mit vollen Hosen läßt sich gut stinken.
Wie man's macht? Der Trick ist das mentale Setup. Knieschleifer brauchen einen Mentor. Wie Luke Skywalker Obi Wan Kenobi. Ein Windgesicht, das einem ganz still erklärt, daß der Gummi im Normalfall gript, bis die Ohren kratzen. Und daß das Überwinden der ganz persönlichen Schräglagengrenze zuerst in der Übung, größtenteils aber in der richtigen Blickführung liegt: Blick weit voraus, das entzerrt den Horizont. Und dann ganz locker den Körperschwerpunkt neben die Maschine schieben. Keine krampfartigen Kunststückchen. Sondern das Motorrad wie ein Körperteil behandeln. Knie raus. Und dann fliegen lassen.
Irgendwann dann - Rennstrecken sind da unglaublich hilfreich, und man kann nur jedem zu ein paar Hockenheim-Abstechern pro Saison raten - also irgendwann dippt plötzlich das Knie ganz zufällig gegen den Asphalt. Elektrisiert einen. Ich hab es! Das ist es! Es ist soo einfach!
Einmal dort gewesen, läßt sich die Kurventechnik mit dem Knie ganz locker reproduzieren. Man weiß einfach wie weit es runter geht. Ähnlich wie früher, als man sich nachts im Dunkeln aus dem Haus der Schwiegereltern in spe geschlichen hat: Man wußte einfach, wie viele Schritte es im Dunkeln bis zur Haustür waren.
Und dann? Dann macht das Knieschleifen außer Spaß plötzlich auch Sinn. Als Schräglagensensor. Als drittes Stützrad. Als Balancierstange. Das erste Mal mit 200 km/h einen lang gezogenen Knick entlangbürsten, als pantherhaftes Kraftbündel eingeduckt in die brüllende Maschine, explosionsartig in den Horizont jagen und dabei surft der Knieschleifer sanft über den Asphalt - da überkommen selbst introvertierte Naturen Allmachtsgefühle.
Wer das erlebt hat, weiß eh wie Motorradfahren geht. Muß nicht zu schnell fahren, um den Kick zu kriegen. Redet kein Wort mehr darüber. Sondern tut es einfach immer wieder. Geil wie Kenny. "
Beste Antwort im Thema
Der Text ist am 15.06.2006 in Welt Online publiziert worden (sagt zumindest Google).
Inhaltlich halte ich diesen Text ehrlich gesagt für geistigen Dünnschiss eines sich selbst produzierenden Marketing-Mannes (welcher Johannes Riegsinger nämlich einer ist).
Der Text wäre ok, wenn er sich ausschließlich auf die Rennstrecke beziehen würde. Im öffentlichen Straßenverkehr hat eine solche Fahrweise aber nichts zu suchen. Und das sage ich, obwohl ich es selbst gerne "kratzen" lies.
Fakt ist, dass wir nicht mehr in den 70er oder 80er Jahren leben und sich sowohl der Starßenverkehr, wie auch die öffentliche Wahrnehmung des Motorradfahrers gewandelt hat. Was früher noch gerade so durchging, ist heutzutage einfach ein No-Go. Daran ändert auch der blumige Artikel eines Marketing-Fuzzis nichts.
Wer das ignoriert und einen solchen Mist schreibt (dazu auch noch in der Welt-Online), der hat die Zeichen der Zeit einfach noch nicht erkannt oder ist schlicht doof.
Gruß
Frank
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18 Antworten
Zitat:
Redet kein Wort mehr darüber. Sondern tut es einfach ...
Netter Text, ich sehe mein Salz momentan aber wo anders.
Schöner Text!
Für mich aber im öff. Straßenverkehr nicht ganz meins.
Ich fahre da lieber sicher und vorausschauend. Spaß habe ich dennoch
Auf einer Rennstrecke würde ich auch gerne mal etwas probieren wollen. Wobei mir zum Knieschleifen die nötigen Muskeln in den Beinen fehlen. Hier muss ich erst noch etwas mehr Vorarbeit leisten.
Vielen Dank für den Text (ist Riegsinger wieder bei der Zweiradzunft oder war das ein älterer Text?) er bringt den Sinn des Motorradfahren gut auf den Punkt - er hat mich dann dazu bewogen einen eigenen langen Text zu diesem Thema zu schreiben.
Ich will aber den Thread von Levellyn nicht kapern und mit meinen Text zupflastern, darum mach ich dazu einen eigenen Thread auf
Gruß aus EN
Die Lust am Motorrad fahren ist für mich die Fahrdynamik. Die Summe aus Beschleunigung, Kurvenhatz und auch Verzögerung. Gelernt habe ich: Knie an den Tank! So steht es auch bei Ernst Leverkus. Dennoch ist mein Fahrstil nach den vielen Jahren individualisiert. Ich fahre Kurven fast ausschließlich mit Lenkimpuls, nehme das Knie raus, erreiche aber damit nicht den Boden, weil ich den Arsch nicht runter rutsche. Ich kann es aber ... habe an der Hose keine Pads und lasse es deshalb sein. Im Straßenverkehr ist das ohnehin sinnlos und gefährlich.
Der Text ist am 15.06.2006 in Welt Online publiziert worden (sagt zumindest Google).
Inhaltlich halte ich diesen Text ehrlich gesagt für geistigen Dünnschiss eines sich selbst produzierenden Marketing-Mannes (welcher Johannes Riegsinger nämlich einer ist).
Der Text wäre ok, wenn er sich ausschließlich auf die Rennstrecke beziehen würde. Im öffentlichen Straßenverkehr hat eine solche Fahrweise aber nichts zu suchen. Und das sage ich, obwohl ich es selbst gerne "kratzen" lies.
Fakt ist, dass wir nicht mehr in den 70er oder 80er Jahren leben und sich sowohl der Starßenverkehr, wie auch die öffentliche Wahrnehmung des Motorradfahrers gewandelt hat. Was früher noch gerade so durchging, ist heutzutage einfach ein No-Go. Daran ändert auch der blumige Artikel eines Marketing-Fuzzis nichts.
Wer das ignoriert und einen solchen Mist schreibt (dazu auch noch in der Welt-Online), der hat die Zeichen der Zeit einfach noch nicht erkannt oder ist schlicht doof.
Gruß
Frank
Die Zeichen der Zeit?
Welche da sind?
Ride Free or Die!
Immerhin hat mich der Text heute zum Moppedfahren motiviert.
Zumindest das hat er für sich, deshalb mein Dankeschön. Dabei festgestellt,
dass mir links der Angstnippel flöten gegangen ist...der V2 und seine Vibrationen.
Macht nix. Bei der Sitzposition setzt eh zuerst die Schuhsohle auf.
Zehenspitzen. In den franz. Alpen fahre ich immer auf Zehenspitzen. Die Daytonas sind zu teuer, um die zu zerschleifen...
Der Text handelt nicht vom hirnlosen rasen. Nicht dass es da Missverständnisse gibt.
@Lew: Warum keine Schuhe mit Zehenschleifern?
Die Rasten setzen früh genug auf. Da muss vorher nix schleifen.
Außerdem liebe ich meine TransOpen GTX. Der optimale Kompromiss aus Stabilität, Tragekomfort und absoluter Wasserdichtheit. Mir ist schon mal ein Motorrad mit dem Fussrastenträger auf meinen Mittelfuss gefallen. Ohne Schäden am Rastenträger oder Mittelfuss. Nur ein paar Schrammen im Oberleder. Und ich hab damt schon trockenen Fußes im Flussbett gestanden. Das kann man so nicht mit vielen Stiefeln machen.
Dafür fahr ich dann auch öfter mal auf Zehenspitzen.
Hm... okay...
Meine SMX-4 sind sowas von NICHT-wasserdicht. Ist mir aber egal.
Rasten schleifen bei mir nicht. Vorher liege ich auf der Schnauze, deswegen die Zehenschleifern...
Zitat:
Original geschrieben von Lewellyn
Die Zeichen der Zeit?
Welche da sind?
Ich persönlich sehe das Regelkorsett auf der Straße enger werden. Die Zahl der Limits nimmt zu, die Kontrolldichte und die Heftigkeit der Sanktionen ebenfalls. Auf der anderen Seite wird das Material immer leistungsfähiger. Mit einer BMW HP4 im Auslieferungszustand hätte man vor zehn, zwanzig Jahren vermutlich GP-Rennen gewinnen können. Ich seh' da im Straßenverrkehr einen Zielkonflikt. Nie war es einfacher, schnell zu fahren, und niemals war es riskanter, sich dabei erwischen zu lassen. Und eine HP4, StVO-konform bewegt, macht das Spaß?
Vor dem Hintergrund gewinnen Threads über HD-Eisenhaufen vielleicht eine ganz neue Dimension.