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Rettungsdatenblätter: Wie aussagefähig für passive Sicherheit?
Wenn man sich die aktuellen europäischen NCAP-Crashtest-Ergebnisse folgender Fahrzeuge anschaut, dann stellt man fest, dass diese in ihren Ergebnissen allesamt recht nah beieinander liegen:
Volvo V60 (2012)
Ford Mondeo (2015)
VW Passat (2015)
Skoda Superb (2015)
Wenn man sich allerdings die zugehörigen offiziellen Rettungskarten-/leifäden der Fahrzeughersteller anschaut, dann ergeben sich hinsichtlich der "Karosserieverstärkungen" (jeweils grün eingefärbt) deutliche Unterschiede (siehe Anhang)!
Der Volvo V60, der Mondeo und der Superb bieten hier insbesondere unterhalb der A-Säule und bei dem Unterboden eine verstärkte Karosserie, während der Passat lediglich im Bereich der B-Säule eine Verstärkung aufweist. Dies ist insbesondere im Vergleich zum plattformgleichen (MQB) Superb erstaunlich, welcher laut Skoda die meisten Verstärkungen aufweist. Der Mondeo bietet sogar für die vorderen Plätze eine zusätzliche obere Türverstärkung.
Gerade der baugleiche Ford Fusion hat im amerikanischen Small-Overlap-Test (siehe hier) ähnlich gut wie der deutlich ältere Volvo V60 abgeschnitten, scheinbar ist der Ford auf diesen Test hin konstruiert worden. Dies sieht man auch im direkten Vergleich der vorderen Karosseriebereiche (siehe Anhang), hier scheint der Ford am stabilsten zu sein, während der US-Passat sich hier deutlich mehr verformt hat.
Es stellt sich also die Frage: Wie sind die offiziellen Rettungsdatenblätter der Hersteller hinsichtlich der passiven Sicherheit zu bewerten? Kann man daraus tatsächlich weitere Erkenntnisse -neben den NCAP/IIHS-Crashtestergebnissen- bezüglich der passiven Sicherheit ablesen?
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10 Antworten
Ja und nein würde ich meinen.
Bei den Rettungskarten geht es darum, den Rettungskräften aufzuzeigen, wo man z. B. das Dach abtrennen kann.
Speziell den Unterboden wird man seltenst zerteilen, ebenso wie den Vorderwagen, weshalb die verstärkten Stellen hier einfach nicht im Rettungsdatenblatt eingezeichnet sind.
Beim SOT geht es natürlich auch um die Stabilität der Fahrgastzelle. Diese ist aber auch bei den meisten Autos, die schlecht abschneiden, gegeben. Autos, die hier besonders gut abschneiden, verfügen über Leitbleche bzw. speziell geformte Längsträger, die das Fahrzeug am Hindernis vorbeilenken, somit die Belastung und Beschleunigung reduzieren. Autos mit einer sehr stabilen Fahrgastzelle können mitunter genau deswegen schlecht beim SOT abschneiden.
ich hab so ein Teil unter meiner Sonnenblende. Keine Ahnung, was es taugt, ich habs halt mal ausgedruckt...
Zitat:
@Helge4711 schrieb am 17. Juli 2018 um 11:11:26 Uhr:
Es stellt sich also die Frage: Wie sind die offiziellen Rettungsdatenblätter der Hersteller hinsichtlich der passiven Sicherheit zu bewerten? Kann man daraus tatsächlich weitere Erkenntnisse -neben den NCAP/IIHS-Crashtestergebnissen- bezüglich der passiven Sicherheit ablesen?
Nein, kann man nicht. Die Rettungskarten verfolgen einen ganz anderen Zweck. Sie zeigen ja beispielsweise, wo eine Verstärkung eingebracht ist. Ob und wie diese Verstärkung bei einem Unfall wirkt ist aber für die Rettungskarte völlig unerheblich. Sowas lässt sich nur über Crashtests ermitteln.
Zitat:
@einsdreivier schrieb am 17. Juli 2018 um 11:58:02 Uhr:
Ja und nein würde ich meinen.
Bei den Rettungskarten geht es darum, den Rettungskräften aufzuzeigen, wo man z. B. das Dach abtrennen kann.
Speziell den Unterboden wird man seltenst zerteilen, ebenso wie den Vorderwagen, weshalb die verstärkten Stellen hier einfach nicht im Rettungsdatenblatt eingezeichnet sind.
Beim SOT geht es natürlich auch um die Stabilität der Fahrgastzelle. Diese ist aber auch bei den meisten Autos, die schlecht abschneiden, gegeben. Autos, die hier besonders gut abschneiden, verfügen über Leitbleche bzw. speziell geformte Längsträger, die das Fahrzeug am Hindernis vorbeilenken, somit die Belastung und Beschleunigung reduzieren. Autos mit einer sehr stabilen Fahrgastzelle können mitunter genau deswegen schlecht beim SOT abschneiden.
...und genau das kann ich mir nicht vorstellen: Dafür gibt es doch sicherlich klare gesetzliche Vorgaben, hier kann doch nicht einfach ein Hersteller etwas "weglassen", nur weil es für die Unfallbergung irrelevant ist...?
Zudem wird ja immer mehr Leichtbau im Karosseriebau betrieben, dies könnte dazu führen, dass die Crashtestnormen zwar eingehalten werden, aber darüber hinaus keinerlei Reserven (bei höheren Aufprallgeschwindigkeiten) mehr bestehen!
Leichtbau bedeutet nicht automatisch weniger Crashsicherheit. Du bist gedanklich bei "viel hilft viel". Dem ist aber nicht so. Es gibt heute Materialen und Fertigungsmethoden, mit denen man leichter und sicherer bauen kann. Sicherheit bedeutet auch nicht, dass etwas so stabil wie möglich ist sondern dass die Unfallenergie möglichst gut abgeleitet wird.
Oder anders ausgedrückt: Für die Sicherheit spielen wesentlich mehr Faktoren eine Rolle als man in ein einfaches Schaubild quetschen könnte.
Im Herbst letzten Jahres war ich mit unserer Feuerwehr bei einem großen Autohersteller, wo wir ein neues Fahrzeug aus deren Serienproduktion zum Üben zur Verfügung gestellt bekamen. Vor dem eigentlichen Zerschneiden haben wir eine Einweisung erhalten, wie es sich denn mit den Verstärkungen und sonstigen konstruktiven Besonderheiten verhält. Dabei hat man uns gezeigt, dass mittlerweile die diversen Verstärkungen weniger durch massives Material, sondern durch die immer weiter gestiegene Verwendung von hoch- und höchstfesten Stahlsorten und durch "gefaltete" Bleche gebildet werden. Daher kann es - aus meiner Laiensicht - schon so sein, dass moderne Autos leichter gebaut als ihre Vorgänger sind und trotzdem im Sinne der Crashsicherheit um einiges besser sind.
Auch die Auslegung der Karosserie spielt eine Rolle - ob die beim Crash auftretenden Kräfte bspw. nur durch eine Verstärkung aufgefangen werden oder ob die Kräfte in verschiedene Bereiche geleitet werden, spielt eine entscheidende Rolle beim "Design" der Crashsicherheit.
Interessant für uns als freiwillige Feuerwehr ohne große Möglichkeit, moderne Fahrzeuge zum Üben zu erhalten, war der Vergleich, wie sehr die modernen Konstruktionen sich gegen unsere Rettungsgeräte "wehren". Da kommt man mit etwas älteren Geräten schon schnell an seine Grenzen.
Zitat:
@VStromtrooper schrieb am 17. Juli 2018 um 18:07:22 Uhr:
...
Auch die Auslegung der Karosserie spielt eine Rolle - ob die beim Crash auftretenden Kräfte bspw. nur durch eine Verstärkung aufgefangen werden oder ob die Kräfte in verschiedene Bereiche geleitet werden, spielt eine entscheidende Rolle beim "Design" der Crashsicherheit.
...
Im SOT geht es darum, die Kräfte gar nicht erst aufzunehmen, siehe Videos anbei:
V60 2012
https://www.youtube.com/watch?v=YSYLE55iYj0
Fusion/Mondeo 2015
https://www.youtube.com/watch?v=PYfM_o4MBHA
Passat 2015
https://www.youtube.com/watch?v=rqpTxCwRTTw
Im Video (jeweils Sicht von oben) ist klar ersichtlich, warum sich die Fahrgastzelle des Passat stärker verformt.
Da muss lediglich ein Keil über das vordere Radhaus, der den Wagen weglenkt - gerade die deutschen Hersteller haben hier noch Nachholbedarf.
Hier hält zwar die Fahrgastzelle, aber so toll ist das dennoch nicht:
C-Klasse 2016
https://www.youtube.com/watch?v=5Ja3UCuvNLc
Die Rettungskarten sind mit Sicherheit genormt.
Vielleicht müssen in Zukunft auch verstärkte Bereiche am Unterboden und Voderwagen gezeigt werden und Zeichnungen aus der Konstruktion genommen werden, um sich ein besseres Bild verschaffen zu können. Die alten Zeichnungen von Praktikanten... nunja...
Eine Draufsicht in der Rettungskarte mit den entsprechenden Längsträgern würde eine Bewertung hinsichtlich SOT ggf. ermöglichen. Gibt´s nur leider (noch) nicht.
PS/Edit:
V60 2018
https://www.youtube.com/watch?v=cKGPKD8DZFE
Tiguan 2018
https://www.youtube.com/watch?v=tMqVRIZ9U6k
Und ja, bei diesem Test kann man a) einfach optimieren (behaupte ich), aber b) auch sehr einfach auf die Nase fallen. Bei einem anderen Winkel, einem anderen Hindernis oder einer nicht abgerundeten Ecke, könnte der VW womöglich dem Volvo überlegen sein. Man weiß es nicht...
Zitat:
@einsdreivier schrieb am 17. Juli 2018 um 18:35:45 Uhr:
Da muss lediglich ein Keil über das vordere Radhaus, der den Wagen weglenkt - gerade die deutschen Hersteller haben hier noch Nachholbedarf.
Da muss ein Keil hin um den Test gut zu bestehen - sonst nichts. Im Test ist relativ realitätsfern eine völlig starre Barriere, da hilft so ein kleiner Keil über dem Radkasten ungemein. Im Crash gegen ein anderes Fahrzeug bringt dieses Alibiteil so gut wie nichts.
Zitat:
@Moers75 schrieb am 19. Juli 2018 um 09:01:25 Uhr:
Zitat:
@einsdreivier schrieb am 17. Juli 2018 um 18:35:45 Uhr:
Da muss lediglich ein Keil über das vordere Radhaus, der den Wagen weglenkt - gerade die deutschen Hersteller haben hier noch Nachholbedarf.
Da muss ein Keil hin um den Test gut zu bestehen - sonst nichts. Im Test ist relativ realitätsfern eine völlig starre Barriere, da hilft so ein kleiner Keil über dem Radkasten ungemein. Im Crash gegen ein anderes Fahrzeug bringt dieses Alibiteil so gut wie nichts.
Das sehe ich anders, wie dieses Video beweist...
Zitat:
@Helge4711 schrieb am 19. Juli 2018 um 10:31:29 Uhr:
Das sehe ich anders, [url=https://www.youtube.com/watch?v=9ZLtZZth4Dc]wie dieses Video beweist...
Zwei identische Autos genau geradlinig aufeinander - wie realitätsnah