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Taubheitsgefühl bei längerer Fahrt
Unterwegs (Teil 1.)
Das Telefon klingelt, nein vielmehr erzeugt es in unserem heutigen hochtechnisiertem Zeitalter einen eher digitalen Schnarrton. Angenehm ist dieses Geräusch wirklich nicht, deshalb vermeide ich es Leuten meine Telefonnummer mitzuteilen. Jeder, der mich nicht versucht anzurufen erspart mir dieses Geräusch. Bei guten Bekannten mache ich schon mal eine Ausnahme und gebe ihnen die Möglichkeit, auch wenn nur in äußerst dringenden Fällen, mich zu erreichen.
An diesem Montag Morgen hat es mich knallhart und unerbittlich aus dem Bett gerüttelt. Ich wusste, es kann nur einer sein, der mich um diese Zeit am Montag Morgen aus den Federn holt. Es kann auch nur einer sein, denn nur einer hat meine Telefonnummer. Es war mein alter Bekannter. Seineszeichens Knieschleifer. Wir haben wenig gemeinsam, doch verbindet uns aber eine Art Seelenverwandtschaft . Er meldet sich selten, in letzter Zeit jedoch wieder häufiger, da ihm aufgrund seiner einigenartigen Entwicklung seine bessere Hälfte abhandengekommen ist. Er weiß nicht mehr wann es genau passierte und auch nicht wo. Wichtig ist das nicht, mich interessiert es auch nicht. Für ihn ist es scheinbar gut das sie nicht mehr da ist. Wie auch immer.
Beim Abnehmen des Hörers stellte ich beiläufig fest, daß ich meine Socken wohl vergessen habe vor dem Schlafengehen auszuziehen. Das ist mir schon öfter passiert. Ich versuchte so zu tun, als sei mir der Anrufer fremd und hatte auch das Bedürfnis die neue Woche mit einem freundlichen „Hallo“ zu beginnen. Das gelingt mir nicht immer. Auch diesesmal nicht, denn als ich den Mund öffnete, offenbarte sich meiner Nase der Knoblauchgeruch des vorangegangenen Abendessens. Trotzdem schaffte ich es, meinem Gegenüber das Gefühl zu vermitteln, nicht gestört zu haben.
Mein Bekannter hatte von meinem Urlaub Wind bekommen und wollte mich zu sich einladen. Ich verstehe nicht, wie man mich einladen kann. Ich selbst würde mich auch nicht einladen wollen. Mein Atem stockte, ich wurde unsicher. Hatte diese übertriebene, plötzliche Gastfreundschaft einen tieferen Sinn? Mir schossen viele Gedanken durch den Kopf. Brauchte er meine Hilfe um sich den teuren Handwerker im Haus zu sparen? Wollte er mir auf seinem kunterbunten mit Sponsoraufklebern geschmückten Zweiradkarussell neue Kunststückchen vorführen? Wollte er vielleicht nur Gesellschaft?
Nach einem etwa zehnminütigen Gespräch und einer kurzen Wäsche fand ich mich auf der Autobahn wieder. Wie ich dahin kam, wusste ich. Aber warum, weiß ich bis heute nicht. Normalerweise plane ich Reisen. Da ich mich im wohlverdienten Erholungsurlaub befand, definierte ich diese Fahrt als Reise.
Für meine Verhältnisse hatte ich wenig Gepäck dabei. Auch auf Regenklamotten habe ich verzichtet. Wie sieht denn das auch aus, wenn sich ein Rocker wie ich auf `ner Raststätte wegen zwei Wolken in einen viel zu engen, in Form gebrachten Industrieabfall pellt?
Ich fuhr da also so lang, so auf der Autobahn. Man hat ja nicht viel zu lachen. Man wird geschnitten, ausgebremst, Lastkraftwagenfahrer drücken ihr an der dänischen Grenze erworbenes Gaymagazin an die Seitenscheibe. Also alles irgendwie nicht so komisch.
Nach etwa einhundert Kilometern hatte ich schon die ersten Beschwerden im Gesäßbereich. Diese Beschwerden nehme ich aber schon seit geraumer Zeit in Kauf, jedoch lege ich spätestens nach Eintreten des Taubheitsgefühls eine kurze Rauchpause ein und um dem durch das Taubheitsgefühl bedingten Kontrollverlust des Schließmuskels Einhalt zu gebieten. Denn ich hatte auch keine zweite Hose dabei.
Die Kippe war achtlos auf dem Boden ausgetreten. Sicher, auch ich lasse meine Aggressionen beim Austreten einer abgerauchten Zigarette ab. Ich stelle mir manchmal so komische Sachen vor.
Das Kribbeln im Gesäßbereich hatte sich gelegt. Es ist ein Gefühl, als hätte man Ameisen im Hintern. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie die da reinkommen, aber sie sind ja zum Glück nur imaginärer Natur. Einmal, auf einer längeren Reise habe ich ihnen sogar Namen gegeben.
Ich setze meine Fahrt fort. Die Autobahn leerte sich und ich dachte plötzlich, ob ich der Einzige bin, der in diese Gegend fährt. Haben die im Autoradio alle von einem Atombombeneinschlag gehört und kehrten nun um? Denn auf der anderen Seite staute sich der Verkehr gewaltig. Fahre ich in den sicheren Abgrund?
Ich hatte noch so einige Kilometer vor mir. Ich bin ein Kontrollfetischist. Man sagt mir nach, ich würde auf dem Motorrad wie auf einem Rodeopferd sitzen und dabei immer wieder links und rechts des Motors blicken. Ich habe mich dabei tatsächlich erwischt. Ich werde, wenn ich wieder zu Hause bin, den Öldruckmesser und die Öltemperaturanzeige in die Tonne treten. Es ist so, als wenn mich diese Instrumente dazu zwingen, sie anzusehen.
Die Autobahn schlängelt sich nun schon seit einer Halben Stunde durch eine Bilderbuchlandschaft und ich Depp sehe ununterbrochen nach unten. Ich bekomme kaum was mit. Ein solch prachtvolles Naturschauspiel ist man ja als Großstädter nun überhaupt nicht nicht gewohnt. Ich hatte auch fast vergessen, daß Wiesen grün sind. Aber es war schön, das mal wieder gesehen zu haben.
So langsam verspürte ich den Wusch mich sanitär zu entspannen. Immer wenn ich Autobahn fahre, sehe ich diesen kleine blauen Schildchen mit den Hinweis, daß die nächsten Toiletten noch fünf Kilometer entfern seien. Ich fuhr also weiter und erhöhte die Reisegeschwindigkeit, um schnell mein Begehren nach absoluter Glückseligkeit zu befriedigen. Man, wann kommt denn endlich was. Ich wurde ungeduldig. Schon als Kind neigte ich zur Ungeduld. Hätten meine Eltern das Problem früher erkannt, wäre ich jetzt nicht in dieser Situation, dachte ich. Denn der Drang nach diesem primitiven Grundbedürfnis wurde nämlich immer stärker. Ich versuchte mittels Motordrehzahl die Vibrationen zu reduzieren, schaute nebenher noch nach unten und die Ameisen waren auch schon wieder da.
Als ich die Hoffnung fast schon aufgegeben habe kam ein Hinweis auf einen Autohof. Gedanken stellen sich im Kopf an und warten darauf gedacht zu werden. So dachte ich mir, natürlich nur um den Weg und die Zeit dorthin zu vergessen, warum Autohof Autohof und nicht Motorhof heißt. Schließlich fahren ja auch Motorräder, Autos mit Bootsanhängern und dänische Lastkraftwagen dorthin. Der Gedanke war zwar nich nicht ganz zu Ende gedacht, aber ich hatte nun die Gelegenheit. Ich fahre ein Motorrad, welches sicher etwas teurer ist, als vielleicht ein Motorroller. Allerdings sieht es überhaupt nicht so aus. Jedenfalls bin ich der Auffassung, daß man sein Schwerverdientes Eigentum mit einem Schloss sichern sollte.
Ich stieg also mit meinen Ameisen im Hintern vom Mopped. Da der untere Bereich meines Körpers zu platzen drohte, versuchte ich kurz durchzuatmen um den Schlüssel zum abschließen zu finden. Ich vergaß das vorabendliche Abendessen und beugte mich beim Ausatmen in meinen Atem. Da Mopped war gesichert. Das, wenn auch nur wenige Gepäck, hätten mir auch welche enteignen können. Das war mir jetzt egal.
Ich ging also durch die automatische Schiebetür. Eilte an Zeitungen, Truckerwesten und an einer widerlichen Self-Servicethehe vorbei. Ich hatte es geschafft. Ich war in den heiligen Hallen der totalen sanitären Entspannung.
Ich fand dann auch schnell ein geeignetes Stück Keramik. Der Raum war Leer und meine Schritte hallten gegen die Fliesen. Der Urinale Schlag, welcher sich sanft um meine Schleimhäute legte störte mich jetzt wenig. Ich stand da so, etwas breitbeinig und hatte das Gefühl in eine weiche Wolke zu fallen. Doch nichts ist schlimmer, als einen der in eine Wolke fällt, dabei zu stören. Ein Fremder hat mein Revier betreten. In diesem Augenblick dachte ich an den dänischen Lastkraftwagenfahrer, aber woher sollte der wissen, daß ich mich gerade hier aufhalte. Mein Kopf war starr auf die Fugen zwischen den Eierschalenfarbenen Fliesen gerichtet. Mein Blick aber nicht. Meine Augen entdeckten den Fremden, der sich ausgerechnet zwischen vier anderen Keramikbecken für das rechts von mir entscheiden musste.
Wir sind in einem freien Land und jeder kann da wo er will. Aber für mich war das ein klarer Verstoß gegen mein Recht auf Privatsphäre. Ich hatte einen Stau. Ich kann eben nicht mehr, wenn neben mir einer Steht, warum auch immer. Ich tat also so, als würde ich und wartete bis er wieder weg war. Der muß auch gedacht haben, ich hätte seit drei Tagen nichts mehr rausgelassen.
Die Hitzewallungen stellten sich ein und auch mein Körper nahm wieder die normale, ursprüngliche Haltung ein. Mir fiel auf dem Weg zum Handwaschbeckenraum die vergammelte Self-Servicetheke wieder ein und ich verspürte etwas Hunger. Selbstverständlich wasche ich mir vor dem Essen die Hände. Das Problem ist nur, daß man nicht genau weiß, wer sich vor mir am Wasserhahn bakteriell verewigt hat. Deshalb habe ich im Laufe der Jahre mein eigenes System entwickelt. Ich schiebe also mit dem Handballen die Mischbatterie nach oben, versuche etwas Seife aus dem Behälter zu bekommen, möglichst ohne direkten Körperkontakt. Anschließend mache ich das Wasser mit dem Ellenbogen aus. Auf ein Papierhandtuch verzichte ich meist, denn ich halte meine Hose für sauberer als diese Tücher. Als ich die Räumlichkeit verlassen möchte, strahlt mich eine mit Fingerabdrücken übersäte Aluminiumtür an. Nein, ich konnte sie unmöglich nach meiner Waschung mit den Händen anfassen. Ich versuchte also, den Ärmel der Lederjacke über meine rechte Hand zu ziehen, dich dieser war zu kurz. Ich hob den rechten Ellenbogen und versuchte den schon vorhandenen Spalt zu vergrößern. In diesem Augenblick starrte mich der schmierige Toilettenpächter an, welchen ich schon beim Betreten zu ignorieren versucht habe. Ich konnte ihm nicht entkommen. Ich sah mich verpflichtet ihm für die schäbige Reinigung der Einrichtung auch noch Bares zu geben. Sogar ein Dankeschön ist mir rausgerutscht. Zurücknehmen kann man so was nicht, war ja kein Gegenstand.
Man, ich fahre also weiter. Ich überholte zum zweiten mal den dänischem Laster, der mich scheinbar diesesmal nicht wahrgenommen und deshalb auch vergessen hatte mir sein Gaymagazin an die Scheibe zu halten.
Ich kam auch schon in die nähere Umgebung meines Bekannten und ich nutzte die Gelegenheit der nächsten Ausfahrt.
Jo
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8 Antworten
Hey, bobber!
Schreibst Du das Zeug wirklich selber?
Wenn ja, bist du talentiert und ich kauf das Buch.
Gruß aus Reinickendorf
hi womp-ratte in reinickendorf
tatsächlich schreibe ich das zeug selber und tatsächlich habe ich langeweile. um nicht zu verblöden schreibe ich ein wenig. der verlust meines arbeitsplatzes traf mich hart und ich versuche nur etwas humor in mein beschissenes leben zu bringen.
du hast mich mit dem buch auf eine idee gebracht. ich denke aber, daß ich sicher nicht in der lage bin ein ganzes buch zu schreiben.
außerdem finde ich kommerz zum kotzen.
gruß aus schöneberg
jo
ich warte immer, bis jemand die Tür öffnet und mein Fuß dazwischen passt.
Klinken, die andere Leute mit vollgepissten Fingern angefasst haben , fass ich nicht an.
Guter Beitrag !!!
Gruß aus H
Uli
Ich nehme die Papiertücher ( und nicht die Hose) mache die Tür auf, und werfe die dann in die Abfalleimer, denn meistens sind die eh neben der Tür. Soo, jetzt haben wir langsam wieder ein Technikforum...
Gruß SCOPE
...ich geh´ gar nicht auf WC,
ich zieh´s hoch und schluck´s dann runter
@ bobber
Wenn Du so viel Zeit hast uns auch gerne solche Stories liest, schau mal unter http://www.ride-free
Die haben auch nette Stories unter DRY 10 - Beginnt unter Dry10 Part1 :-)
Ach ja, wer auc Frankfurt und Umgebung ist - Samstag ist Party bei uns - Plakat auf der HP:
Gruß Heiko
Ach ja - echt goile Texte - weiter so...
Zitat:
Original geschrieben von bobber1340
du hast mich mit dem buch auf eine idee gebracht. ich denke aber, daß ich sicher nicht in der lage bin ein ganzes buch zu schreiben.
außerdem finde ich kommerz zum kotzen.
jo
um kotzen zu können, brauchst erst mal was im magen. kommerz ist gar nicht so schlecht. vor allem, wenn man talent und es selbst in der hand hat. probier´s mal
gruß zum wochenende
harlelujah
bobberbuch !
hallo bobber,
das liest sich wirklich gut, ......kaum zu glauben daß man über so eine kleinigkeit soooooooo viel schreiben kann, mit deinem witz in der feder solltest du deine kurzgeschichten wirklich verkaufen, ich würd das buch auf jeden fall kaufen. weiter so und mach was draus
gruß anjasbruder