Der VW Bus ist beliebt. Sogar den T4 wollen immer mehr Leute kaufen. Wir haben uns von Experten die häufigsten Mängel des ersten Bullis mit Frontantrieb zeigen lassen.
Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK Von Haiko Prengel Berlin - Wo Multivan draufsteht, muss nicht Multivan drin sein. Das ist die bittere Lektion, die mancher T4-Anfänger auf der Suche nach einem Bulli-Schnäppchen lernt. „Viele Fahrzeuge werden erst nachträglich vom einfachen Bus oder Transporter zum Multivan umgebaut“, sagt Jan Singer. Im schlimmsten Fall droht eine teure Bastelbude. Sein Rat: Beim T4-Kauf anhand der Fahrgestellnummer prüfen, um was für ein Fahrzeug es sich bei Werksauslieferung handelte. Jan Singer ist selbst T4-Fahrer und Inhaber des Spezialbetriebs JS Camperworks in Berlin-Grünau. Die Firma hat sich auf die Reparatur und den Umbau von VW-Bussen und anderen Kleinbussen spezialisiert. Alte Bullis, Mercedes „Düdo“ oder Bremer Modell: Zusammen mit seinem Partner, Florian Reidl, und seinem Team hat Singer schon viele klassische Transporter neu aufgebaut. Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK Ein automobiler Klassiker ist der zwischen 1990 und 2003 gebaute T4 noch lange nicht. Trotzdem boomt der T4 wegen seines hohen Nutzwerts für Camper und Familien wie vielleicht kein anderer Youngtimer aus den 1990er-Jahren. Die Preise ziehen seit einigen Jahren stark an. „Ich habe das Gefühl, begehrte Modelle wie der California werden jedes Jahr 1.000 Euro teurer“, berichtet der gelernte Maschinenbauer Singer. Günstig und alltagstauglichVor allem die Schrauberfreundlichkeit unterscheidet den T4 vom moderneren T5. Das noch moderate Preis-Leistungs-Verhältnis macht den T4 interessant und begehrt. Bereits ab 1.500 Euro gibt es fahrbereite Transporter, Pritschen und sogar Kombis mit gültiger HU. Die Preise für die Vorgänger T1 und T2 sind längst in unerreichbare Sphären enteilt. Und selbst für einen durchschnittlichen T3, wegen seines Heckmotors und Hinterradantriebs für viele der „letzte echte Bulli“, werden inzwischen oft fünfstellige Summen aufgerufen. Der T4 hat den Motor zwar vorn, fährt dafür aber deutlich komfortabler. Als die ersten Exemplare 1990 bei VWN in Hannover vom Band rollten, begann für den Bulli eine neue Ära. Nicht nur das Antriebskonzept mit vorn und quer eingebautem Motor war neu, auch die Modellvielfalt erreichte eine neue Dimension. Erstmals gab es den Transporter mit zwei verschiedenen Karosserielängen und Radständen. Die Motorenpalette reichte vom lahmen 60-PS-Wirbelkammer-Diesel bis zum 204 PS starken V6-Benziner. Damit taugt der VW T4 auch als Reisemobil für längere Autobahnfahrten. „Mit dem T3 war man ja noch mit 90 bis 100 km/h herumgeschüsselt“, sagt Bulli-Experte Jan Singer. Der T4 ermöglichte Reisegeschwindigkeiten von 120 bis 140 km/h, auch mit dem Fünfzylinder-Turbodiesel, dem beliebtesten und meistverkauften Motor beim T4. In Eigenregie zum CamperQuelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALKIn Singers Werkstatt in Berlin-Grünau stehen gerade zwei dieser 2,5-Liter-Diesel zur Reparatur. Bei einem weißen T4 wird die komplette Auspuffanlage neu gemacht, außerdem sind die Bremsen nach etwa einem Jahr Standzeit fällig. Bei einem blauen 2,5-TDI auf der Hebebühne gegenüber wollte der Besitzer eigentlich nur die oberen Traggelenke erneuern lassen. Das ist eine der großen Verschleißstellen beim T4 mit seiner auf Torsionsfedern basierenden Achskonstruktion. Auf der Bühne zeigt sich, dass auch einer der ABS-Ringe gerissen war. Außerdem verliert der Motor tropfenweise Öl. Kfz-Meister Florian Reidl zeigt den Verursacher: einen porösen Kurbelwellen-Simmerring. „Da werden wir den Kunden darauf hinweisen, dass der auch fällig ist.“ Spätestens vor der nächsten HU-Untersuchung, aus Umweltschutzgründen aber eigentlich sofort. Das Kundenauto ist ein normaler Bus mit neun Sitzen. Mit ein bisschen Einfallsreichtum hat der Besitzer den Bulli sozusagen in Eigenregie zum Camper gemacht. Hinten auf der Ladefläche liegen eine zusammengerollte Matratze, Isomatte und allerlei anderes Freizeitgeschirr. Zusätzlichen Stauraum hat der Kunde auch eingebaut: Hinter dem Fahrersitz steht fest geklebt ein alter Holzschrank. Camping-Ausbau der günstigen Art. Der HU-Prüfer scheint bislang nichts dagegen gehabt zu haben. Was eine Polizeikontrolle zu der Ladungssicherung sagen würde, ist eine andere Frage. Allrounder mit langlebigen MotorenBulli-Fahrer sind eine besondere Klientel, sagt Jan Singer. „Aber das ist auch das Reizende daran: Es sind eher offene Menschen. Und VW-Bus-Fahrer haben eine intensivere Beziehung zu ihrem Fahrzeug.“ Während viele Pkw-Besitzer mit ihrem Auto bloß zur Arbeit oder zum Einkaufen fahren, sei ein Bus auch „Lebensraum“, betont Singer. „Damit kannst auch Urlaub machen. Oder mal eben einen Umzug oder zum nächsten Möbelhaus fahren.“ Dieses Allroundtalent schätzen T4-Fahrer besonders. Und die Langlebigkeit der Motoren: Speziell der beliebte 2,5-l-TDI-Fünfzylinder mit 102 PS gilt als äußerst robust. Eine halbe Million Kilometer und mehr Laufleistung sind keine Seltenheit. Weil VW-Busse selten geschont wurden, gibt es kaum noch Exemplare mit deutlich unter 200.000 Kilometer auf der Uhr. „Und brauchbare Exemplare kosten dann trotzdem ihre 10.000 Euro“, sagt Kfz-Meister Florian Reidl. Quelle: Haiko Prengel für MOTOR-TALK Das ist viel Geld für teils mehr als 25 Jahre alte Gebrauchtwagen mit hoher Laufleistung, „aber der T4 ist eben schon lange aus dem Tal der Tränen heraus und erlebt teils erhebliche Wertzuwächse“, sagt Marius Brune von Classic Data, der Sachverständigenorganisation für klassische Fahrzeuge. Wertzuwachs vorprogrammiertClassic Data beobachtet seit mehr als 30 Jahren die Preisentwicklung historischer Fahrzeuge. Dass Brune im T4 eigentlich noch keinen Klassiker sieht, sagt er offen. „Das Flair, das Besondere und Schrullige, was einen Oldtimer ausmacht – das fehlt dem T4“, findet er. Dafür sei er im Vergleich zum T3 zweifellos das bessere Auto: Bessere Motoren, ein besseres Raumkonzept und eine noch relativ einfache Elektronik und hohe Reparaturfreundlichkeit. Classic Data erwartet daher für die kommenden Jahre weitere Wertzuwächse beim ersten Frontmotor-Bulli. Diese Wertzuwächse machen es leider attraktiv für Betrüger, Busse umzubauen und als vermeintliche Multivan teurer zu verkaufen. Oder Kilometerstände zu manipulieren und so am Bulli-Hype mitzuverdienen. Dass eine möglichst gute Dokumentation und Fahrzeughistorie vorliegt, sei deshalb das Allerwichtigste vor dem T4-Kauf, unterstreichen die Bulli-Experten aus Berlin-Grünau. „Dann kann so ein Bulli fast ewig halten.“ Service: Elf Tipps für T4-Interessenten und Fahrer
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