Der Porsche 911 geht in eine neue Runde. Der 992 soll alles besser können als bisher. Die Revolution bleibt aus, die Änderungen liegen im Detail. Welche das sind, lest Ihr hier.
Hockenheim – Wir knallen auf die erste Kurve des Hockenheimrings zu. Der Testfahrer am Steuer wirft den Porsche 911 in die Biegung. Mit zu viel Speed und ein bisschen zu viel Lenkwinkel. Und mit ganz frühem Gaseinatz. Die Hinterachse drängt nach außen. Man spürt das gut. Der Elfer hängt das Heck raus. Im kontrollierten Drift surfen wir um den Scheitelpunkt. Porsche lässt noch keine Journalisten ans Steuer. Hier soll es vorerst um die Technik des neuen Porsche 911 gehen, Baureihe 992. Eine neue Generation, mit weiter entwickeltem Motor, stark überarbeitetem Fahrwerk, neuer Elektronik und einer brandneuen Außenhaut. Oder dem, was man bei Porsche so dafür hält. 992 mag keine Gleichteile mit 991.2 spazierenfahren, doch natürlich bleibt er sich treu. Ziemlich treu sogar. Auch im Inneren. Porsche wagt keine großen Sprünge bei der Weiterentwicklung der Ikone. Viel Feinarbeit an Fahrwerk und Antrieb sollen ihn sportlicher machen als bisher. Alle technischen Details zum neuen Elfer lest Ihr hier. Porsche 911 (992) für 2019: Neue Turbolader mehr LeistungDer Motor im 911 ist noch ganz frisch. Erst vor drei Jahren zur Modellpflege des 991 stieg Porsche vom Sauger auf den Turbo um. Den Grundmotor übernimmt der 992 also vom 991.2, doch an vielen Stellen wurde nachgearbeitet. Größte Änderung: Der 3,0-Liter-Sechszylinder braucht einen Ottopartikelfilter (OPF), um die Abgasnorm Euro 6d-Temp zu erreichen. Wegen des knappen Raums im Heck des Elfers war der Einbau keine triviale Aufgabe. Die beiden Filter der quasi symmetrischen Abgasanlage sitzen hinten seitlich fast im Stoßfänger und werden direkt vom Katalysator flankiert. Die neue Anordnung hat einen positiven Nebeneffekt: Bislang setzte Porsche im Elfer für beide Zylinderbänke zwei identische Turbolader ein. Das erforderte beim linken einen Umweg für die Abgaszufuhr. Die Führung passt nun wegen des OPF nicht mehr. Porsche baut zwei unterschiedliche Lader ein und erreicht so ein symmetrisches Set-up, bei dem beide Laderturbinen sich gegenläufig drehen und optimal angeströmt werden. Zugleich vergrößerte Porsche die Turbinenräder um 3 auf 48 Millimeter, das Kompressorrad wurde um 4 auf 55 Millimeter vergrößert. Die Ladeluftkühler tauschten gleichzeitig den Platz mit dem Luftfilter. Sie wanderten aus ihrem Platz hinter den Kotflügeln mittig auf den Motor. Dadurch konnten die Techniker sie vergrößern und sie werden nun besser angeströmt, was den Wirkungsgrad des Aufladesystems erhöht. Die Wastegates werden nun elektrisch gesteuert und öffnen weiter. Neue Piezoinjektoren, ein asymmetrischer Ventilhub, verringerte Reibung und eine leicht erhöhte Verdichtung (10,5:1) komplettieren die Maßnahmen am Motor. 450 statt bisher 420 PS beim Carrera S und 530 statt bisher 500 Nm sind das Ergebnis. Die Höchstleistung liegt wie bisher bei 6.500 Umdrehungen an, das maximale Drehmoment erst bei 2.300 bis 5.000 U/min (bisher: 1.700-5.000). In der Praxis ändert das wenig, die 500 Nm kommen beim 992 nur wenig später als beim 991.2. Neues PDK mit acht Gängen und mehr Luft für den 992Porsche koppelt den Motor an ein komplett neues Doppelkupplungsgetriebe (PDK), dessen Basis aus dem Panamera stammt. Im Vergleich zum Siebengang-PDK des Vorgängers wurden alle Gänge neu übersetzt. Der kleinste Gang ist kürzer, der größte Gang länger übersetzt als bisher. Den Topspeed erreicht man weiterhin im sechsten Gang. Der liegt mit 308 km/h etwas höher als bisher. Ein gravierender Unterschied ergibt sich bei der Sprintzeit. Im besten Fall mit Sport-Chrono-Paket stehen 100 km/h schon nach 3,5 Sekunden auf dem Tacho, bisher vergingen 3,9 Sekunden. Das Getriebe wurde kürzer als der Vorgänger, wiegt durch die zusätzlichen Zahnräder und Wellen jedoch mehr. Rund 20 Kilo hat es draufgepackt. Es musste Platz machen für einen Elektromotor in der Getriebeglocke. Aktuell fährt der 911 an dessen Stelle jedoch noch Luft spazieren. Das Elfer-Getriebe ist damit für den Hybrid-Betrieb vorbereitet. Das komplette Auto ist es noch nicht. Schon bei einem Vollhybrid müsste Platz für eine größere Batterie vorgehalten werden, der aktuell noch fehlt. Einen Zeitplan für die Hybridisierung verrät Porsche noch nicht. Ausschlaggebend: Wie entwickelt sich die Energiedichte von Batteriezellen und wie streng werden die Verbrauchsvorgaben? Porsche will vermeiden, mehr Gewicht ins Auto zu packen, bevor es absolut unausweichlich wird. Weitere Features des neuen Getriebes: Die Schaltzeiten im dynamischsten Fahrmodus wurden verkürzt, das Schaltrucken dabei verringert. Außerdem nutzt der Porsche nun Kartendaten, die Verkehrsschilderkennung und den adaptiven Tempomaten, um die Schaltstrategie auf Effizienz zu optimieren. Der allradgetriebene Carrera 4S kommt in den Genuss eines neuen Vorderachsgetriebes. Die Einheit aus Kupplung und Differenzial ist wassergekühlt und wurde verstärkt. Dadurch soll das Allradsystem auch unter härtestem Einsatz länger zur Verfügung stehen. Härteres Fahrwerk und mehr Komfort für den ElferFür eine entscheidende Änderung am Elfer-Fahrwerk muss man nicht tief schürfen: Der Sportwagen steht in der neuen Generation erstmals auf „mischbezollten“ Rädern. Vorne steckt Porsche 20-Zöller auf die Naben, hinten 21 Zoll große Felgen. Zugleich sind die Räder hinten breiter. Vorne rollt der 911 auf Felgen der Dimension 8,5Jx20 und Reifen in der Größe 245/35. Hinten zieht Porsche Reifen der Dimension 305/30 auf Felgen in 11,5Jx21. Auch der Carrera S kommt nun immer mit einer breiten Karosserie, wie sie zuvor den Allradmodellen vorbehalten war. Die Spur vorne wächst um 46 Millimeter in die Breite, hinten beim Carrera 2S um 39 Millimeter. Das Fahrverhalten soll so noch neutraler werden, verspricht Porsche. Die Federraten erhöhten die Fahrwerksingenieure beim Standardfahrwerk um 15 Prozent vorne und um 14 Prozent hinten. Beim Sportfahrwerk gingen sie sogar um 18 Prozent und 23 Prozent auf jetzt 45 N/mm und 125 N/mm nach oben. Die Dämpfer sind komplett neu und sollen beim Verstellfahrwerk eine größere Spreizung zwischen Komfort und Dynamik ermöglichen. Der Motor wurde zudem neu aufgehängt. Die Anbindung rückte deutlich weiter nach vorne und nach außen, wodurch die Lastwechselbewegungen geringer ausfallen, weil sich das Aggregat besser abstützen kann. Die Lenkung legten die Techniker beim neuen Elfer zudem direkter aus, der Drehstab ist jetzt steifer. Ohne Hinterachslenkung lenkt der Porsche um 10 Prozent direkter, mit Hinterachslenlung um 6 Prozent. Die bleibt natürlich im Angebot, wie auch die optionale „Porsche Dynamic Chassis Control“ mit Wankausgleich. Besonders stolz ist Porsche auf ein Feature, das nicht der Dynamik sondern der Sicherheheit dient. Der Elfer erkennt jetzt erstmals durch einen Sensor im Radhaus, wenn die Straße nass ist. Das Auto empfiehlt dem Fahrer dann, den sogenannten „Wet Mode“ zu aktivieren. Der ändert die Gaspedalkennlinie und sämtliche Regelsysteme, um einen sanfteren Leistungseinsatz zu erreichen. Der Heckflügel fährt zudem früher aus und erhöht so den Anpressdurck auf der Hinterachse. Beim Allradmodell verschiebt er die Balance weiter nach vorne. Porsche 911 992: Mitfahrt im neuen ElferVom Beifahrersitz aus lässt sich nur erahnen, was der neue Porsche 911 kann oder nicht kann. Schnell ist er jedenfalls. Das Gripniveau scheint außerordentlich hoch. Wir drehten mehrere Runden mit dem Carrera S und einige weitere mit dem Carrera 4S. Die Testwagen hatten das volle Fahrdynamik-Paket an Bord: adaptives Sportfahrwerk, Hinterachslenkung, Wankstabilisierung, Sport-Chrono-Paket etc. Deutlich wird die Berechenbarkeit und Neutralität des Elfers. Beide Testfahrer brauchen nur wenige Inputs am Lenkrad, um den Porsche im Drift zu halten. Meist können beide Hände am Kranz bleiben. Selbst vom Beifahrersitz spürt man früh, wann der Wagen an der Haftungsgrenze tanzt – und wann er sie überschreitet. Die Lastwechselreaktion fallen relativ sanft aus. In sauber gefahrenen Kurven baut der 911 hohe Seitenkräfte auf. Die Balance wirkt neutral, ins Untersteuern fuhren die Entwicklungsfahrer uns nicht. Der 4S gab sich dabei erstaunlich hecklastig. Auch er erlaubt große Drifts, zieht sich aber mit geringen Lenkimpulsen und Vollgas wieder sauber gerade. Der Carrera S mit Heckantrieb erfordert offenbar etwas mehr Arbeit, wirkt dabei aber stets transparent. Porsche 911 992 (4S): Technische Daten
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