Aus den Studien werden Serienautos: VW nennt erste Details zur ID-Familie. Den Start macht ein Kompakter mit mindestens 330 Kilometern Reichweite und 170 PS.
Dresden – Zwei Jahre lang erzählt uns VW schon einen vom Baukasten. Seit 2016 in Paris die erste I.D-Studie parkte, heißt es gebetsmühlenartig: Elektroantriebsbaukasten. Elektroantriebsbaukasten. Elektroantriebsbaukasten. Vier Studien bauten bisher auf dieser Architektur auf, eine fünfte folgt morgen. Und immer wieder kommt der Hinweis, dass der Baukasten bald in Serie geht. Ganz so weit ist die Marke noch nicht. Erst Ende 2019 beginnt die Produktion des Elektroautos I.D. in Zwickau, 2020 startet der Verkauf. Aber es ist an der Zeit, endlich konkret zu werden. Zum ersten Mal gewährt VW Einblick in den Baukasten und nennt echte Fakten zum Serienauto. VW ID: Kompaktes Elektroauto ab 2020Quelle: VW Basis für die Elektrostrategie der Marke ist der „Modulare Elektroantriebsbaukasten“ (MEB). Eine skalierbare Architektur, ähnlich wie die Plattformen für Verbrenner-Fahrzeuge (MQB, MLB, MSB). Der Baukasten ähnelt einem Skateboard: zwei Achsen, dazwischen eine Bodengruppe mit der integrierten Batterie. Mindestens eine Achse bekommt einen Motor. Auf dieser Plattform bauen künftig alle neuen Elektroautos der Marke VW und viele des Konzerns auf. Wichtige Elemente sind variabel: Radstand, Batteriegröße, Radumfang und Motorkonfiguration lassen sich anpassen. Damit können verschiedene Modelle auf dem Skateboard aufbauen. So sinken die Kosten. Das erste MEB-Modell wirkt wie ein kleiner Rückblick. Der VW ID bekommt einen Heckmotor. Das gab es bei VW zuletzt beim Käfer. Unter dem Frontblech des ID liegen die Nebenaggregate und der Kühler. So will VW eine möglichst gleichmäßige Gewichtsverteilung und kurze Überhänge erreichen. Im ID wird es nur einen Motor geben. Der leistet 125 kW (170 PS), so viel wie der Antrieb eines BMW i3. Ein schwächerer Motor könnte beim Verzögern nicht genügend Strom erzeugen. VW kündigt an: Der ID beschleunigt in weniger als 8 Sekunden auf 100 km/h und wird bei 160 km/h abgeregelt. Golf-Länge, aber mehr PlatzQuelle: VW Zwischen seinen Achsen liegen rund 2,80 Meter. Damit bietet der ID im Innenraum rund 18 Zentimeter mehr Platz als der aktuelle Golf (2,62 m). Mit einer Außenlänge von knapp 4,30 Meter baut er insgesamt kaum länger als sein Konkurrent aus den eigenen Reihen. Der misst 4,25 Meter. So richtig nach Golf wird sich der ID aber nicht anfühlen, trotz der ähnlichen Positionierung. VW hat ein Modell zum Probesitzen dabei. Sitze, Lenkrad und Wählhebel entsprechen noch nicht dem Serienstand. Platzverhältnisse und Sitzposition sind aber schon final – genug für einen ersten Eindruck. Unsere Sitzprobe zeigt: Wir müssen uns umgewöhnen. Denn im ID sitzen die Insassen deutlich höher. Das Akkupaket steckt im Unterboden und bringt ordentlich Höhe ins Auto. Eine Hülle schützt die Zellen. All das hebt die Sitzposition an. Dafür gibt es viel Beinfreiheit. Insgesamt ordnen sich Platz und Gefühl im ID irgendwo zwischen höhergelegtem Passat und Tiguan ein. Er wird aber kein SUV, sondern ein normaler Pkw. 330 bis 550 Kilometer WLTP-Reichweite im VW IDQuelle: VW Der Akku im ID misst 1,40 Meter in der Länge und wiegt 225 Kilogramm. Die Kapazität nennt VW noch nicht, aber eine Reichweite: Die Basisvariante soll im realitätsnahen WLTP-Zyklus 330 Kilometer weit fahren können. Damit kommt sie 100 Kilometer weiter als der E-Golf (WLTP: 231 km). Sein Akku mit 35,8 kWh Kapazität wiegt übrigens das Gleiche. Insgesamt soll der ID auf ein Gewicht von rund 1.600 Kilogramm kommen. Statt stärkerer Motoren können Kunden einen größeren Akku mit mehr Zellen und einer Reichweite von bis zu 550 Kilometern bei der Bestellung wählen. Wie hoch der Aufpreis zur nächstgrößeren Batterie ausfällt, steht noch aus. Beim Preis gibt es zumindest einen Hinweis. VW-Chef Herbert Diess hatte schon angekündigt, dass ein Basis-ID weniger als 30.000 Euro kosten wird. Jetzt deutet VW an, dass der ID zum Preis eines Golf Diesel zu haben sein wird. Auf Nachfrage, um welchen Diesel es sich handelt, schmunzelte man nur. Vermutlich wird sich der ID also am 150-PS-Diesel orientieren. Der kostet aktuell ab 27.450 Euro. Ein E-Golf steht mit 35.900 Euro in der Liste. Vier ID-Modelle bis 2022Quelle: VW Insgesamt plant VW in den kommenden Jahren vier ID-Modelle. Kurz nach dem ID folgt die Serienversion des ID Crozz als kompaktes SUV. 2022 starten die Limousine ID Vizzion und der Van ID Buzz. Je nach Fahrzeuggröße wächst der Akku auf bis zu 1,70 Meter Länge, mit ihm vergrößert sich der Radstand. Einen schnellen Batteriewechsel sieht das Konzept nicht vor. Die Batterie soll gut geschützt sein: Der untere Rahmen bildet einen Auffahrschutz, darüber liegt das Aluminium-Batteriegehäuse mit einem Crashrahmen, der Batteriekühlung und einer Anschlussbox für Hochvolt- und Niedervoltnetz. Die Batterie lässt sich über ein Schnellladesystem mit 125 kW laden. Wie beim E-Golf gibt VW mindestens acht Jahre Garantie. „Die ID-Modelle sind keine umgebauten Verbrenner, sondern kompromisslose E-Autos. Zudem werden sie online und upgrade- sowie updatefähig sein“ sagt Christian Senger, Leiter E-Mobilität bei VW. Ein bisschen Verbrenner-Gefühl bleibt trotzdem: VW baut den Automatik-Wählhebel weiterhin in die Mittelkonsole. Die Ingenieure bereiten die ID-Familie technisch fürs autonome Fahren vor. Mit der neuen Elektronik-Architektur End-to-end verschmelzen einzelne Steuergeräte zu einer großen, leistungsfähigen Einheit. Sensoren und Schnittstellen können integriert werden, wenn der Gesetzgeber die Fahrt ohne Hände am Steuer freigibt. Aktuell steht das noch aus. Zwei Motoren und größere Akkus in der ID-FamilieQuelle: VW Je nach Segment und Leistungsklasse wird VW einen zweiten Motor einsetzen. Grundlage ist der Heckantrieb, ein Frontmotor ergänzt das Konzept. Im ID Crozz leistet der hintere Stromer 150 kW, ein vorderer weitere 75 kW. Ergibt eine Gesamtleistung von 306 PS. Für den ID sind Allrad und größere Motoren aber nicht vorgesehen. „Wir wollen wie gewohnt auch künftig für jeden Fahrer das richtige Auto anbieten, dann mit Elektroantrieb“, sagt Christian Senger. Einen passenden Werbeslogan gibt es schon: „Electric for all“. Das mag einige an das legendäre Metallica-Album „..and Justice for all“ (von 1988) erinnern. Doch die Wolfsburger scheinen damit ernst zu machen. Neben den vier Elektroautos von VW kommen noch einige Modelle der Schwestermarken. Bis 2022 sollen insgesamt 27 Elektroautos im VW-Konzern auf den Markt kommen. Alle Marken zusammen planen mit zehn Millionen Autos. Bis es soweit ist, backt VW aber noch kleine Brötchen. Pro Tag entstehen 70 E-Golf in Dresden. Außerdem ist noch der E-Up bestellbar. Beide Autos erübrigen sich in der aktuellen Form, sobald der ID - dann mit anderem Namen - in Serie geht. Denn er wird praktischer als der Golf – und vermutlich kaum mehr kosten als der elektrische Up.
******* In eigener Sache: Am 20. September beginnt die IAA 2018 für Nutzfahrzeuge in Hannover. MOTOR-TALK hat alle Infos zur größten Lkw-Show der Welt gemeinsam mit den Herstellern aufbereitet. Mehr dazu findet Ihr hier. |