Das „Black Cab“ wird elektrisch und international: Hersteller LCEV hat das Londoner Taxi komplett erneuert und will es in vielen Städten einsetzen. Darunter Berlin.
Berlin – Das Taxi des 21. Jahrhunderts sieht ganz schön alt aus. Viele Merkmale trägt das „Black Cab“, das hier und heute gar nicht schwarz ist, seit Jahrzehnten. Jeder kennt das Londoner Taxi mit seinen kleinen Rädern und dem hohen Aufbau. 1,82 Meter misst das Auto in der Höhe, Einsteigen geht ganz ohne Verrenkungen. Manche Leute können innen sogar stehen. Das Londoner Taxi hatte schon viele Namen. Es hieß Austin FX3 und FX4, ist bekannt als LTI Fairway oder LTI TX. Seit 2006 ist Volvo-Mutter Geely involviert. Mittlerweile heißt der Hersteller der Black Cabs „London Electric Vehicle Company“ (LCEV). Im vergangenen Jahr stellte die Firma Generation TX5 erstmals vor. Die neueste Version soll vieles besser können als all ihre Vorgänger. Vor allem: umweltfreundlich sein. Denn „unter der Haut“, sagt der LCEV-Aufsichtsratsvorsitzende Carl-Peter Forster, ist alles neu. Das London Taxi gibt es heute nur noch mit Elektroantrieb. Und es könnte bald zum Berlin Taxi werden. Und zum Munich Cab. Und so weiter. Langsamer Start für elektrische Black CabsForster ist ein erfahrener Automanager. Er war Produktionsvorstand bei BMW, Aufsichtsratsvorsitzender bei Opel, danach kurz Tata-Chef. Seit 2013 ist er bei Geely und leitet die LCEV. In dieser Firma laufen Entwicklung, Bau und Vertrieb der Taxis. Ein zartes Pflänzchen ist das Geschäft noch, denn von den 20.000 Taxen in London säuseln erst 300 mit E-Antrieb über die Straßen. Doch diese Menge genüge schon, um Taxifahrer miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Zulassungszahlen würden sicher bald steigen. Denn reine Diesel-Taxis werden in London nicht mehr zugelassen. „London geht in Richtung Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs“, sagt Forster. „Seit Januar 2018 werden nur noch neue Taxis zugelassen, die mindestens 30 Meilen, also 50 Kilometer elektrische Reichweite haben.“ Bis Ende 2020 könnten 9.000 Londoner Taxen diesen Anspruch erfüllen. So soll der gesamte Londoner Stickoxidausstoß um 3,5 Prozent sinken, die Feinstaubbelastung sogar um 4,5 Prozent. Range-Extender statt Plug-in-HybridQuelle: LEVC 50 Kilometer elektrische Reichweite lassen sich mit vielen Plug-in-Hybriden realisieren. Englands Taxiproduzent wollte die Aufgabe aber anders lösen. Nachdem Geely die London Taxi Company übernommen hatte, sei intensiv über den richtigen Weg der Elektrifizierung nachgedacht worden. 300 Millionen Pfund flossen in die Neukonstruktion des Wagens und in eine neue Fabrik. Das Ergebnis ist ein Elektroauto mit Range-Extender. Im LEVC TX5 treibt ein Elektromotor mit 110 kW (150 PS) sowie 255 Newtonmetern Drehmoment die Hinterräder an. Ein Dreizylinder-Benziner (1,5 Liter, 82 PS) lädt über einen Generator die 31-kWh-Batterie des Taxis. Alternativ lässt sich das Auto an der Ladesäule mit 22 kW (Wechselstrom) bzw. 50 kW (Gleichstrom) laden. „Auf diese Weise kann das Taxi unter voller Beladung 130 km/h schnell fahren und ist damit absolut langstreckentauglich“, sagt Forster. Im Taxi-Alltag sei diese Eigenschaft wichtig, wenn man mal einen Fahrgast aus der City zum Flughafen Heathrow zu bringen hat. Je nach Strecke sind das 50 bis 80 Kilometer für Hin- und Rückweg, und dann wäre die Elektro-Reichweite von 130 Kilometern schon zu einem guten Teil aufgezehrt. 200 Kilometer Fahrstrecke gegen 130 Kilometer ReichweiteQuelle: LEVC Der Benzinmotor hilft den Fahrern außerdem beim Pendeln. Ein großer Teil von ihnen wohne außerhalb Londons, erklärt Taxi-Vorstandschef Chris Gubbey. „Sie büßen dann keine Reichweite ein auf dem Weg in ihr Einsatzgebiet.“ Gegen ein reines Elektroauto mit größerer Batterie spricht laut Forster außerdem die noch dünne Ladeinfrastruktur. „Wenn eine große Batterie leer ist, muss ich sie laden. Aber wo befinde ich mich dann als Taxifahrer?“ So viele Ladestationen gebe es noch gar nicht. Der Range-Extender ist flexibler. Fahrer können außerdem in der Mittagspause (ca. 30 Minuten) die Akkus an der Säule laden. Mit 130 Kilometern Reichweite, das weiß man auch in England, kommt kein Londoner Taxifahrer aus, der ein Geschäft machen will. „Sie fahren im Durchschnitt etwa 120 Meilen pro Tag, also knapp 200 Kilometer“, weiß Chris Gubbey. „In Berlin sind es etwa 180 Kilometer am Tag.“ London Cab für DeutschlandQuelle: LEVC Diese Zahl wird langfristig relevant für das London Taxi. Bald sollen sie auf dem Kontinent zu haben sein, vertrieben und gewartet von Volvo-Händlern. Noch sind die Verträge nicht unterschrieben, aber das sei nur eine Frage der Zeit. Das erste Export-Elektrotaxi wird demnächst in die Niederlande gehen. Es gebe auch schon deutsche Interessenten. Die müssen allerdings ordentlich investieren: Das LEVC TX5 kostet 59.600 Euro netto. Dafür gibt es immerhin ein sehr originelles Auto. Nicht nur wegen des Antriebes, sondern auch, weil man in einem London Taxi einfach anders fährt. Hinten sitzen bis zu sechs Personen, die sich zu jeweils dritt gegenübersitzen. Vorne arbeitet der Fahrer, abgetrennt per Plexiglasscheibe, aber verbunden per Sprechfunk. Der Boden des London Taxis ist topfeben. Eine Rollstuhlrampe gibt es serienmäßig, Panoramadach, Stromanschlüsse für Telefone und WLAN optional. LEVC TX5: Wartungs- und TreibstoffkostenDen hohen Grundpreis will der Hersteller mit anderen Vorzügen ausgleichen. Der LEVC TX5 muss nur alle 40.000 Kilometer (25.000 Meilen) zum Service. Es gibt eine Fünfjahres-Garantie auf die Akkus, ohne Kilometerbegrenzung. Außerdem soll man im Monat etwa 450 Euro Kraftstoffkosten sparen. Das gelte zumindest für englische Strompreise. Die Rechnung für Deutschland bleibt der Hersteller schuldig. Trotz Benzin-Unterstützung: Elektro-Taxis ergeben nur Sinn, wenn die Ladeinfrastruktur dicht genug ist. LEVC fordert 300 Schnellladesäulen in London bis Ende 2020. „Nur eine solche Dichte“, heißt es in einem LCEV-Prospekt, „würde es TX-Fahrern erlauben, den Elektroantrieb eine ganze Schicht lang zu nutzen.“ Außerdem verlangt LCEV noch einheitliche Ladegeräte sowie ein ebenso einheitliches Bezahlsystem. Beteiligen will sich der Hersteller am Aufbau dieser Infrastruktur allerdings nicht. Das bleibt eine Aufgabe für die Stromkonzerne oder die öffentliche Hand. Quelle: SP-X
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